Exklusives RNZ-Interview

Das sagt TSG-Präsident Peter Hofmann zur Krise bei 1899 Hoffenheim

"Klar, dass mein Herz tiefblau ist" - Sagt der Bayern-Fan vor dem Spiel in München

03.10.2019 UPDATE: 03.10.2019 20:00 Uhr 6 Minuten, 7 Sekunden
"Schreuder ist Schreuder": TSG-Präsident Peter Hofmann (r.) im Gespräch mit RNZ-Sportchef Joachim Klaehn. Foto: APF

Von Joachim Klaehn

Heidelberg. Er kennt Hoffenheim und die TSG 1899 wie seine Westentasche. Präsident Peter Hofmann (60) bewahrt sich – trotz der ernüchternden Ergebniskrise – seinen Optimismus. "Wir müssen einiges neu aufbauen", sagt Hofmann im Redaktionsgespräch bei der RNZ in der Neugasse.

Am Samstag (15.30 Uhr/Sky) tritt "Hoffe" beim FC Bayern München in der Allianz Arena an. Für Hofmann ein besonderes Spiel – von kleinauf ist der gelernte Elektomeister nämlich bekennender Bayern-Fan.

Herr Hofmann, Sie haben mal gesagt: "Ich könnte mir ein Leben ohne die TSG Hoffenheim gar nicht vorstellen." Ihr Sportlerherz muss bei solch hoher Identifikation momentan bluten, insbesondere nach den beiden Heimniederlagen gegen Freiburg und Gladbach. Leiden Sie?

Als Präsident der TSG leide ich bei jeder Niederlage – und ich bin danach auch ungenießbar. Wir haben einen neuen Trainer, Stammspieler, die verletzt und nicht einfach so zu ersetzen sind und ein enorm schweres Auftaktprogramm - da kann es zu solch einem Punktestand und Tabellenplatz kommen.

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Ihre Körpersprache auf der Tribüne nach dem 0:3 gegen Gladbach sagte alles …

Na ja, wie gesagt, man leidet eben mit und weiß, dass man Geduld braucht. Jetzt kommen die Spiele beim FC Bayern und gegen Schalke, da sind wir nicht der hohe Favorit.

Woran liegt diese Ergebniskrise?

Gegen Gladbach waren wir bis zum Gegentreffer die bessere Mannschaft. Das Tor kurz vor der Halbzeit hat das Team verunsichert. Man muss die Ruhe bewahren. Natürlich sind wir gegen den FC Bayern krasser Außenseiter. Aber das geht ja anderen genauso.

Allen?

(Lacht) Fast allen.

Im Sturm steckt der Wurm.

Es fehlt nicht weniger als unser Top-Sturmduo, das in der vergangenen Saison zu den besten der ganzen Liga zählte. Andrej Kramaric fällt schon seit Saisonbeginn aus, Ishak Belfodil war noch lange nicht in Bestform und fehlt nun wieder. Das kompensiert kein Team in der Liga. Da hat es jeder Trainer schwer.

Alfred Schreuder hat kritisiert, dass der personelle Umbruch nach seiner Unterschrift im März anschließend im Sommer zu extrem ausgefallen sei. Hat er damit Recht?

Wir haben die Spieler, die gewechselt sind, nicht weggeschickt, sondern sie wollten weg. Alfred versteht das und er weiß auch, dass es so war. Darauf hat er hingewiesen.

Wie würden Sie Schreuder als Trainertyp charakterisieren?

Alfred ist ein kluger, ruhiger Analytiker und akribischer Arbeiter. Ihn zeichnet seine Charakterstärke aus. Er ist ein Typ Mensch, den man gerne mag. Er kommt bei der Mannschaft und im Verein gut an.

Aber eben kein Nagelsmann.

Natürlich nicht. Nagelsmann ist Nagelsmann. Schreuder ist Schreuder. Jeder ist individuell. Solche Vergleiche kann man nicht ziehen und sie sind nie zulässig.

Warum wurden die Abgänge nicht adäquat ersetzt? Oder hat man sich vom jetzigen TSG-Kader mehr versprochen?

Die TSG hat eine klare Philosophie. Wir holen Spieler mit Perspektive und entwickeln sie weiter. Damit haben wir die Erfolge gefeiert, auf die alle zuletzt sehr stolz waren. Die Qualität des Kaders, wenn es keine Verletzten gibt, ist gut. Die Widrigkeiten, gegen die wir kämpfen müssen, habe ich beschrieben. Zudem braucht das Team Zeit, zu wachsen. Dafür, dass die Erwartungshaltung gestiegen ist, haben wir mit den großen Erfolgen selbst gesorgt. Aber wir dürfen alle nicht vergessen, woher wir kommen und wer wir sind.

Also auch normale Eingewöhnungsprobleme?

Nehmen wir mal Ishak Belfodil in der vergangenen Saison: Er hat zehn Spieltage gebraucht, bis er leistungsmäßig explodiert ist. Ein neuer Spieler kann nicht sofort von Null auf Hundert gehen.

Wie ist generell das Prozedere bei Transfers im Klub. Ab welcher Größenordnung wird das mit dem "Aufsichtsrat" der TSG abgestimmt?

Die TSG hat einen Beirat. Natürlich werden die Gesellschafter und der Beirat über die Entwicklungen informiert und von einer bestimmten Größenordnung an auch in die Entscheidung eingebunden. Unser Direktor Profifußball, Alexander Rosen, weiß genau, was er macht, die sportlichen und wirtschaftlichen Erfolge der vergangenen Jahre sprechen eine deutliche Sprache. Er sagt ja jetzt nicht, ich will Antoine Griezmann haben. Wir haben Vertrauen und halten nicht nur in erfolgreichen Zeiten zusammen.

Wird in der Wintertransferperiode nachgerüstet?

Das hat die sportliche Abteilung in ihrem Aufgabenbereich, und es ist doch viel zu früh, darauf eine Antwort zu geben. Das hängt natürlich auch damit zusammen, ob wir von weiteren Verletzungen verschont bleiben. Das entscheiden dann Trainer und Manager.

Schreuder hat als Nagelsmann-Nachfolger keinen leichten Job. Wie viel Geduld legen die Vereinsentscheider an den Tag, wie viel Zeit bekommt Schreuder für den Neuaufbau?

Es gibt im Verein Geduld und Zeit. Wir wissen um unsere Rolle, die wir in dieser Saison einnehmen. Wir müssen einiges neu aufbauen, haben einiges Verletzungspech und sind schließlich immer noch am Anfang der Bundesliga-Saison. Das alles können wir gut bewerten.

Am Samstag geht es zu den großen Bayern. Ein Bonus-Spiel. Was wünschen Sie sich von der Mannschaft?

Dass man schon beim Warmmachen sieht, warum die Mannschaft auf dem Platz steht. Ich will sehen, dass sie ihr Bestes gibt, dass der Wille da ist, um Paroli zu bieten. Mit einer kämpferischen Einstellung kann man auch mal einen Punkt holen.

Sie haben ohnehin zum FCB eine besondere Beziehung. Sie waren bereits als junger Kerl Bayern-Fan, Franz Beckenbauer war ein Vorbild. Wie kam es zu dieser emotionalen Bindung?

In unserer Generation gab es damals zwei Möglichkeiten: Entweder man war Bayern- oder Gladbach-Fan. Ich habe mich für die Bayern entschieden, habe Beckenbauer, Gerd Müller und Sepp Maier in mein Herz geschlossen. Später bin ich oft zu Heim- und Europacup-Spielen ins Stadion gefahren. Mich hat fasziniert, wie dieser Verein geführt wird. Dieses Mia-san-mia, wie sie in der Führungsriege miteinander umgehen, wie sich um alles gekümmert wird, um jeden, der Hilfe benötigt. Auch wie sie sich – manchmal zu extrem – vor die Spieler stellen. Der FC Bayern ist ein großer Verein, der familiär geblieben ist. Das Münchner Betriebsklima bekomme ich von meinem Sohn mit.

Wieso von Ihrem Sohn?

Marco arbeitet im Sponsoring des FC Bayern. Er war auch schon im Kinderschulalter Bayern-Fan. Später hat er sich dort beworben und hat ein Praktikum bekommen. Inzwischen ist er seit sechs Jahren dort tätig. Die Mitarbeiter gehen zusammen wandern, besuchen gemeinsam das Oktoberfest – das Mia-san-mia wird gelebt.

Wie können wir uns das vorstellen: Vater und Sohn Hofmann essen zusammen vor dem Spiel eine Stadionwurst?

Nein, Marco muss ja arbeiten, zum Beispiel die SAP im Stadion betreuen (lacht). Er ist inzwischen richtig verwurzelt in München.

Vorsicht Augenzwinkern: Wie ist denn das TSG-Präsidentenamt mit dem Bayern-Fan-Dasein zu vereinbaren?

Es ist ja klar, dass mein Herz tiefblau ist. Aber wenn die Bayern etwa wie am Dienstag bei Tottenham Hotspur spielen, dann färbt es sich auch mal leicht rot.

Leicht oder stark?

Ich mache aus meinem Herzen keine Mördergrube. Dass ich Sympathien für den FC Bayern hege, ist allseits bekannt.

Haben Sie dies jemals nachteilig im Amt zu spüren bekommen?

Ich habe bei einer Wahl zum Präsidenten mal eine Enthaltung bekommen. Ich habe denjenigen dann gefragt, warum er mit mir nicht einverstanden ist. Er sagte: ‚Weil Sie ein Bayern-Sympathisant sind‘. (lacht) Die TSG-Mitglieder wissen, dass ich Tag und Nacht für sie da bin. Ich mache nahezu alles persönlich. Das ist mein Stil.

Ist die anschließende Länderspielpause eher Fluch oder Segen für "Hoffe"?

Egal, wie es ausgeht: Wir müssen das Bayern-Spiel schnell abhaken. Es gibt in der Bundesliga keinen leichten Gegner. Die Pause ist aber sicherlich eine gute Gelegenheit, weiter zu arbeiten. Und gegen Schalke kehren dann vielleicht auch einige Verletzte wieder zurück.

Es soll immer Überraschungen geben. Der Sportclub Freiburg beispielsweise?

Ich habe großen Respekt davor, was die Freiburger aus ihren Möglichkeiten machen. In diesem Jahr läuft es besonders gut. Ich freue mich übrigens auch, dass mein Präsidentenfreund Fritz Keller DFB-Präsident geworden ist.

Warum?

Fritz ist ein Mensch, der auch mal seine Gefühle preisgibt. Seine Antrittsrede beim DFB kam von Herzen und war so anders als man es schon gehört hat. Mich freut, dass die Wahl auf Fritz Keller gefallen ist. Er hat Knowhow, ich traue ihm viel zu, nicht nur wegen seiner sportlichen Kompetenz, sondern auch wegen seiner unternehmerischen Erfolge.

Sie sind ja auch ein enger Vertrauter von Dietmar Hopp. Wer von Ihnen beiden hat noch mehr an der sportlichen Situation zu knabbern?

Dietmar Hopp leidet natürlich genauso mit wie ich. Er hat den Verein maßgeblich geprägt, ist dazu echter Hoffenheimer – vielleicht ist sein Herz noch tiefblauer als meins.

Was stimmt Sie optimistisch, dass es sportlich nicht so eng wird wie 2012/13 und 2016?

Die Qualität des Kaders, wenn alle fit sind.

Ein Wunsch Ihres 60. Geburtstages am 14. Januar war, die TSG solle möglichst ein fester Bestandteil der Bundesliga bleiben.

Inzwischen sind wir ein fester Bestandteil, nicht nur sportlich, sondern auch auf anderen Ebenen. Unsere Initiative "TSG ist Bewegung" ist umfassend und beispielgebend. Klima- und Umweltschutz, vielfältige Projekte in Afrika, Digitalisierung, CSR – dies alles gehört zu einem modernen Fußballverein dazu. Wir versuchen als TSG unserer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden.

Welche realistischen Ziele kann die TSG in den nächsten fünf Jahren ansteuern?

Mein Wunsch ist es, noch einmal die Champions-League-Hymne im eigenen Stadion zu hören, mein Traum ist es, einmal das DFB-Pokalfinale zu erreichen. Ansonsten ist es ein großer Erfolg für einen Klub unserer Größenordnung fester Bestandteil der Bundesliga zu sein. Selbst im TSG-Frauenfußball ist keine Luft mehr nach oben, unsere Akademie leistet hervorragende Arbeit, die Zuschauerzahl hat sich Richtung 30.000 eingependelt, der Business-Bereich ist immer ausgebucht, bei den Kindern- und Jugendlichen sind wir auch dank meines Vize-Präsidenten Christian Baumgärtner und dessen Team auf dem richtigen Weg – wir sind insgesamt sehr gut aufgestellt.

Und?

Ort des Geschehens

Und mit Zusammenhalt rund um den Verein und die Profis kann man sehr viel erreichen.

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