Soll Heilbronn der Mosbacher Hochschule Konkurrenz machen?
Konkurrenzschutzklausel steht auf dem Prüfstand - DHBW könnte Hälfte der Studierenden verlieren - Wortbruch vorgeworfen

Noch strahlt über der Dualen Hochschule in Mosbach die Sonne, doch es ziehen Wolken auf: Die Errichtungsverordnung, die bisher den hiesigen Standort schützte, steht offenbar auf dem Prüfstand. Politiker der Region stellen sich hinter den DHBW-Standort Mosbach. Foto: A. Rechner
Von Alexander Rechner
Mosbach. Dunkle Wolken ziehen über der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) in Mosbach auf. Denn künftig könnten in Heilbronn gleiche Studiengänge wie in Mosbach angeboten werden. Derzeit gilt zwar eine im Jahr 2014 beschlossene "Errichtungsverordnung", die in der Konkurrenzschutzklausel (§ 5) festhält, dass die "künftige Studienakademie Heilbronn und die Studienakademie Mosbach jeweils eigene, sich nicht überschneidende Studienprofile anbieten und weiterentwickeln" sollen. Aber just diese Verordnung soll jetzt auf den Prüfstand gestellt werden.
Mit dieser faustdicken Überraschung hat sich Robert Zimmermann, Mitglied des Aufsichtsrats der gesamten Dualen Hochschule Baden-Württemberg, an unsere Redaktion gewandt. "Das war ein Thema der letzten Aufsichtsratssitzung Ende Juli", erläutert er und ergänzt: "In einer der kommenden Kabinettssitzungen soll beraten werden, in welcher Form die Konkurrenzschutzklausel weiter bestehen soll." Zimmermann treibt dabei die Sorge um den Standort Mosbach und den gesamten Neckar-Odenwald-Kreis um.
Hintergrund
Das sagt Wissenschaftsministerin Bauer
Die Konkurrenzklausel in § 5 der Verordnung zur Errichtung der DHBW Heilbronn steht auf dem Prüfstand. Der Aufsichtsrat der Gesamt-DHBW hat einen Beschluss gefasst, in dem er die grün-schwarze Landesregierung
Das sagt Wissenschaftsministerin Bauer
Die Konkurrenzklausel in § 5 der Verordnung zur Errichtung der DHBW Heilbronn steht auf dem Prüfstand. Der Aufsichtsrat der Gesamt-DHBW hat einen Beschluss gefasst, in dem er die grün-schwarze Landesregierung bittet, die Errichtungsverordnung zu überarbeiten. Dies schließe eine Aufhebung von § 5 der Verordnung nicht aus, teilte am Mittwochabend ein Sprecher des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg auf RNZ-Nachfrage mit.
Der Grund für dieses Ansinnen ist laut dem Ministerium der landesweite Ausbau von Studienkapazitäten im Bereich der Digitalisierung/IT. Und "von diesem landesweiten Ausbauprozess wird die Region Heilbronn-Franken jedoch aufgrund der Konkurrenzklausel in § 5 der Verordnung zur Errichtung der DHBW Heilbronn ausgeschlossen", heißt es aus Stuttgart. Weshalb die Verordnung nun vom Kabinett modifiziert werden soll.
Aber wie positioniert sich das Wissenschaftsministerium mit Ministerin Theresia Bauer (Grüne) bei diesem Thema? "Nachdem der Aufsichtsrat der DHBW das Land als Verordnungsgeber darum gebeten hat, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, um das Studienportfolio an der DHBW Heilbronn bedarfsgerecht weiterentwickeln zu können, teilt das Wissenschaftsministerium derzeit die entsprechende Bitte der DHBW", erläutert der Sprecher. Das Bestreben der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, sich bedarfsgerecht weiterzuentwickeln, dürfe nicht eingeschränkt werden.
Ministerin Bauer sehe es als Aufgabe der Landesregierung an, dafür Sorge zu tragen, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Hochschulen erhalten bleibt und diese das nachgefragte Studienangebot vorhalten können - und auch dürfen. "Hierfür ist es aus ihrer Sicht unumgänglich, die starre Konkurrenzklausel der Errichtungsverordnung anzupassen, die nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ die gesamte DHBW darin bremst, landesweit und an allen Studienakademien gleichermaßen das Studienportfolio bedarfsgerecht weiterzuentwickeln", unterstreicht der Ministeriumssprecher. (ar)
Dass diese Entwicklung für die Stadt und darüber hinaus unliebsame Überraschungen bereiten könnte, unterstreicht auch Mosbachs Oberbürgermeister Michael Jann, der in Gesprächen versucht, Kriterien zu finden, wie man die beiden Studienorte künftig abgrenzen könnte. "Heilbronn ist gerade einmal 30 Kilometer entfernt, da ist es nicht sinnvoll, gleiche Studiengänge anzubieten", betont Jann. Deshalb setzt er auf den Dialog. "Die Aufhebung der Errichtungsverordnung und die damit einhergehende Stärkung des Standortes Heilbronn würde aber eine weitere Schwächung des ländlichen Raums vonseiten der Landesregierung bedeuten", sagt Jann und lässt keinen Zweifel aufkommen: "Wir verteidigen sie mit Zähnen und Klauen!"
Klar Stellung für die DHBW Mosbach bezieht auch Landrat Dr. Achim Brötel: "Die Konkurrenzschutzklausel hat damals ganz maßgeblich auf Betreiben unseres Landtagsabgeordneten Georg Nelius Eingang in das Gesetz gefunden und ist schlicht und ergreifend eine Überlebensversicherung", so Achim Brötel. Für den Kreischef ist die Klausel Geschäftsgrundlage der Verselbstständigung der DHBW Heilbronn. "Deshalb gilt für mich ganz klar das wiederholte Wort der Ministerin (Theresia Bauer, Anm. d. Red.). Wenn sie hier umfallen würde, wäre das ein klarer Wortbruch." Hier stehe die Glaubwürdigkeit nicht nur der Ministerin, sondern auch die des Ministerpräsidenten auf dem Spiel.
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Aber welche Auswirkungen könnte der Wegfall der Konkurrenzschutzklausel haben? Stellt man die Frage Achim Brötel, lautet die Antwort: in fünf oder längstens zehn Jahren dann eine Halbierung der Studierendenzahl mit entsprechend katastrophalen Folgen für den Immobilien- und Wohnungsmarkt. Darin ist er sich mit dem SPD-Landtagsabgeordneten Georg Nelius einig, der auch von "katastrophalen Auswirkungen" spricht, wenn die Errichtungsverordnung und mit ihr die Schutzklausel fallen sollten. Die DHBW ist ein wichtiger Standortfaktor für die Region. Laut einer Veröffentlichung der DHBW fließen jährlich rund zwölf Mio. Euro von den rund 3000 Studierenden, nochmals derselbe Betrag von der DHBW als Arbeitgeber und deren Mitarbeiter(innen) und weitere 1,2 Mio. für Aufträge an lokale Unternehmen. Das macht in Summe rund 25,2 Mio. Euro jährlich.
Deshalb darf laut Nelius nicht an der Verordnung gerüttelt werden. Der Sozialdemokrat nimmt dabei auch Wissenschaftsministerin Theresia Bauer kritisch in den Blick. "Eines scheint klar zu sein: dass die grüne Ministerin, die sich schon 2014 vehement im Vorfeld gegen den Kabinettsbeschluss und die folgende Errichtungsverordnung gewehrt hat, auch ein Wortbruch möglicherweise nicht davon abhält, ihre Position jetzt durchzusetzen." Aus seiner Sicht werde die Digitalisierung nun offensichtlich als Vehikel benutzt, um die den Standort Mosbach schützende Verordnung auszuhebeln. Und das stößt bei ihm auf keine Gegenliebe. Daher habe er sich bereits an die Ministerin gewandt und für den Erhalt der Verordnung stark gemacht.
Rückenwind für die hiesige DHBW gibt es auch vom grünen Landtagsabgeordneten Manfred Kern, der den Wahlkreis betreut. Er erkenne zwar den hohen Bedarf an Informatik-Studienanfängerplätzen in der Region, lehne aber einen IT-Studienplatzausbau in Heilbronn zulasten Mosbachs entschieden ab.
"Die DHBW in Mosbach ist das Flaggschiff, das nicht ohne Not geschwächt werden darf", verdeutlicht Peter Hauk, CDU-Landtagsabgeordneter und Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz. Der Aufsichtsrat der Gesamt-DHBW habe empfohlen, dass die Ministerien die Errichtungsverordnung überprüfen sollen. Die grün-schwarze Landesregierung habe dabei das letzte Wort. Aber Peter Hauk, der selbst mit am Kabinettstisch sitzt, betont, dass bedeutsame Landesthemen wie die Errichtungsverordnung der Zustimmung beider Regierungsfraktionen bedürfen. Und darauf legt er Wert: Auch die Landtagsfraktion der CDU habe ein Wörtchen mitzureden.
Peter Hauk ist es auch wichtig, weiter Gespräche mit den Beteiligten zu führen. "Meiner Einschätzung nach sind die Karten für Mosbach nicht schlecht", sagt Hauk. So bleibt die Hoffnung, dass die Karten für Mosbach nicht schlecht sind...



