Letzte Ausfahrt Obrigheim

Gewichtheber Almir Velagic will seine Karriere beenden

Nach der deutschen Meisterschaft in Obrigheim soll Schluss sein.

25.08.2019 UPDATE: 27.08.2019 06:00 Uhr 3 Minuten, 29 Sekunden

Almir Velagic wird in Obrigheim zum letzten Mal an die Hantel greifen. Foto: S. Weindl

Von Roland Karle

Obrigheim. Auf ein sportliches Großereignis dürfen sich zum Jahresende Sportfans in der Region freuen: Am Nikolaus-Wochenende von 6. bis 8. Dezember werden die besten Gewichtheber in der Obrigheimer Neckarhalle im Einzelwettbewerb um nationale Titel kämpfen. Ein Mann, der viele Jahre die Sportart in Deutschland kolossal repräsentierte und drei Mal bei Olympischen Spielen startete, wird dann seinen offiziellen Abschied geben: Almir Velagic.

Seit 2010/11 stemmte der inzwischen 38-Jährige Gewichte für den AV Speyer, doch er hat auch in Obrigheim seine Spuren hinterlassen. Von 2006 bis 2010 stand er 33 Mal für den SV Germania auf der Bundesliga-Bühne, holte im Durchschnitt 160 Punkte (Bestwert: 191) und wurde mit der Mannschaft 2008 deutscher Meister. Im Interview erzählt Velagic, warum er aufhört, wie es weitergeht und warum ihn die letzte Ausfahrt als aktiver Sportler nach Obrigheim führt.

Die schwer beladene Hantel, der verdrehte Ellenbogen - das sah übel aus. Ihr Auftritt bei Weltmeisterschaft 2018 im November in Turkmenistan endete sehr schmerzhaft. Wie geht’s Ihnen heute?

Almir Velagic: Stimmt, das hat richtig weh getan. So höllische Schmerzen hatte ich noch nie, ich wusste gleich, da ist was kaputtgegangen. Ich wurde später operiert, alles ist gut verheilt, ich habe keine Einschränkungen im Alltag. Um die Frage zu beantworten: Ich fühle mich prima.

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Gesund und stark genug, um weiterhin Gewichte zu heben?

Nein, das hat sich erledigt. Meine Zeit als Leistungssportler ist vorbei, das wusste ich schon in dem Moment auf der Bühne, als es mir den Ellenbogen rausgehauen hat.

Die Karriere wegen einer Verletzung beenden zu müssen, schmerzt das zusätzlich?

Damit muss man im Profisport immer rechnen. Ich bin in wichtigen Wettkämpfen immer aufs Ganze und somit ins Risiko gegangen, aber ich war auf die hohen Lasten durch mein Training vorbereitet. Klar, die Verletzung auf der Bühne war ein Schock, ist aber abgehakt.

Haben Sie sich an den neuen Alltag gewöhnt?

Das fühlt sich tatsächlich noch etwas ungewohnt an. Der übliche Rhythmus hat sich verändert. Trainieren, essen, schlafen, das war mein Programm. Als Superschwergewichtler musste ich sehr darauf achten, jeden Tag meine 8000 bis 10.000 Kalorien zu mir zu nehmen. Das ist jetzt eine ganz neue Erfahrung: Nur noch essen, wenn ich hungrig bin. Das kannte ich seit Jahren nicht und genieße es.

Sie haben schon ordentlich abgenommen.

Mein Rekordgewicht waren 150 Kilo, zur WM im November 2018 wog ich 145 Kilo. Jetzt zeigt die Waage etwas über 120 Kilo, ich nähere mich meinem Wohlfühlgewicht. Und muss schon sagen: Für den Alltag bin ich leichter viel besser zu gebrauchen.

Seit März 2001 waren Sie ununterbrochen bei der Sportförderkompanie der Bundeswehr. Wenn Sie Ende September ausscheiden, waren das mehr als 18 Jahre, in denen Sie sich beruflich dem Gewichtheben gewidmet haben. Wie geht’s weiter?

Eine wirklich lange Zeit. Ich habe das immer als Privileg empfunden, meinen Sport als Beruf ausüben zu können. Aber nun beginnt der zweite Teil meiner Karriere, und ich bin froh, dass ich dem Gewichtheben verbunden bleibe. Ab Oktober werde ich an der Trainerakademie in Köln sein, jeweils eine Woche im Monat über die Dauer von drei Jahren, und will dort den Abschluss als Diplom-Trainer machen. Parallel dazu werde ich in Teilzeit bereits als Trainer für den Baden-Württembergischen Gewichtheberverband tätig sein.

Mit der Perspektive, dort nach Abschluss des Trainerstudiums komplett einzusteigen?

Das ist so geplant, ja. Als Nachfolger von Landestrainer Peter Immesberger, wenn er 2022 in den Ruhestand geht. Eine Aufgabe, die ich spannend finde, gerade beim BWG. Ich mag das harmonische Umfeld und das enge Miteinander dort. Vor allem freue ich mich auf die Zusammenarbeit mit Cheftrainer Oliver Caruso.

Einen prominenten Schützling betreuen Sie bereits: Jürgen Spieß, Ihren langjährigen Teamkameraden in der Nationalmannschaft und beim AV Speyer. Wie kam es dazu?

Jürgen absolviert eine Ausbildung bei der Polizei und trainiert deshalb individuell. Nach meiner Verletzung habe ich mehr Zeit, die ich gerne nutze, um Jürgen zu unterstützen und selbst als Trainer aktiv zu sein.

Im Rückblick, so kurz nach dem Karriereende: Was verbuchen Sie persönlich als Ihren größten Erfolg?

2009 wurde ich Vize-Europameister, das war meine erste internationale Medaille und hat mich, kurz nach meiner ersten Olympia-Teilnahme in Peking, enorm beflügelt. Als riesiges Erlebnis empfand ich Olympia 2012 in London, wo ich zum ersten Mal in der A-Gruppe gestartet bin, also im Feld der weltbesten Gewichtheber. Die Halle war voll, die Stimmung toll, mir ist ein super Wettkampf gelungen - da hat alles gepasst.

Und die Zeit danach, als Sie sich für Rio 2016 den Traum von einer Medaille erlaubten?

Nach London kam Oliver Caruso als Bundestrainer, das hat einen neuen Reiz gesetzt, und ich bin nochmal durchgestartet. Ich habe mein Körpergewicht hochgeschraubt, parallel dazu die Lasten gesteigert. Nach Bronze bei der EM 2014 ging es gut voran mit Bestmarken von 195 Kilo im Reißen und 241 Kilo im Stoßen.

Ihr Abschied vom großen Sport war maximal schmerzhaft, gekennzeichnet von Schock und Sorgen. Keine Blumen, kein Applaus, keine letzten Worte. Fehlt da nicht noch was?

Darüber habe ich auch nachgedacht. Nach so vielen Jahren auf der Wettkampf-Bühne würde ich meine Karriere gerne auch dort beenden, im Sportlerdress, vor Publikum und im Kreise geschätzter Weggefährten.

Planen Sie vielleicht doch noch ein Comeback?

Kein anhaltendes, nur für einen Tag. Einen offiziellen Wettkampf möchte ich noch machen, und zum Jahres- ende gibt es dafür eine gute Gelegenheit. Im Dezember richtet der SV Obrigheim die deutsche Meisterschaft aus. Ein Verein, für den ich einige Jahre ge- hoben habe und mit dem ich Mannschaftsmeister geworden bin. Ein Ort in meiner Nähe, eine schöne Halle und ein klasse Publikum: Bei der DM 2019 will ich meinen Abschiedswettkampf machen.

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