1899 Hoffenheim

Schreuders Taktik gegen Schalke geht auf

Weil die Hoffenheimer diesmal brutal effizient ans Werk gehen, kassiert der FC Schalke 04 die erste Auswärtsniederlage

21.10.2019 UPDATE: 22.10.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 32 Sekunden

Ihlas Bebou (l.) zieht ab und trifft zur Entscheidung für "Hoffe". Die Schalker Reck-und Streckversuche können das 2:0 nicht verhindern. Foto: APF

Von Joachim Klaehn

Sinsheim. Fußball ist nichts für Gerechtigkeitsfanatiker, denn hin und wieder ist es eben nicht so, dass die aktivere und bessere Mannschaft gewinnt, sondern diejenige, die ihre wenigen Chancen eiskalt ausnutzt. K.o. durch Konter - so lässt sich das muntere Spielgeschehen zwischen der TSG 1899 Hoffenheim und dem FC Schalke 04 am Sonntagabend treffend zusammenfassen. Das 2:0 (0:0) am Ende war für den traditionsreichen Verein aus dem Ruhrpott nicht gerade prickelnd, denn über weite Strecken hatten die Gäste vor 29.477 Zuschauern einen herzhaften Fight bestimmt. "Wir haben selten ein Spiel so dominiert. Aber zwingende Torchancen hatten wir nicht", analysierte S04-Torhüter Alexander Nübel schonungslos.

Eigentlich wollten sich die Königsblauen, in der Sinsheimer Arena ganz in Weiß antretend, zusätzliches Selbstvertrauen für das bevorstehende, prestigeträchtige 155. Pflichtspiel-Derby gegen den Lieblingskontrahenten Borussia Dortmund holen, zumal es die eigenen A-Junioren übers Wochenende schon mal vormachten und den BVB in der U19-Bundesliga mit 4:0 abfiedelten. Doch hinterher fühlte sich der Ausflug in die nordbadische Provinz wie ein schlechter Film an. "Wir haben alles komplett unter Kontrolle gehabt", schüttelte Alessandro Schöpf fassungslos den Kopf, "doch wir versäumen es eben, das 1:0 zu erzielen und werden zweimal brutal bestraft." Und: "Es ist auch nichts Neues, dass Hoffenheim konterstark ist."

Gnädiger als seine Profis ging Schalkes Trainer David Wagner einen Tag nach seinem 48. Geburtstag mit der ersten Auswärtsniederlage in dieser Spielzeit um. Der Deutsch-Amerikaner, von Ralf Rangnick maßgeblich geprägt, gilt als Anhänger des Vollgasfußballs und sieht seine Truppe mitten drin in einem Lernprozess. Pressing, körperliche Wucht und spielerische Dominanz sind die Zutaten des Wagnerischen Werkes, dem nur die Kirsche auf der Sahnetorte fehlte. "Sie haben die zwei Tore gemacht, wir eben nicht", sagte Wagner trocken und gratulierte "Hoffe" deshalb zu einem "verdienten Sieg".

TSG-Trainer Alfred Schreuder ballt nach dem zweiten Coup in Serie gegen ein Top-Team die Fäuste. Foto: APF

Für seinen Kollegen Alfred Schreuder war es Musik für die Ohren. Sein Team war holprig in diese Runde gestartet, hat seit Wochen eine Verletzungsmisere zu beklagen, und allzu Eilfertige neigten bereits dazu, den neuen TSG-Trainer und dessen Arbeitsweise in Frage zu stellen, zumal die delikaten Aufgaben gegen Bayern und Schalke rund um die Länderspielpause bevorstanden. Nach zwei Dreiern, die gewiss nicht vorherzusehen waren, stand Schreuder nach der Pressekonferenz entspannt den Medienvertretern weiter zur Verfügung.

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Die Hoffenheimer Strategie, Schalke pressen und kommen zu lassen und darüber hinaus ein gewisses Risiko im Spielaufbau einzugehen, war letztlich aufgegangen. "Wir haben den Spielern gesagt, dass Schalke diese Spielweise nicht über 90 Minuten durchziehen kann", berichtete Schreuder ohne jeglichen Anflug von Triumphgeschrei nach den beiden wertvollen Coups gegen Branchenführer FC Bayern und gegen phasenweise beeindruckend starke "Wagnerianer".

Schreuder hob vielmehr die gezeigte Stabilität, Disziplin und Mentalität seiner TSG-Schützlinge hervor. "Die Energie unserer Mannschaft war wirklich sehr gut", sah der Niederländer einen intensiven Kampf, bei dem "Hoffe" dank der Tore von Comebacker Andrej Kramaric (71.) und Ihlas Bebou (85.) zugleich die entscheidenden Wirkungstreffer setzte.

Gerade mit den beiden Stürmern konnte Schreuder, mal abgesehen vom kompakten Abwehrbollwerk mit vier angestammten Innenverteidigern, rundum zufrieden sein. Trotz seines Trainingsrückstandes strahlte allein "Kramas" Anwesenheit auf dem Platz mehr Ballsicherheit und Gefährlichkeit aus. "Andrej reagierte positiv darauf, dass er anfangen sollte", berichtete Schreuder über das sorgfältige Abwägen von Chancen und Risiken einer Kramaric-Soforthilfe, "in der zweiten Halbzeit hat er gezeigt, warum er gespielt hat." Kramaric selbst sprach zu vorgerückter Stunde von einem "unglaublichen Gefühl" nach für ihn entbehrungsreichen, schwierigen Zeiten.

"Wir haben es einfach gut gemacht, als Schalke müde wurde", befand ein ebenfalls glücklicher Bebou, der nach einem langen Hübner-Pass von einem Stambouli-Strauchler profitierte, kess noch Salif Sané aussteigen ließ und mit dem sehenswerten 2:0 den Deckel auf den Topf setzte. "Ihlas braucht Tempo und Raum", lobte Schreuder seinen sonntäglichen Edeljoker, "was er in der zweiten Halbzeit geleistet hat, war natürlich schon brutal."

Brutal gut von ihm und für die glückseligen Hoffenheimer - aber auch brutal für "Schalke 02". Königsblau fieberte freilich flott nach dem Abpfiff bereits dem heißen Revier-Derby am Samstag gegen Schwarz-Gelb entgegen. Ob es in Gelsenkirchen "gerechter" als in Sinsheim zugeht, vermag indes kein Fußballfan zu prognostizieren.

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