"Dass wir so viele Kandidaten haben, fasziniert jeden"
Neun Bürgermeisterbewerber: Was macht Gaiberg so attraktiv? - Die RNZ hat mit Amtsinhaber Klaus Gärtner nach einer Antwort gesucht

Das Rathaus in Gaiberg. Foto: Dorn
Von Anja Hammer
Gaiberg. Was ist da los? Die Region schaut derzeit ganz perplex nach Gaiberg. Bei der Bürgermeisterwahl am 24. Juni treten neun Kandidaten an. Darunter sind die Gaiberger Ralph Steffen, Andreas Hildebrandt, Heike Philipp, Alexander Wenning, Stephan Weber und Martin Miltenberger, darunter sind aber auch Auswärtige wie Markus Huber aus Karlsdorf-Neuthard, Petra Müller-Vogel aus dem pfälzischen Leimersheim und Friedhild Anni Miller aus Sindelfingen. Sie wollen Amtsinhaber Klaus Gärtner beerben, der den Ruhestand einer neuen Kandidatur vorzieht. Mit ihm hat sich die RNZ unterhalten und versucht herauszufinden, weshalb es bei der Wahl so viele Bewerber gibt wie sonst nirgends in der Region.

Noch-Bürgermeister Klaus Gärtner. Foto: Alex
Herr Gärtner, haben Sie eine Erklärung, warum es so viele Bürgermeisterkandidaten gibt?
(lacht) Gaiberg ist eben anders. Ich denke, dass das bedeutet - und das sage ich nicht ohne Stolz - dass wir, also alle Bediensteten der Gemeinde, bisher gute Arbeit geleistet haben. Es ist attraktiv, hier Bürgermeister zu werden, weil man das Angefangene weitermachen kann. Da ist die Ortsmitte, die gerade umgebaut wird, die Rathaussanierung, die Bebauung an der evangelischen Kirche und natürlich unser berühmtes Baugebiet. Es ist viel angestoßen worden. Auch die Nähe zu Heidelberg macht Gaiberg attraktiv.
Nun ja, auch Wilhelmsfeld und Lobbach sind nah an Heidelberg. Dort fanden letztes Jahr Bürgermeisterwahlen unter ähnlichen Voraussetzungen wie jetzt in Gaiberg statt: Die langjährigen Amtsinhaber traten nicht mehr an, beides sind kleine Gemeinden - und trotzdem gab es keine neun Kandidaten.
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Das stimmt. Eine genaue Erklärung habe ich auch nicht. Ich werde überall darauf angesprochen. Dass wir so viele Kandidaten haben, fasziniert jeden. Und das sind auch praktisch nur ernstzunehmende Kandidaten. Da ist jetzt keiner dabei, bei dem die Idee aus einer Bierlaune heraus am Stammtisch entstand.
Hintergrund
> Gaiberg: Das Bergdorf mit seinen 2384 Einwohnern liegt in direkter Nachbarschaft zu Heidelberg - bis zum Bismarckplatz sind es knapp 15 Autominuten. Das Durchschnittsalter der Gaiberger beträgt 45,3 Jahre. Bei der Gemeinde selbst sind 29 Mitarbeiter
> Gaiberg: Das Bergdorf mit seinen 2384 Einwohnern liegt in direkter Nachbarschaft zu Heidelberg - bis zum Bismarckplatz sind es knapp 15 Autominuten. Das Durchschnittsalter der Gaiberger beträgt 45,3 Jahre. Bei der Gemeinde selbst sind 29 Mitarbeiter beschäftigt: acht im Rathaus, 18 für die Betreuung von Kindergarten- und Schulkindern sowie drei beim Bauhof. Das diesjährige Haushaltsvolumen beträgt 10,2 Millionen Euro. Auf der hohen Kante hat die Gemeinde derweil 2,2 Millionen Euro, die kommunalen Schulden sind mit 275.000 Euro äußerst gering.
> Bürgermeistergehalt: Das Gehalt eines Rathauschefs ist gesetzlich geregelt. Es richtet sich nach der Größe der Gemeinde. Für Kommunen zwischen 2001 und 5000 Einwohnern sind hauptamtliche Bürgermeister der Gruppe A 15/A 16 zugeordnet. Ab Juli gilt : Für A 15 gibt es zunächst rund 5200 Euro und es geht hoch bis 6600 Euro. A 16 reicht von 5800 bis 7300 Euro. Dazu kommt - im Falle eines Falles - der Familienzuschlag für Beamte: Etwa je 125 Euro für die ersten beiden Kinder und 377 Euro für jedes weitere. Die Gemeinde zahlt zudem rund 1000 Aufwandsentschädigung für Fahrtkosten etc.. Die Arbeit in Zweckverbänden wird zusätzlich vergütet, für den Vorsitz im Wasserzweckverband sind das etwa 900 Euro. aham
Gehen wir doch einmal ein paar Theorien durch. Was halten Sie davon: Die Bürgermeisterwahlen der letzten Jahre haben gezeigt, dass man nicht unbedingt ein Verwaltungsfachmann sein muss, um an die Spitze des Rathauses zu gelangen. Bürgermeister kann jeder.
Dem kann ich nicht widersprechen. Ich muss jetzt nur aufpassen, was ich sage, ich bin schließlich Leiter des Wahlausschusses. Aber ja: John Ehret aus Mauer und Maik Brandt aus Meckesheim waren beide Polizisten, bevor sie Bürgermeister wurden, Frank Volk aus Neckargemünd Banker. Es wird inzwischen von den Wählern offensichtlich nicht mehr als Nachteil gesehen, wenn der Bürgermeister keine Verwaltungserfahrung hat. Diese Theorie habe ich mir auch schon überlegt.
Hinzu kommt, dass Gaiberg mit seinen knapp 2400 Einwohnern auch anfängerfreundlich ist, oder nicht?
Ja, Gaiberg ist überschaubar. Das macht es interessant. Da sagen bestimmt mehr: Diese Größe traue ich mir zu. Es hat aber Vor- und Nachteile, wenn einen jeder auf der Straße erkennt.
Und dann ist da noch das Gehalt für relativ wenig Arbeit...
Ich falle der Sozialhilfe nicht zur Last (lacht). Nein, im Ernst: Das Gehalt für die - wie Sie meinen - wenige Arbeit kann man überall nachlesen. In der ersten Amtsperiode ist man Besoldungsgruppe A 15, in der zweiten A 16. Man weiß also von Anfang an genau, was man verdient.
Sie haben vorhin schon das "berühmte Baugebiet" angesprochen. Darüber wird seit Ewigkeiten gezankt. Ist das vielleicht auch ein Grund, weshalb es so viele Kandidaten gibt - weil jede Seite ihre Interessen durchsetzen möchte?
Da gibt es diese Wiese, da stehen momentan Streuobstbäume und da grasen Pferde. Die hat schon mein Vorgänger gekauft. Und wenn alles gemacht wird, was beschlossen wurde - Ortsmitte, Rathaussanierung, Erweiterung oder Neubau des Feuerwehrhauses - braucht die Gemeinde Geld. Und sie braucht Zuzug. Aber deswegen Bürgermeister werden? Da frage ich mich eher: Muss man sich diesen Streit antun? Das geht vielleicht vor Gericht. Vielleicht hat aber auch genau das seinen Reiz: Für dieses Baugebiet muss man kämpfen.
Welche Theorien gibt es denn im Ort, warum es so viele Kandidaten gibt?
(lacht) Da muss ich auf meinen ersten Satz zurückkommen: In Gaiberg ist eben alles anders.
Glauben Sie, dass es am 24. Juni überhaupt zu einer Entscheidung kommt?
Ich gehe davon aus, dass es einen zweiten Wahlgang geben wird. Es sind einfach zu viele ernsthafte Kandidaten. Viel wird sich bei der Kandidatenvorstellung am 15. Juni entscheiden: Bei einer Bürgermeisterwahl geht es meist mehr um Sympathie und Antipathie.
Welche Eigenschaften muss man denn als Bürgermeister von Gaiberg mitbringen?
Vor allem muss man gute Nerven haben. Hier hat man es mit vielen Widerständen zu tun, mit Ecken und Kanten - das ist vielleicht auch der Reiz. Man muss Konflikte aushalten und Kritik einstecken können.
Was meinen Sie, liebe Leser, warum es in Gaiberg so viele Bürgermeister-Kandidaten gibt? Schreiben Sie uns: region-heidelberg@rnz.de



