OB-Wahl Hockenheim

Wo keiner auf die Pauke haut

Vorstellung der Kandidaten – Diskussion verlief ruhig und sachlich

25.06.2019 UPDATE: 26.06.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 57 Sekunden

Möchten Oberbürgermeister oder Oberbürgermeisterin von Hockenheim werden (v.l.): Die Steuerfachfrau Lisa Bohn, der Unternehmensberater Matthias Filbert, der Polizist Marco Germann, der Maschinenbau-Ingenieur Jörg Söhner und der Schönauer Bürgermeister Marcus Zeitler. Foto: Lenhardt

Von Harald Berlinghof

Hockenheim. Aufbrandender Beifall für den "Macher" (Markus Zeitler), freundlicher Applaus für den "Realisten" (Matthias Filbert), heftiger Beifall für den "Intellektuellen" (Marco Germann), donnernder Applaus für den "Hockenheimer Bu" (Jörg Söhner) und höflicher Beifall für die "Quoten-Powerfrau" (Lisa Bohn).

Es ist ein beliebtes Mittel, bei Parteitagen an der Länge des Applauses die Beliebtheit der Redner abzulesen. Bei der Vorstellung der fünf Kandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters in der Hockenheimer Stadthalle gibt es vor allem Unterschiede in der Intensität der Beifallsbekundungen.

Offenbar hat Schönaus Bürgermeister Marcus Zeitler die meisten Anhänger unter den gut 1000 Besuchern mobilisieren können. Der große Saal der Stadthalle ist brechend voll, die Empore besetzt. Im Hintergrund haben viele nur noch Stehplätze ergattert. Laut Versammlungsstättenordnung dürfen maximal 1250 Personen an einer Veranstaltung im Großen Saal teilnehmen.

Die Stadt hat Gerhard Mandel, den früheren Leiter des SWR-Landesstudios Mannheim, als Moderator gewinnen können. Bevor er die Regeln des Vorstellungsabends erläutert, begrüßt Bürgermeister Thomas Jakob-Lichtenberg die Besucher mit einer kurzweiligen Rede, in der er den Oberbürgermeister als Dirigent eines Orchesters bezeichnet. Er selbst sei der Erste Geiger und damit auch der Konzertmeister. "Da tut keiner gut, der dauernd nur auf die Pauke haut und auch niemand, der immer ins selbe Horn stößt", meint er augenzwinkernd.

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Hier die zentralen Aussagen der fünf Bewerber für das Amt des Oberbürgermeisters bei der Kandidatenvorstellung:

Marcus Zeitler, 44 Jahre, Bürgermeister von Schönau: Er verwies darauf, dass er als seit zwölf Jahre amtierender Verwaltungschef keine lange

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Hier die zentralen Aussagen der fünf Bewerber für das Amt des Oberbürgermeisters bei der Kandidatenvorstellung:

Marcus Zeitler, 44 Jahre, Bürgermeister von Schönau: Er verwies darauf, dass er als seit zwölf Jahre amtierender Verwaltungschef keine lange Einarbeitungszeit benötige und 30 Jahre kommunalpolitische Erfahrung mitbringe. Sein Hauptaugenmerk liegt auf einer Digitalisierungsstrategie - von den Schulen bis zur Verwaltung. Zeitler möchte vor allem auch das Fachwissen der Bürger über ihre Stadt einbinden. "Ich bin kein Gegner des Hockenheimrings", sagte er, ein Verkauf stehe nicht zur Debatte. Aber: "Die gegenwärtige Konstellation muss auf den Prüfstand. Hockenheim schafft das nicht alleine. Da brauchen wir Hilfe. Viele verdienen am Ring, aber am wenigsten die Stadt als Mehrheitsgesellschafterin".

Matthias Filbert, 50 Jahre, Unternehmensberater und Einzelhändler: "Ich möchte vor allem die Zukunft der Innenstadt positiv beeinflussen. Wenn jetzt mit Treff 2000 der letzte Lebensmittelmarkt in der City schließt, ist das für ältere Menschen eine Katastrophe", sagte er. Hockenheim und der Ring gehörten zusammen. Die Stadt sollte auf jeden Fall die Mehrheitsanteile halten - die Formel 1 aber mir, wenn sie ein Plus erwirtschafte. Die Obdachlosenunterkunft im Hofweg müsse weg, die Verwaltung soll modernisiert werden.

Marco Germann, 41 Jahre, Polizeioberkommissar: Zuhören und auf die Menschen zugehen, ist ihm ein zentrales Anliegen. Ebenso liegt ihm die Schaffung bezahlbaren Wohnraum am Herzen. Dazu sollen auch Leerstände abgebaut werden. "Der Ring gehört zu Hockenheim. Und der Ring ist auf einem hervorragenden Weg", betonte Germann. Es sei eine neue Art von Kommunikation zwischen Verwaltung und Bürgern nötig. Als Streifenpolizist habe er gelernt, mit jedermann auf Augenhöhe zu sprechen. "Aber Patentrezepte für jedes Problem habe ich nicht zu bieten." Auch nicht für die schwierige Nahverkehrsanbindung Hockenheims an Heidelberg: "Das kann die Stadt nicht allein regeln, da gibt es mehrere Beteiligte."

Jörg Söhner, 46 Jahre, Maschinenbauingenieur und Berufsschullehrer: Man müsse eine Stadtverwaltung wie ein Unternehmen lenken, sagte der Lokalpatriot. Und: "Die Welt ändert sich immer schneller und Zukunft gewinnt man nur mit Neuem." Söhner appellierte: "Nutzen wir den Ring". Ohne ihn wäre Hockenheim eine Stadt unter viele. Beim Stadtwald sei es eine Minute vor zwölf. Klimaschutz sei deshalb wichtig. "Für mich kommt nur Hockenheim in Frage, ich würde mich nie in einer anderen Stadt bewerben", verteilte Söhner einen kleinen Seitenhieb in Richtung seine Konkurrenten Marcus Zeitler.

Lisa Bohn, 34 Jahre, Steuerfachangestellte: "Es gibt in Hockenheim zu wenig Wohnraum für Familien. Ich weiß, was in der Stadt im Argen liegt", betonte sie. In der Stadtverwaltung müsse ein besserer Servicegedanke für die Anliegen der Wirtschaft entstehen. "Wir brauchen eine Verbesserung der Situation in der City", sagte Bahn. Sie möchte eine Oberbürgermeisterin mit Herz und Verstand sein. "Keine Quotenfrau, eher eine Powerfrau." Das Zusammenleben von Jung und Alt in der Großen Kreisstadt soll verbessert werden. "Ich verspreche einen politischen Neuanfang für Hockenheim", kündigte Bohn an. hab

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Wer denn aber der oder die richtige als Chefdirigent in Hockenheim ist, sollen die Bürger am 7. Juli entscheiden. Jeder der Kandidaten hat an diesem Abend 10 Minuten Zeit, um sich und seine Vorstellungen zu skizzieren. Nach rund einer Stunde, in der die Kandidaten in der Reihenfolge des Eingangs ihrer Bewerbung auftreten und zwischen acht (Bohn) und 12 Minuten (Germann) sprechen, schließt sich eine Frage-Antwort-Runde von einer weiteren Stunde an.

Natürlich betonen alle Bewerber ihre Verbundenheit mit der Stadt Hockenheim. Auch die Familie bringen alle ins Spiel. Zeitler hat zwei "zauberhafte Töchter", Filbert drei Söhne, Germann drei "bezaubernde Kinder", Söhner vier Kinder und Bohn zwei "wundervolle Kinder". Alle möchten die Hockenheimer Innenstadt beleben, die Wohnungsnot in der Rennstadt beheben und etwas für Kleinkinder und Schüler bewirken. Der Hockenheimring ist für alle unverzichtbar für das Image der Stadt, allerdings mit Nuancen in der Ausrichtung der Anlage. 

Als Söhner von der Buchstabenkombination XMF spricht und dann die Verballhornung "Xunder Menschen Ferstand" zum Besten gibt, johlt das Publikum. Viel Freude bereitet den Hockenheimern auch eine ältere Dame, die sich über die späten Öffnungszeiten des Freizeitbads Aquadrom und die schwierigen Bedingungen am Schwimmbadkiosk in bestem Hockenheimer Dialekt auslässt.

Das Interesse der Bürger war riesig: In der brechend vollen Stadthalle blieb kein Platz unbesetzt. Einige saßen sogar auf der Treppe oder standen am hinteren Rand. Foto: Lenhardt

Manche suchen nach Schwachstellen der Bewerber

Insgesamt verläuft die Frage-Antwort-Stunde sachlich und ruhig. Nur einmal gerät die Angelegenheit kurz an den Rand einer Konfrontation. Eine Bürgerin möchte von Marco German wissen, wie viele Personen er in seiner Position im Mannheimer Polizeipräsidium unter sich habe. "Ich habe schon gesehen, dass in einigen Internet-Foren und Chats dazu aufgerufen wird, nach Schwachstellen in meiner Biografie zu suchen. Auch meine Mitbewerber Matthias Filbert und Jörg Söhner sind davon betroffen. Eine solche Frage gehört deshalb nicht hierher", wehrt sich der Kandidat. Dann erläutert er trotzdem geduldig den Unterschied zwischen einer Führungs- und einer Leitungsfunktion, wie er sie derzeit innehat. Marcus Zeitler wird von den Bürgern gefragt, ob er denn im Fall seiner Wahl nach Hockenheim ziehen würde. "Natürlich, sofort", erwidert der Schönauer Bürgermeister.

Germann, den eine Fragenstellerin als "Polizeimeister" bezeichnet, wird auf die Raserei in der Oberen Hauptstraße angesprochen. "Es ist sehr schwer, da eine Tempo-30-Zone einzurichten", erklärt er ehrlich. Bei der Anzahl der Fragen an die verschiedenen Kandidaten liegen Zeitler (7), Germann (6) und Söhner (5) dicht gedrängt vorne. Ob sich daraus etwas für die Wahl am 7. Juli ableiten lässt, wird sich herausstellen.

Bei einigen Besuchern ist nach der Veranstaltung eine Tendenz hin zu zwei Bewerbern zu erkennen. "Die Vorstellung war gut", erklärt Werner Rausch gegenüber der RNZ. "Auch wenn die Antworten und Vorschläge ja alle ähnlich waren." Er stehe zu Söhner, weil der ein Hockenheimer sei. "Der kennt hier alles von der Pieke auf. Der Zeitler ist halt ein Polit-Profi. Aber mich stört, dass er sich in einem fremden Ort bewirbt."

Siegbert Bender ist da anderer Meinung: "Marcus Zeitler hat einfach eine große Fachkompetenz und zeigt eine klare Führung", betont der Hockenheimer. "Er hat sich heute Abend am besten präsentiert." Silke Auer findet gut, dass die Kandidaten bei der zehnminütigen Vorstellung auch aus ihrem Privatleben erzählt haben. "So hat man sie ein bisschen kennengelernt." Auch sie hat zwei Favoriten: Marcus Zeitler habe sie überzeugt, weil er schon Bürgermeister sei und wisse, wovon er rede. Und warum Jörg Söhner? "Weil er einer von uns ist!"

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