Wenn der SAP-Chef begeistert in den Saal ruft
"Was für ein Jahr" - Softwarekonzern nimmt fast eine Milliarde Euro in die Hand, um Mitarbeitern den Abschied schmackhaft zu machen

SAP-Chef Bill McDermott zeigte sich gestern bei der Bilanzpressekonferenz zufrieden mit dem Geschäftsjahr. Foto: AFP
Von Barbara Klauß
Walldorf. Bill McDermott ist begeistert. "Was für ein Quartal, was für ein Jahr", ruft der SAP-Chef bei der Bilanzpressekonferenz mit ausgebreiteten Armen in den Saal. Europas größter Softwarekonzern habe alle Prognosen erfüllt oder übertroffen, er wachse und werde weiter wachsen. "Wir könnten nicht zufriedener sein mit dem Zustand unseres Unternehmens", erklärt er und fügt hinzu: "Viele unserer Mitarbeiter sagen, sie sind stolz, für SAP zu arbeiten."
Für einen Teil von ihnen könnte es damit aber bald vorbei sein: SAP plant einen Umbau beim Personal, wie McDermott ebenfalls am Dienstag ankündigte. Um in einer "schnelllebigen Industrie" mithalten zu können, legt der Konzern ein "Restrukturierungsprogramm" auf. Fast eine Milliarde Euro nimmt er dafür in die Hand.
Durch technologischen Wandel, durch künstliche Intelligenz oder vernetzte Geräte und Maschinen werden manche Jobs bei SAP überflüssig. Die betroffenen Mitarbeiter sollen umgeschult, versetzt werden - oder in den Vorruhestand gehen. Freiwillig, wie Cawa Younosi betont, Personalchef Deutschland bei SAP. Kündigungen schließt er aus.
"Wenn unsere Prognosen stimmen, reden wir von 4400 Beschäftigten", erklärt Finanzchef Luka Mucic. Das wären bis zu 4,5 Prozent der Beschäftigten. Younosi geht davon aus, dass in Deutschland etwa 1000 bis 1200 das Programm in Anspruch nehmen werden. Zur Höhe möglicher Abfindungen ist noch nichts bekannt.
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Gleichwohl soll die Mitarbeiterzahl unter dem Strich wachsen. Zuletzt hatte SAP weltweit rund 96.500 Beschäftigte. "Nächstes Jahr könnten es 105.000 sein", so McDermott. Auch für die Region geht Finanzchef Mucic mit steigenden Mitarbeiterzahlen aus. Derzeit sind es in Walldorf und St. Leon-Rot rund 15.000.
Dennoch: "Die Veränderungen werden den Kollegen viel Engagement abverlangen", erklärt der Betriebsratsvorsitzende Ralf Zeiger und fordert ein höheres Budget für Beförderungen sowie für Gehaltserhöhungen, die in diesem Jahr im Schnitt um 3,3 Prozent zulegen sollen. "An zu knappen Kassen kann es eigentlich nicht liegen", fügt Zeiger mit Blick auf das "starke Ergebnis" hinzu.
SAP plant das Vorruhestandsprogramm für Menschen ab 55 Jahren, darüber hinaus ein freiwilliges Abfindungsprogramm für Menschen unter 55 Jahren. "Für Leute mit Fähigkeiten, die wir künftig nicht mehr in diesem Maße brauchen", wie Personalchef Younosi betont. Verlassen kann das Unternehmen jemand, der etwa Kenntnisse in Produkten hat, die für SAP strategisch nicht mehr relevant sind, oder in der Entwicklung von Produkten, die SAP nicht weiter entwickeln will. Gebraucht werden zunehmend etwa Datenwissenschaftler oder Experten für maschinelles Lernen.
Bei einem ähnlichen Programm im Jahr 2015 sei die Planzahl übertroffen worden, erklärt Younosi. 1300 bis 1400 Mitarbeiter nahmen das Programm in Deutschland in Anspruch, wechselten auf andere Stellen oder verließen SAP mit hohen Abfindungen. Weltweit waren es 3000. Auch damals lag die Zahl der Beschäftigten hinterher insgesamt höher als zuvor. Für das neue Programm sollen die Verhandlungen mit den Betriebsräten im Februar und März stattfinden, spätestens im April die Gespräche mit den Beschäftigten.
Betriebsrat Johannes Reich findet es "schräg", rund 800 bis 950 Millionen Euro in die Abfindung von etwa 4400 Mitarbeitern zu stecken - im Vergleich zu rund 180 Millionen Euro in die Weiterbildung von mehr als 90.000 Mitarbeitern. "Ein Mitarbeiter mit 55 Jahren und vielleicht seit 20 Jahren bei SAP ist doch auf der Höhe seiner Schaffenskraft? Wenn seine Freisetzung für SAP ökonomisch sinnvoll sein soll - was ich nicht glaube - da frage ich mich doch: Was ist da vorher schief gelaufen?"
Darüber hinaus wird nach seinem Eindruck der Einfluss solcher Programme auf die Unternehmenskultur unterschätzt. "Seit 2015 fragen mich Kollegen ab 50 viel häufiger: Wann kommst das nächste Programm? Statt: Wie kann ich mich hier noch weiterentwickeln?"
Laut Quartalsmitteilung rechnet der Konzern mit Kosten für das Programm zwischen 800 und 950 Millionen Euro; ab 2020 mit jährlichen Einsparungen von 750 bis 850 Millionen Euro. Gespart wird etwa, wenn die Stelle eines Mitarbeiters mit 30 Jahren Berufserfahrung mit einem jüngeren Kollegen besetzt wird, der auf einer niedrigeren Gehaltsstufe anfängt. Zudem sollen die Stellen an den Standorten besetzt werden, wo sie benötigt würden. "Wir gehen dorthin, wo die Kunden uns brauchen", erklärt SAP-Chef McDermott.
Das bedeutet allerdings nicht, dass Standorte geschlossen oder der Standort Walldorf geschwächt wird. "Ich lebe seit über 30 Jahren hier", sagt Finanzchef Mucic. "Und ich werde nirgendwo hinziehen." Zumal Walldorf zu den Standorten gehöre, die am stärksten wachsen.



