Wenn Waldmaikäfer umherschwirren
Bürgerworkshop zur Zehn-Jahres-Planung - Klimawandel bereitet den Förstern Sorge

Walldorf. (heb) Die derzeit umherschwirrenden Waldmaikäfer sind nur eines der Anzeichen. Dass der Wald in den Sandgebieten um Walldorf gestresst ist, bestätigte Forstdirektor Sebastian Eick, der bei einem Bürgerworkshop der Stadt Walldorf die aktuelle Forsteinrichtung der Stadt vorstellte. Das ist die traditionelle Zehn-Jahres-Planung des Forstes, die für eine nachhaltige Bewirtschaftung sorgen soll.
Auf den sandigen Böden tut sich die Waldwirtschaft schwer. Dazu kommt der Klimawandel. Die Jahresmitteltemperatur habe von 1961 bis 2016 um 1,5 Grad Celsius zugenommen. Das bisher heißeste Jahr sei 2014 gewesen. Seither konzentriert sich der Holzeinschlag fast nur noch auf dürre und absterbende Kiefern, ein planmäßiger Einschlag war kaum noch möglich. "Es wird Blößen geben, wo kein Wald mehr wächst", sagte Forstbezirksleiter Eick voraus.

Prof. Ulrich Schraml von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) stellte die Studie vor. Foto: Sabine Hebbelmann
"Wir müssen etwas ändern in der Bewirtschaftung und die Bevölkerung informieren", sagte Bürgermeisterin Christiane Staab. Sie sprach von zu wenig Regen und langen Dürreperioden auch im Winter. "Das können wir an unseren Bäumen ablesen", sagte sie. Mit dem Naturschutzbund (Nabu) arbeite die Stadt zusammen, um artenreiche Trockenrasen zu fördern. "Aber wir wollen auch den Wald erhalten mit Baumarten, die widerstandsfähiger sind." Daher sei die wissenschaftliche Begleitung der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) so wichtig.
Und sie machte deutlich: In der dicht besiedelten Region geht es auch darum, die teils widerstreitenden Interessen der unterschiedlichen Nutzergruppen und die vielen Ansprüche, die an den Wald gestellt werden, unter einen Hut bringen. Um die Bedürfnisse und Anliegen besser kennenzulernen, habe die FVA das Projekt "Urbane Waldwirtschaft" ins Leben gerufen.
Hintergrund
Walldorfs drei Waldgebiete in der Bewertung der Forstleute
Forstdirektor Sebastian Eick stellte beim Bürgerworkshop die drei Walldorfer Waldgebiete mit ihren Besonderheiten vor. Die wertvolleren Waldbestände mit vielen Eichen fänden sich im Gebiet
Walldorfs drei Waldgebiete in der Bewertung der Forstleute
Forstdirektor Sebastian Eick stellte beim Bürgerworkshop die drei Walldorfer Waldgebiete mit ihren Besonderheiten vor. Die wertvolleren Waldbestände mit vielen Eichen fänden sich im Gebiet Hochholz um den Waldsee, einem Kleinod zwischen Autobahn und Gewerbegebiet. Hier hätten Naturschutz und Erholung Vorrang vor der Holznutzung.
Im Reilinger Eck mit seinem lichten Kiefernwald gehe es vor allem darum, die besondere Flora zu erhalten. Das vom Aussterben bedrohte Winterlieb komme in ganz Baden-Württemberg nur hier vor. Die "Waldweide" habe sich gut entwickelt. Zur Pflege seien Konzepte zur temporären Beweidung mit mobilen Zäunen auch außerhalb des Areals geplant. Der Dannhecker Wald sei gekennzeichnet durch die Nähe zur Wohnbebauung und durch sich auflösende Kiefernbestände. Hier konzentrierten sich die Pflegemaßnahmen auf den Maulbeerbuckel.
Der Maikäfer fresse die Wurzeln junger Bäume und erschwere Pflanzungen. Der Forst könne wenig dagegen machen, denn der Wald ist nach PEFC-Standards für nachhaltige Waldbewirtschaftung zertifiziert und chemische Bekämpfung ist nicht erlaubt. Wichtig sei, dass das Holz optimal vermarktet werde. Brennholz sei immer ein Thema, doch da das Angebot sinkt, müsse pro Haushalt rationiert werden.
Eick betonte noch einmal die Bedeutung der Waldpädagogik und nannte das Waldklassenzimmer beim Waldsee und die Waldweide mit dem Kuhbrunnen, die als "Waldmuseum" die historische Waldnutzung demonstriert.
Bürgermeisterin Christiane Staab lobte die Arbeit der Waldpädagogin Sabrina Ehret und sagte, man müsse über eine Erhöhung ihrer Stundenzahl nachdenken, wofür sie spontanen Applaus bekam. Und Eick machte deutlich: Bei den Zielen der Stadt sei ein finanziell ausgeglichener Forsthaushalt nicht möglich.
Vorgestellt wurde die "Studie zur Bewertung und Nutzung stadtnaher Wälder" von Ulrich Schraml, Leiter der Abteilung "Wald und Gesellschaft" der FVA, zusammen mit der Psychologin Tina Gerstenberg und dem Experten für "Urbane Waldwirtschaft" Christoph Baumeister. Ihr Blick richtete sich auch auf Leistungen des Waldes, die sich - gerade in Ballungsräumen - nicht mit dem Holzpreis abrechnen lassen. Hierzu zählten sie unter anderem Erholung, Kühlung und Luftverbesserung.
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In einer aufwendigen und umfangreichen Online-Umfrage ging es darum, wie die Bewohner das nahe Waldgebiet nutzen und was sie daran besonders schätzen oder auch missbilligen. Erfüllen Bänke und Infotafeln ihren Zweck? Wie wird die Ausbreitung eingewanderter Arten wie der Kermesbeere wahrgenommen? "Partizipatives Kartieren" nennen die Forscher das Verfahren, bei dem die Teilnehmer ihre Lieblingsplätze und die Wege, die sie gewöhnlich im Wald zurücklegen, in eine Karte der Schwetzinger Hardt einzeichnen konnten.
Für die Umfrage geworben wurde über verschiedene Kanäle. Unter anderem wurden je 300 Postkarten an Haushalte jeder Hardtwald-Gemeinde verschickt. Zwei Drittel der Teilnehmer waren männlich, der Anteil mit höherer Schulbildung lag noch etwas höher.
Als besonders wichtig wurde die Erholungsfunktion gesehen, gefolgt von der Ästhetik. Negative Bewertungen spielten eine weit geringere Rolle. Bemerkenswert: Die meisten fühlen sich von anderen Waldbesuchern eingeschränkt, gefolgt vom Verkehrslärm. Die 773 Teilnehmer markierten 2777 Orte. Meist war es Infrastruktur - in Walldorf etwa die Vesperhütte und die Bürgerbegegnungsstätte. Besonders beliebt waren hier auch der Saupferchbuckel und der Maulbeerbuckel, während der Hockenheimring besonders viele negative Einträge verzeichnete.
Die Auswertung der Umfrage ist noch nicht abgeschlossen. An die Vorträge schlossen sich themenspezifische Workshops an.



