Auf Raserjagd

Der doppelte Blitzer von Leimen

Stadt jagt Temposünder am Rathaus nun nicht nur aus einer Säule, sondern auch aus einem Kasten - Es gibt aber trotzdem nur ein Knöllchen

19.10.2018 UPDATE: 20.10.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 28 Sekunden

Wer in der Rathausstraße zu schnell fährt, wird nun von der bestehenden Blitzer-Säule und dem neuen Blitzer-Kasten fotografiert. Foto: Alex

Von Christoph Moll

Leimen. Seit einigen Tagen steht in der Rathausstraße beim Gasthaus "Krone" ein nicht besonders schöner grauer Kasten. "Videoüberwachung" ist darauf zu lesen. In erster Linie macht das Gerät aber besondere Fotos - und zwar von Temposündern. Dabei steht keine 100 Meter entfernt von dem Blitzer-Kasten eine Blitzer-Säule. Gilt in der Großen Kreisstadt jetzt etwa "Doppelt geblitzt hält besser"? Was zunächst wie ein großer Irrsinn klingt, hat aber eine Erklärung.

Die RNZ sprach mit Stadtsprecher Michael Ullrich. Warum wird in der Rathausstraße doppelt geblitzt? "Wäre die Welt ein Ort mit lauter rücksichtsvollen Menschen, dann wäre der zweite Blitzer nicht notwendig", sagt Ullrich. Denn seit der Installation der Blitzer-Säule am Alten Rathaus vor über einem Jahr hat die Stadt eine besondere Beobachtung gemacht: Autofahrer bremsen in dem verkehrsberuhigten Bereich - hier gilt Schrittgeschwindigkeit von bis zu sieben Kilometern pro Stunde - kurz vor der Blitzer-Säule ab und geben danach prompt wieder Gas. "Viele wissen inzwischen, wie sie den Blitzer austricksen können", sagt Ullrich. Genau diese Temposünder will die Stadt nun mit dem Blitzer-Kasten erwischen.

"Je mehr Autofahrer sich an die Schrittgeschwindigkeit halten, desto sicherer wird dieser Bereich für die vielen Schulkinder und andere Fußgänger", erklärt Ullrich. Die Turmschule liegt direkt um die Ecke. "Wir wollen die schwächsten Verkehrsteilnehmer schützen", so der Stadtsprecher. "Und das geht leider nur noch über den Geldbeutel." Zuvor habe es die Stadt mit Schildern und Pollern versucht - ohne durchschlagenden Erfolg. Ob der Blitzer-Kasten Erfolg hat, muss sich noch zeigen. Die ersten Daten werden gerade ausgewertet. Ullrich spricht von einer "Testphase", die einige Wochen dauern soll. Unklar ist, ob der graue Kasten demnächst noch an anderen Stellen im Stadtgebiet auftaucht.

Auch wenn es von außen nicht so aussieht: In dem unscheinbaren Kasten steckt modernste Technik - und zwar dieselbe wie bei den zwei stadteigenen Messgeräten, die sich abwechselnd in den fünf Blitzer-Säulen im Stadtgebiet befinden. Mit Laserstrahlen wird die Geschwindigkeit gemessen. Das Kasten-Modell heißt "Trailer" - englisch für "Anhänger". Der Blitzer-Kasten ist also eigentlich ein Anhänger, der fest installiert ist. "Die Räder sieht man nicht", erklärt Ullrich. Die Stadt hat das Gerät gemietet - zu den Kosten konnte Ullrich nichts sagen. In Leimen ist es der erste Einsatz.

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Während die Blitzer-Säule Fahrzeuge in beide Fahrtrichtungen erfasst, misst der Blitzer-Kasten lediglich alle Fahrzeuge, die vor dem Alten Rathaus Richtung Gasthaus "Krone" fahren. Somit kann es passieren, dass ein zu schnelles Auto Richtung "Krone" zweimal geblitzt wird - zunächst von der Säule und dann noch einmal vom Kasten. "Dann gibt es aber trotzdem nur ein Knöllchen", verspricht Ullrich. "Wir bestrafen niemanden zweimal für dasselbe Vergehen."

Trotzdem sind die Reaktionen kritisch: "Effektivität zählt, sonst gar nichts! Kommunen brauchen Geld", kommentierte ein Mann den neuen Blitzer-Kasten im sozialen Netzwerk "Facebook". "Sieht furchtbar aus, das Teil", meint ein anderer. Ein anderer Mann nimmt es mit Humor: Der zweite Blitzer sei notwendig, falls das erste Foto "verwackelt" ist.

Eine ähnliche Blitzer-Konstellation wie nun in Leimen hat es übrigens schon einmal in der Region gegeben: Vor vier Jahren hat das Landratsamt in der Neckargemünder Bahnhofstraße am Stadtausgang Richtung Heidelberg direkt gegenüber einer Blitzer-Säule derselben Behörde aus einem Auto heraus Temposünder gejagt - und das auch noch von einem Radweg aus. Die kuriose Erklärung für den Blitzer-Irrsinn damals: Das Landratsamt wollte in einem "Pilotverfahren" testen, ob alleine die Säule dafür sorgt, dass langsamer gefahren wird. In der Säule befand sich während der Messung mit dem Blitzer-Auto kein Messgerät. Doch ob sich in der Säule ein Messgerät befindet, ist für Autofahrer von außen ohnehin gar nicht erkennbar. Nicht überraschend war folglich die Erkenntnis, dass es keinen Unterschied macht, ob ein Messgerät in der Säule ist oder nicht. Da ist die Erklärung für den doppelten Blitzer von Leimen einleuchtender ...

Wer in der Rathausstraße zu schnell fährt, wird nun von der bestehenden Blitzer-Säule und dem neuen Blitzer-Kasten fotografiert. Foto: Alex

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