SRH warb mit NS-Ästhetik

Die Hochschule sorgt mit einem Werbeplakat für Empörung

Historiker-Urteil: "Das ist eindeutig NS-Ästhetik" – Motiv wird abgehängt – Darf so geworben werden?

03.06.2019 UPDATE: 04.06.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 11 Sekunden
Die Ähnlichkeit der beiden Plakate stößt Historikern und RNZ-Lesern gleichermaßen auf. Wie hier in der Bergheimer Straße (rechts), auf der Höhe des Alten Hallenbades, werben die SRH-Hochschulen mit dem „DU-Konzept“. Fotos: dpa/bma

Von Benjamin Auber

Heidelberg. Eigentlich ist es keine große Sache: Seit wenigen Tagen werben die SRH Hochschulen mit ihrer Plakatkampagne für das "DU-Konzept". Der Student soll in den Mittelpunkt rücken, um sich bestens auf den Beruf vorzubereiten. Doch eines der fünf Plakatmotive sorgt für Empörung. Es hängt unter anderem in der Bergheimer Straße in Heidelberg und in der Rohrhofer Straße in Mannheim. RNZ-Lesern fiel die Ähnlichkeit mit Nazi-Propaganda auf, sie sehen darin einen "Skandal".

Das Motiv erinnert an eine Vorlage aus den 30er Jahren: Ein junger Mann präsentiert sich mit breiter Brust, aufrechter Haltung und selbstbewusstem Blick – ähnlich wie der Zehnjährige, der – 80 Jahre zuvor – mit dem Eintritt in die Hitlerjugend ein Verehrer Adolf Hitlers 
und überzeugter Nationalsozialist werden soll. Auf dem SRH-Plakat steht: "Du liegst schon im Studium in Führung." Unbedachtheit oder eine gezielte Provokation, um mehr Aufmerksamkeit zu erreichen?

Nach Angaben der SRH sind alle Männer und Frauen, die auf den Bildern abgebildet sind, Studierende aus dem eigenen Haus. "Das Konzept der Kampagne wurde gemeinsam mit der Agentur Jung von Matt aus Stuttgart entwickelt. Den gesamten Prozess hat eine eigens dafür gegründete Fokusgruppe begleitet. Sie besteht aus Studierenden der ersten Semester und Mitarbeitern unserer Hochschulen, die Feedback zur Kampagne geben", sagt SRH-Marketingleiterin Christiane Désiré.

Die Agentur Jung von Matt war erst vor Kurzem in die Kritik geraten, als in einem Edeka-Spot Mütter und Väter mit Peinlichkeiten verunglimpft wurden. Ein System für Reichweitensteigerung? "Keiner der Beteiligten hat bisher Anstoß an den Motiven genommen", so Désiré.

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Aber darf so geworben werden? "Die Art, wie das fotografiert wurde, weckt bei mir klare Assoziationen zur NS-Propaganda", sagt Frank Engehausen vom Historischen Seminar der Universität Heidelberg. Engehausen vergleicht die Machart mit der Werbung für die NS-Ordensburgen (hier das Interview mit dem Historiker). Das waren Ausbildungsstätten für zukünftiges Führungspersonal der NSDAP, die ab 1934 gebaut wurden. Das Plakat sei absolut unangebracht, vor allem, wenn es als versuchte Provokation dienen sollte, sagt Engehausen. Der Walldorfer Historiker Moritz Hoffmann ergänzt: "Wenn die SRH keine Kenntnis von dem Thema hat, spricht das nicht für sie. Die gestalterischen Parallelen zur NS-Propaganda sind ganz offensichtlich".

Historiker Heinrich Schwendemann aus Freiburg ist, wie seine Kollegen am Institut, ebenfalls entsetzt über das Plakat: "Die Perspektive mit dem erhobenen Kopf, der hart entschlossene Blick und der spezifische Lichteinfall. Das ist eindeutig NS-Ästhetik. Es verwundert sehr, dass das niemand von den Verantwortlichen gemerkt haben soll." Auch ohne die "politische Korrektheit überzustrapazieren", sei das ein "fragwürdiger Fall", um junge Menschen für ein Studium anzuwerben, sagt Schwendemann.

Für Schwendemann ist aber nicht nur die Ähnlichkeit mit dem Nazi-Design kritikwürdig, ihm geht es auch darum, welches Gesellschaftsbild Hochschulen mit ihren Kampagnen verkörpern. Wie sollen sich jungen Menschen im Beruf verhalten und welche Rolle spielt Ethik und Moral in der Arbeitswelt? Zumindest in diesem Fall sei das nicht gut gelöst.

"Das Plakat bezieht sich darauf, bereits im Studium zu lernen, Verantwortung zu übernehmen und sich dadurch für eine spätere Führungsposition in einem Unternehmen zu qualifizieren", verteidigt Christiane Désiré die Kampagne.

Trotzdem will die SRH auf den Fall so schnell wie möglich reagieren. "Die wahrgenommene Ästhetik ist in keiner Weise von uns beabsichtigt. Gleichwohl nehmen wir den Hinweis sehr ernst und werden das eine Motiv nicht weiter verwenden, auch um unsere Studierenden zu schützen", sagt Désiré. Obiges Motiv wurde bereits aus der Online-Kampagne entfernt.

Außerdem wird das spezielle Plakat – sofern es lokalisiert werden kann – sofort abgehängt, wie Désiré betont.