Tödlicher Vorfall in Stuttgart

Eine Tote, 7 Verletzte, Fahrer frei - Was ist an der Kreuzung passiert?

Nichts deutet auf einen Anschlag hin. Doch was sich da genau an einer Kreuzung ereignete, müssen die Ermittler noch klären. Welche Rolle spielte dabei die Wucht eines so großen Geländewagens?

02.05.2025 UPDATE: 03.05.2025 10:30 Uhr 5 Minuten, 55 Sekunden
In der Stuttgarter Innenstadt ist nach Polizeiangaben ein Auto in eine Personengruppe gefahren. Es gab mehrere Verletzte. Der Fahrer sei festgenommen, sagte eine Polizeisprecherin. Foto: Marco Krefting/dpa

Stuttgart. (dpa) Ein kleines Bund Rosen liegt im Gras am Straßenrand. Die Blüten rot und weiß - wie die Absperrgitter aus Kunststoff im Hintergrund. Sie säumen jene Stelle in der Stuttgarter Innenstadt, an der tags zuvor Menschen an einer Ampel standen und von einem Luxus-Geländewagen erfasst wurden.

Eine 46 Jahre alte Frau stirbt infolge des Unfalls. Sieben weitere Menschen werden verletzt. Unter ihnen sind fünf Kinder. 

Gegen den 42 Jahre alten Autofahrer ermitteln Polizei und Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung. Weil keine Haftgründe vorliegen, kommt der nicht vorbestrafte Deutsche auf freien Fuß.

Keine Hinweise auf Anschlag

Neben die Trauer und das Gedenken gesellt sich zum einen ein Stück weit Erleichterung: Die Ermittler haben nach wie vor keine Hinweise darauf, dass der Fahrer ein Motiv im Sinne eines Anschlags hatte.

Sofort waren am Freitagabend die Vermutungen da - und die Gerüchte. Zu frisch sind die Erinnerungen an Mannheim, München, Magdeburg.

Noch am Abend betonen Polizei und Staatsanwaltschaft in Stuttgart: "Nach aktuellem Ermittlungsstand liegen derzeit keinerlei Hinweise vor, die auf eine vorsätzliche Gewalttat oder ein Anschlagsgeschehen schließen lassen." Deshalb gehe man von einem "tragischen Verkehrsunfall" aus.

Am Samstagmorgen sagt ein Sprecher der Polizei, der Deutsche habe ein fünfjähriges Kind mit im Auto gehabt. Es sei wie sein Vater unverletzt geblieben. Vielleicht ein weiteres Indiz dafür, dass der Mann nichts Böses vorhatte.

Viele Fragen noch offen

Zum anderen ist da die Suche nach Antworten. Was zu dem Unfall an einer großen Kreuzung direkt an einer Stadtbahn-Haltestelle führte, bleibt ungewiss. In der Mitteilung der Ermittler am Samstagabend ist nur davon die Rede, dass der Wagen "aus bislang unbekannter" Ursache nach links von der Fahrbahn abkam und gegen das Geländer eines Fußgängerüberwegs prallte.

Am Freitagabend war ein Sachverständiger vor Ort. Polizistinnen und Polizisten vermaßen das schwarz lackierte Unfallauto, fotografierten und leuchteten auch noch einmal mit einer Taschenlampe unter die Mercedes-G-Klasse, als ein Abschleppwagen das Fahrzeug mit Hilfe eines Krans in die Luft gehoben hatte.

Den Unfallfahrer behält die Polizei über Nacht in Gewahrsam. Er wird den Angaben nach vernommen. Inwiefern er sich zum Hergang geäußert hat, sagt der Sprecher nicht. Auch macht er keine Angaben dazu, ob der Mann schon bei der Polizei bekannt war. Die Staatsanwaltschaft gibt ebenfalls keine Auskunft dazu. Und auch nicht darüber, ob der Mann unter Einfluss von Alkohol oder Drogen stand. Unklar bleibt zudem zunächst die Frage, ob das Auto dem 42-Jährigen gehörte oder vielleicht ein Leih- oder Firmenwagen war.

Weitere Verletzte außer Lebensgefahr

Jedenfalls war er damit nach ersten Erkenntnissen beim Rechtsabbiegen auf eine zweispurige Straße in die Menschengruppe geraten. Drei Erwachsene werden den Angaben zufolge lebensgefährlich verletzt. Die 46-Jährige erliegt wenig später im Krankenhaus ihren Verletzungen. 

Um die beiden anderen kümmern sich Teams im Klinikum Stuttgart. Immerhin: Die Opfer gelten nach der Nacht als nicht mehr in Lebensgefahr.

Welche Rolle spielt der Fahrzeugtyp?

Liegt eine Ursache für die Verletzten-Zahl in der Wucht, die ein Geländewagen mit sich bringt? Bis das geklärt ist, wird es wohl noch eine Weile dauern. 

Immer mal wieder kommt es aber zu Unfällen mit großen, schweren Fahrzeugen - häufig sogenannten SUV (Sports Utility Vehicle: Geländelimousine oder Stadtgeländewagen). So war im Oktober ein Fahrer in Esslingen bei Stuttgart damit ins Schleudern geraten und nach rechts auf den Gehweg abgekommen. Eine Mutter und ihre drei und sechs Jahre alten Söhne kamen ums Leben.

2019 sorgte ein Unfall in Berlin für Aufsehen: Nach einem epileptischen Anfall rammte der Fahrer mit einem SUV eine Ampel, der Wagen überschlug sich mehrfach. Dabei erfasste er mit einem Tempo von mehr als 100 Kilometern pro Stunde vier Menschen auf dem Gehweg. Sie hatten keine Chance. Eine Debatte über ein SUV-Verbot in Innenstädten entbrannte. Und ebbte wieder ab.

Blick in die Statistik

SUV seien im Unfallgeschehen auch nicht gefährlicher als andere Pkw, teilte die Björn-Steiger-Stiftung nach Auswertung statistischer Daten im Dezember mit. "Grundsätzlich beeinflussen viele Parameter die reale Verletzungsgefahr. Eine hohe Front ist nicht unbedingt gefährlicher als eine kurze Front bei einem Kleinwagen", erklärte Siegfried Brockmann, Unfallforscher der Stiftung, die einst nach dem Tod eines Achtjährigen infolge eines Autounfalls gegründet worden war.

Wie schwer sich ein Opfer verletzt, hängt demzufolge maßgeblich mit davon ab, ob der Kopf gegen den Scheibenrahmen prallt. Dies sei das härteste Teil am Fahrzeug. Gar nicht vorherzusehen sei der sogenannte Sekundäraufprall, hieß es. Gemeint ist die Kollision mit einem Hindernis oder der Fahrbahnoberfläche.

Im Jahr 2023 erfasste das Statistische Bundesamt 159.118 Verkehrsunfälle mit Personenschaden, bei denen das Fahrzeug in ein Segment eingeordnet wurde. 15.285 Mal waren SUV Hauptverursacher, 8.885 Mal Geländewagen.

Der Anteil der Fußgänger unter den bei den Unfällen Getöteten war jeweils gering: Unter 121 Toten nach von SUV verursachten Unfällen waren 7 Fußgänger. Bei Geländewagen waren es 8 von 81.

Update: Samstag, 3. Mai 2025, 17.41 Uhr


Von Ulrike Bäuerlein

Stuttgart. Die Verkäuferin der Konak-Bäckerei hält sich immer wieder die Hand vor den Mund. "Furchtbar, ganz furchtbar", sagt sie und statt auf die Szenerie keine zehn Meter vom Eingang der Bäckerei in den Arkaden direkt neben der Stadtbahn-Haltestelle Olgaeck am Stuttgarter Charlottenplatz.

Ein Pizzakarton liegt dort drüben an den Treppen zur Haltestelle, ein herrenloser Trolley, einzelne Kleidungsstücke, Versorgungsmaterial von Rettungskräften. Es wimmelt vor Polizei und Feuerwehr, die Straße hinauf werden Verletzte in einem Rettungsbus der Feuerwehr behandelt.

Halb auf der Straße, halb im Fußgängerbereich am Aufgang zur Haltestelle, steht ein schwarzer Mercedes G-Klasse, am mächtigen Kühler ein paar grobe Kratzer und leichte Dellen. Davor ein völlig verbeultes Metallgeländer, das unter der Wucht des knapp zwei Tonnen schweren Fahrzeuges niedergedrückt wurde.

Um gegen 17.50 Uhr am Freitagabend fuhr das Fahrzeug, aus der Olgastraße kommend, an der Kreuzung rechts abbiegend, in die Menschen, die zur Haltestelle strömten. "Da war alles voller Menschen, dann hat ein Kind furchtbar geschrien, ein Mann gebrüllt", sagt die Verkäuferin, die aber den Aufprall selbst nicht mitbekommen hat.

Sekunden später ging der erste Notruf bei Polizei und Rettungskräften ein, schon wenige Minuten später wimmelte es von Blaulicht, Feuerwehr, Polizei und Rettungskräften, die Straßen rund um den Charlottenplatz wurden gesperrt.

Die Haltestelle liegt mittig. Auf dieser Seite führt die Straße stadtauswärts aus dem Tal-Kessel heraus, auf der anderen Seite stadteinwärts. Der Unfallort befindet sich außerhalb der teils verkehrsberuhigten Innenstadt, östlich des Cityrings. An der oberirdischen Haltestelle fahren mehrere wichtige U-Bahn-Linien ab.

Anschlag oder Verkehrsunfall durch ein außer Kontrolle geratenes Fahrzeug? Dazu konnte und wollte Polizeisprecher Tobias Kutter vom PP Stuttgart am Abend zunächst noch nichts sagen. Der 42-jährige Fahrer des Wagens sei unverletzt geblieben, und werde von der Polizei vernommen, so Kutter, weitere Angaben zu Identität und Alter gab es zunächst nicht.

Mindestens acht Menschen wurden von dem Fahrzeug an der Haltestelle erfasst und verletzt, drei davon schwer, sagte Daniel Anand von der Stuttgarter Feuerwehr im ersten Pressestatement. "Mehrere verletzte Personen, darunter auch drei lebensgefährlich Verletzte, wurden an der Einsatzstelle versorgt", teilte die Feuerwehr Stuttgart in einer Mitteilung mit. Eine Person hätten die Einsatzkräfte von Feuerwehr und Rettungsdienst erfolgreich reanimieren können. Im Großraumrettungswagen der Feuerwehr würden die Leichtverletzten versorgt.

Gegen 20 Uhr gab die Polizei eine weitere Einschätzung ab: "Wir gehen im Moment von einem Unfall aus, ermitteln aber in alle Richtungen", sagte ein Sprecher. 

Am Samstagmorgen teilt die Polizei mit, dass alle Verletzten außer Lebensgefahr sind. Eine 46 Jahre alte Frau war am frühen Abend im Krankenhaus gestorben. Zwei weitere Menschen wurden zunächst lebensgefährlich verletzt. Insgesamt seien mindestens acht Menschen verletzt worden, hieß es.

Schon am Abend gibt es zumindest für die verletzten Kinder vorsichtig Entwarnung aus dem Krankenhaus. "Ein Kind wurde am Abend noch operativ durch Traumatologen und Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen operativ versorgt und wird im Anschluss intensivmedizinisch weiterbehandelt", erklärt der Sprecher des Klinikums Stuttgart, Stefan Möbius. 

Der 42-jährige Unfallfahrer wurde festgenommen. Er befindet sich den Angaben zufolge immer noch in Polizeigewahrsam. Im Auto des Unfallfahrers saß auch ein fünf Jahre altes Kind des Mannes. Dieses sei - wie der Vater - unverletzt geblieben, sagte ein Polizeisprecher. Weitere Details zu dem Kind nannte er nicht.

Am Abend normalisiert sich die Verkehrslage an dem wichtigen Knotenpunkt wieder langsam. Nachdem die Straße und die Bahn-Strecke zeitweise komplett gesperrt waren und weder Fahrzeuge noch Bahnen passieren konnten, gibt die Polizei am Abend zunächst die Gegenfahrbahn wieder frei. Auch Straßenbahnen passieren die Unfallstelle wieder.

Am Abend lädt ein Abschleppwagen das Unfallfahrzeug - laut Polizei eine schwarze Mercedes-G-Klasse - auf und transportiert es ab. Die Mercedes-G-Klasse ist eine Art Geländewagen. Auf der Straße bleiben nur weiße Markierungen der Position des Autos zurück.

Update: Samstag, 3. Mai 2025, 10.30 Uhr


Foto: 7aktuell

Stuttgart. (bub/dpa) Zur Stunde läuft in der Stuttgarter Innenstadt ein Großeinsatz von Polizei und Rettungskräften. Die Lage ist noch unklar. Nach Angaben einer Sprecherin des Polizeipräsidiums Stuttgart gab es gegen 18 Uhr auf einer zentralen Kreuzung in der Innenstadt in Nähe der U-Bahn-Station "Olgaeck" einen Unfall mit mehreren Verletzten.

Ein Fahrzeug soll in mehrere Personen gefahren sein. Bisher gebe es drei Verletzte. Der Fahrer sei festgenommen, sagte eine Polizeisprecherin. Ob es sich dabei um einen Verkehrsunfall oder einen Anschlag gehandelt hat, stehe derzeit nicht fest.

Derzeit werden die Straßen rund um die Kreuzung Charlottenplatz gesperrt. "Es sind alle Kräfte im Einsatz, die erreichbar sind", sagte die Polizeisprecherin unserer Redaktion am frühen Abend.

Ort des Geschehens

Update: Freitag, 2. Mai 2025, 18.52 Uhr