Neckar-Odenwald-Kliniken

Trotz voller Auslastung bleiben die Kliniken chronisch unterfinanziert

Kreis stemmt erneut Millionen-Defizit - Kreistag sieht weitere Entwicklung mit Sorge - Für 2019 keine Besserung erwartet

19.09.2019 UPDATE: 20.09.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 9 Sekunden

Eine gute, dem Menschen zugewandte Pflege ist unbezahlbar: Das weiß auch Patient Ludwig Brünner, der sich im Krankenhaus in Buchen gut aufgehoben fühlt. Dafür sorgen Stationsleiterin Cornelia Waschura (l.), Schwester Claudia Frank-Hönig und ihr Team. Foto: Rüdiger Busch

Buchen. (Wd) Der Kreistag hat in seiner Sitzung am Mittwoch in der Stadthalle Buchen mit großer Mehrheit den gegenüber dem Plan deutlich höheren Jahresverlust der Neckar-Odenwald-Kliniken im Jahr 2018 mit fast 7,1 Millionen Euro (rund 1,8 Millionen Euro schlechter als 2017) festgestellt. Hier gab es lediglich sieben Gegenstimmen der Grünen-Fraktion. Dem Verlustausgleich durch den Landkreis wurde einmütig zugestimmt.

Im Haushalt 2018 waren lediglich 4,47 Millionen Euro eingeplant gewesen. Ferner wurde beschlossen, für das Jahr 2019 eine Abschlagszahlung in Höhe von 4,4 Millionen Euro für zu erwartende Verluste für 2019 zu leisten. Ebenfalls wurde der Aufsichtsrat der Kliniken entlastet (bei drei Enthaltungen von der AfD) und der Konzernabschluss für 2018 gebilligt.

Hintergrund

Stellungnahmen der Kreisräte

> Der Blick aufs Jahr 2018 sowie aufs laufende Jahr gebe keinen Anlass zur Freude, stellte Kreisrat Rainer Houck für die CDU-Fraktion fest. Dabei sei es gelungen, die Kliniken zu stärken und stabil hohe oder sogar

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Stellungnahmen der Kreisräte

> Der Blick aufs Jahr 2018 sowie aufs laufende Jahr gebe keinen Anlass zur Freude, stellte Kreisrat Rainer Houck für die CDU-Fraktion fest. Dabei sei es gelungen, die Kliniken zu stärken und stabil hohe oder sogar steigende Auslastungen zu haben. Die Abteilung für Innere Medizin liege ununterbrochen bei über 100 Prozent Auslastung und mache trotzdem Millionenverluste. Man habe keine Chance, gegen ein System struktureller Unterfinanzierung wirksam anzukämpfen. In besonderem Maß treffe diese Unterfinanzierung die einfachen medizinischen Leistungen, die in der Finanzierungssystematik besonders niedrig bewertet seien, sodass die Vergütungen den Aufwand in keiner Weise mehr decken. Das gesamte System der Krankenhausfinanzierung sei darauf angelegt, die Zahl der Kliniken am Markt deutlich zu reduzieren.

> Kreisrat Norbert Bienek erklärte für die SPD-Fraktion, die Zahlen stellten nicht zufrieden, obwohl alle Mitarbeiter hervorragende Arbeit leisten würden. Sie seien nicht verantwortlich für das Defizit. Trotz voller Belegung bleibe eine Finanzierungslücke. Noch nicht einmal Tarifsteigerungen würden voll gegenfinanziert. Das Geld müssten die Kliniken "aus den Rippen schwitzen", so Bienek. Das Defizit ergebe sich größtenteils aus den Rahmenbedingungen der Unterfinanzierung durch Bund und Land.

> Dank einer guten finanziellen Ausstattung sei es gelungen, die hohen Verlustausgleiche der Vergangenheit zu meistern, betonte Kreisrat Uwe Stadler für die Freien Wähler. In weniger guten Zeiten seien solche Ergebnisse noch schwerer zu verkraften, zumal andere Aufgaben des Kreises darunter leiden müssten. Trotz aller Bemühungen sei man auf keinen grünen Zweig gekommen. Obwohl die Gesamtleistung der Häuser um mehr als zwei Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr gesteigert worden sei, habe man einen um 1,8 Millionen Euro höheren Jahresfehlbetrag "eingefahren". Es fehle an einer auskömmlichen Grundfinanzierung.

> Heftige Kritik äußerte Kreisrätin Simone Heitz von Bündnis 90/Die Grünen. Schon der geplante Haushaltsansatz für die Kliniken sei zu niedrig gewesen. Die Strategie der Verwaltung, über einen ehrgeizigen Haushaltsansatz den Verlust zu begrenzen, sei "gründlich in die Hose gegangen". Haushaltswahrheit und Klarheit seien "aufs Sträflichste unterdrückt" worden. Heitz kündigte an, ihre Fraktion werde deshalb bei der Feststellung des Jahres- und Konzernabschlusses mit Nein stimmen. Die Zeit des Redens sei angesichts des Defizits vorbei, man müsse handeln. Man erwarte eine saubere Analyse, "Klärung des notwendigen Solls im Rahmen der Daseinsvorsorge im Gesundheitswesen" und "zügigen Vollzug der erforderlichen Maßnahmen".

> Kreisrat Tobias Eckert von der AfD hielt es für wichtig, die Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung im Landkreis auch in Zukunft sicherzustellen. Auch im Wohn- und Pflegezentrum Hüffenhardt dürfe es zu keiner Verschlechterung für Patienten und Personal kommen. Er kündigte an, dass sich die AfD bei der Entlastung des Aufsichtsrates für 2018 enthalten werde, da sie neu im Kreisrat sei.

> Kreisrat Achim Walter (FDP) stellte fest, dass sich der Kreis das hohe Defizit auf Dauer nicht mehr leisten könne. Durch die Entscheidung für die Kliniken an zwei Standorte habe man einen Teil des Defizits in Kauf genommen. Die FDP stehe jedoch zu beiden Standorten. Wd

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Nichts Neues gab es zum geplanten Verkauf des Wohn- und Pflegezentrums Hüffenhardt, das 2018 mit 658.000 Euro zum Konzernverlust beiträgt (Minus 454.000 Euro höher als vorgesehen).

In den Stellungnahmen der Kreisräte herrschte trotz der schlechten Zahlen einerseits eine gewisse Unaufgeregtheit, andererseits eine tiefe Besorgnis über die weitere Entwicklung der Kliniken, denn der Großteil der Verluste ist nicht hausgemacht, sondern fußt auf einer chronischen Unterfinanzierung von Krankenhäusern der Grund- und Regelversorgung, was Landrat Achim Brötel zu der bitteren Feststellung veranlasste, dass für diese Häuser im bestehenden System der Krankenhausfinanzierung momentan ganz offensichtlich kein Platz mehr sei.

Dabei seien die Kliniken für Innere Medizin in Mosbach und Buchen voll ausgelastet, aber trotzdem hochdefizitär. Die Patienten seien überwiegend ältere Menschen. Vielfach sei man inzwischen sogar so etwas wie ein "verlängertes Pflegebett" geworden. Die hinterlegten Krankheitsbilder seien im Abrechnungssystem jedoch am untersten Rand angesiedelt. In der Konsequenz bedeute das, dass man mit den Erlösen noch nicht einmal annähernd die Kosten decken könne.

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Als weiteres Beispiel für die systemimmanente strukturelle Unterfinanzierung der Krankenhäuser im ländlichen Raum nannte der Landrat die Vergütung in den Notaufnahmen trotz stark steigender Fallzahlen 2018: Mosbach 9429, Buchen 8166. Die durchschnittlichen Fallkosten für ambulante Notfallpatienten seien bundesweit mit 126 Euro pro Fall ermittelt worden. Tatsächlich vergütet bekomme man pauschal aber nur rund 40 Euro pro Fall. Die Differenz fließe mit 1,5 Millionen Euro ebenfalls voll ins Defizit.

Es sei ein Skandal, diese Leistung nicht angemessen zu bezahlen, kritisierte der Landrat. Er kündigte an, dem Bundesgesundheitsminister einen weiteren "Liebesbrief" zu schreiben. In Berlin drehe und winde man sich, tue aber nichts. "Ein Aal ist jedenfalls wesentlich griffiger als Minister Spahn", so Brötel. Er habe den Eindruck, als ob man es dort gezielt darauf anlege, wohnortnahe, bewährte und vor allem menschenfreundliche Strukturen zugunsten großer, anonymer und menschlich kalter Zentren zu zerstören. "Wir werden auch weiterhin kämpfen", kündigte der Landrat an. Im Vergleich zum Vorjahr habe sich das Ergebnis um rund 1,8 Millionen Euro verschlechtert. 2019 werde noch einmal deutlich negativer ausfallen. Der Landkreis sei aber am Ende der Leistungsfähigkeit angelangt.

Krankenhausgeschäftsführer Frank Hehn hob in weiteren Erläuterungen hervor, dass Aufwendungen von einer Million Euro beispielsweise durch Rückforderungen des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen entstanden seien. Noch nicht einmal die Tarifsteigerungen der Beschäftigten konnten kompensiert werden, das sind weitere 1,7 Millionen Euro. Bereits kleinste Fehler in der Dokumentation würden von den Kostenträgern durch Nichterstattung von Leistungen der Kliniken abgestraft.

Zudem sei die Quote der arbeitsunfähigen Mitarbeiter höher als im Branchenvergleich. Ebenfalls sei der Anteil der geleisteten Mehrarbeit deutlich gestiegen. Es sei nicht gelungen, den Schweregrad der Fälle auf Vorjahresniveau zu halten. Hehn zeigte anhand eines interessanten Bundesvergleichs auf, dass ausgerechnet dort die Krankenkassen satte Gewinne einstreichen, wo der Großteil der Kliniken tiefrote Zahlen schreibe: in Baden-Württemberg.

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