Diese Sportler aus der Region sind schon für Olympia qualifiziert
Vor den Olympischen Spielen 2020 in Japan liegt noch einiges im Argen

Umgerechnet 1,2 Milliarden Euro schwer: Das neue Nationalstadion von Tokio, aufgenommen mit einer 180-Grad-Panoramakamera. Foto: dpa
Von Joachim Klaehn
Heidelberg. Es gibt noch sehr viel zu tun - exakt 365 Tage vor Eröffnung der Olympischen Sommerspiele in Tokio (24. Juli bis 9. August 2020). Für die Organisatoren vor Ort, für die Sportjugend aus der gesamten Welt, aber eben auch für die deutsche Hochleistungssportfamilie, darunter die Athletinnen und Athleten aus der Metropolregion Rhein-Neckar.
Bei allen heftigen Gewitterwolken, die wegen explodierender Kosten, Korruptionsvorwürfen und teilweise fataler Zustände auf den Olympia-Baustellen über der Mega-City aufziehen, Sportler, Trainer wie Betreuer haben da eine ganz andere Perspektive." Als Aktiver hat man sich auf seinen Job zu konzentrieren", sagt Daniel Strigel (44), Leiter des Olympiastützpunktes Rhein-Neckar, im Gespräch mit der RNZ, "die Abläufe sind in Tokio wahrscheinlich genauso wie immer. Olympische Spiele bilden eine Art Blase."
In der Tat: Man muss es gerade angesichts der knüppelharten Qualifikationskriterien erst einmal bis in die japanische Hauptstadt zum größten globalen Sportereignis schaffen. Stand Mitte Juli sind es rund 1 500 Athleten aus 77 Ländern, die bei Olympia definitiv dabei sein werden. Insgesamt werden nächstes Jahr allein knapp 12.000 Sportler(innen) erwartet, die individuell oder im Team nach persönlichen Bestleistungen und Medaillen in 33 Sportarten und 339 Wettkämpfen streben.
Nach einer gut zweiwöchigen Unterbrechung kommen rund 4 350 Behindertensportler(innen) hinzu, die mit der gleichen Motivation und Intensität bei den Sommer-Paralympics (25. August bis 6. September) ihre Ziele verwirklichen möchten.

Für Tokio 2020 qualifiziert: Tischtennis-Vorzeigefrau Petrissa Solja. Foto: Alex Grüber
Bis dato haben sich mit Tischtennis-Ass Petrissa Solja (25), dem sehbehinderten Judoka Nikolai Kornhaß (26) und Rollstuhl-Basketballerin Svenja Mayer (28) drei Mitglieder des "Team Tokio" der Metropolregion qualifiziert. In Rio de Janeiro 2016 hatten 29 "Fußgänger" und fünf Para-Athleten des OSP den Sprung zu Olympia gepackt, diesmal soll die Zahl 34 übertroffen werden.
Der ehemalige Spitzen-Degenfechter Strigel, der 2004 in Athen Bronze mit dem deutschen Team ergatterte, begründet den Optimismus mit Daten und Fakten. Ein Jahr vor Rio seien es 26 Athleten gewesen, die mit Olympia-Aussichten auf die Zielgerade einbogen, heuer seien es ein Jahr vor Tokio gar deren 43. "Das ist schon ein großer Schritt", konstatiert OSP-Leiter Strigel.

Für Tokio 2020 qualifiziert: Judoka Nikolai Kornhaß. Foto: Alex Grüber
Woran liegt es? Die ganzheitliche sowie realistische Einschätzung lässt sich laut Strigel plausibel erklären: "Wir sind eher besser geworden. Die Qualität unter den Athleten, im Trainerbereich und im Umfeldmanagement hat zugenommen. Es sind spannende Zeiten."
Langsam, aber sicher scheint sich die von der Mitgliederversammlung des Deutschen Olympischen Sport-Bundes (DOSB) am 3. Dezember 2016 in Magdeburg beschlossene Leistungssportreform positiv bemerkbar zu machen. DOSB-Sportchef Dirk Schimmelpfennig hat unlängst erste Pendelausschläge der Reform beschrieben, ohne sich allzu weit aus dem Fenster zu lehnen. "Die Verbände haben sich strukturell verbessert, dies gilt auch für die Rahmenbedingungen der Athleten", so der 57-jährige passionierte Tischtennis-Tausendsassa aus Hürth.
Strigel bestätigt die Aussagen von Schimmelpfennig. Nach einer zweijährigen Übergangsphase seien die entsprechenden Mittel gezielter und effizienter eingesetzt worden, wovon der Olympiastützpunkt Rhein-Neckar und die 16 Bundesstützpunkte der Metropolregion nicht unerheblich profitierten. "Wir konnten unser Personaltableau erweitern und verjüngen", blickt Strigel dankbar und optimistisch in die nahe Zukunft. Annähernd 500 Olympiakader-Athleten - inklusive des Perspektivteams für Paris 2024 - wollen und sollen von nunmehr 32 hauptamtlichen Mitarbeitern, 30 haupt- und nebenamtlichen Trainern sowie 15 Spitzensport-Experten möglichst optimal versorgt sein.
Seit 1. Januar 2018 ist der OSP Rhein-Neckar Betriebsteil des Landessportverbandes (LSV) Baden-Württemberg und eben nicht mehr ein eingetragener Verein mit Sitz in Heidelberg. Die Leistungssportreform sowie die einschneidenden strukturellen Änderungen haben sich in keinster Weise negativ ausgewirkt.

Für Tokio 2020 qualifiziert: Rollstuhl-Basketballerin Svenja Mayer. Foto: Alex Grüber
Im Gegenteil. "Wir haben Schritt für Schritt auf Innovation und Qualität geachtet", so Strigel über die Herangehensweise. Das länderübergreifende Netzwerk von Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz/Saarland und Hessen macht vieles möglich. "In einem bundesweit einzigartigen Modell werden, mit Unterstützung der regionalen Wirtschaft, unsere Spitzenathleten aus den drei Bundesländern auf ihrem Weg zu den Olympischen und Paralympischen Spielen 2020 begleitet und unterstützt.
Unsere Olympia-Teams haben sich in den letzten Jahren zu einer echten Marke entwickelt, auf die andere Regionen zu Recht mit Neid blicken", lobt Eckart Würzner, Heidelbergs OB, Vorsitzender der Sportregion e.V. und Vorsitzender des Beirats "Team Tokio", das Projekt und den Standort.
Das Jahresbudget des OSP Rhein-Neckar liegt nach RNZ-Informationen bei nunmehr 1,7 Millionen Euro. Einziges Manko in Sachen Förderverein und "Team Tokio": Mit der BASF ist einer der zuvor fünf Premiumpartner (Henkel AG, SAP SE, Sparkasse Heidelberg und Wild Rugby Academy) abgesprungen. Auf dem Weg nach Paris 2024 soll diese Lücke wieder geschlossen werden.
Wie dem auch sei: Die Metropol- ist eine Sportregion, Olympioniken sollen dank einer potenzialgerechten Berufskarriere nach der sportlichen Laufbahn langfristig gehalten werden. Für Daniel Strigel sind Olympische Spiele trotz aller berechtigten Zweifel und Kritik unverändert etwas ganz, ganz Besonderes. Olympia-Athleten arbeiten an ihrem Traum, nehmen Entbehrungen in Kauf, setzen mitunter alles auf eine Karte. Strigel: "Wir sind ihnen diese stabilen Bedingungen schuldig."
365 Tage bevor das olympische Feuer im Land der aufgehenden Sonne brennt, steigt der Adrenalinpegel - nicht nur im begeisterungsfähigen Japan, das zum zweiten Mal nach 1964 "Sommerspiele" ausrichten wird. Tokio muss den Temperaturen um 40 Grad trotzen - mit Planen, Ventilatoren, kühlenden Schals, Nebelsprays, Spezialbeschichtungen auf Straßen und Wegen. Die Japaner wollen 2020 souveräne, makellose, perfekte Gastgeber sein. Dafür müssen sie noch sehr viel in der Weltstadt tun ...



