Leiterin wurde wegen "unüberbrückbarer Differenzen" fristlos gekündigt
Eine Mauer des Schweigens: Offizielle Stellen halten sich bedeckt, Eltern sprechen von einer "Jagd"

Was geschah im "Wawuschel"-Kindergarten der evangelischen Kirchengemeinde in Neckarhausen, dass einer Erzieherin nach über 20 Jahren fristlos gekündigt wurde? Die RNZ hat sich auf Spurensuche begeben und stieß auf hartnäckiges Schweigen bei den verantwortlichen Stellen. Einzig die Eltern äußerten sich offen. Foto: Pilz
Von Nicoline Pilz
Edingen-Neckarhausen. Sie hat Generationen von Kindern vom Eintritt in den Kindergarten bis zum Schulanfang begleitet und betreut. Doch damit ist, wenn auch vielleicht nur vorläufig, Schluss: Mitte März wurde die Leiterin des evangelischen Wawuschel-Kindergartens Neckarhausen nach über 20-jähriger Tätigkeit fristlos gekündigt. Die Rede ist von "unüberbrückbaren Differenzen" im Leitungshandeln und der Pädagogik. Das soll dazu geführt haben, dass sich die evangelische Kirchengemeinde Neckarhausen in Abstimmung mit dem geschäftsführenden Verwaltungs- und Serviceamt Neckar-Bergstraße (VSA) mit Sitz in Weinheim sowie der Fachaufsicht des Diakonischen Werks Baden von der Erzieherin getrennt hat. Angeblich geht es um ein pädagogisches Fehlverhalten einer Kollegin, das ihre Vorgesetzte der Dienststelle gegenüber nicht gemeldet haben soll.
Der Name der Leiterin ist der RNZ bekannt. Da es sich bei dem Sachverhalt aber um ein äußerst sensibles Thema handelt, hat sich die Redaktion entschlossen, den Namen nicht zu nennen. Weil sich die offiziellen Stellen in Schweigen hüllen, muss über die Hintergründe der Kündigung ein stückweit spekuliert werden.
Auch die Betroffene hielt sich im Gespräch mit der RNZ bedeckt. Denn die fristlose Kündigung ist mittlerweile Gegenstand eines arbeitsgerichtlichen Prozesses. Die Kindergartenleiterin hat nach RNZ-Informationen einen Anwalt eingeschaltet und klagt auf Wiedereinstellung. Beim nächsten Termin soll es offenbar um eine außergerichtliche Einigung gehen.
Die Einzigen, die sich in dieser Geschichte offener äußern, sind die Eltern der Wawuschel-Kinder. Sie beklagen gegenüber der RNZ eine mangelnde Informationspolitik der Kirchengemeinde und des VSA. So seien sie lediglich über einen "lapidaren" Aushang darüber informiert worden, dass die Leiterin nicht mehr in der Einrichtung angestellt sei und ihre Stellvertreterin derzeit die Leitungsfunktion inne habe.
Schriftlich erkundigten sich die Eltern dann am 6. April nach dem Grund für das Ausscheiden der Leiterin und fragten, wann mit ihrer Rückkehr zu rechnen sei. Oder, falls nicht, ob eine Verabschiedung geplant sei. Und auch, wie die personelle Mehrbelastung aufgefangen werde. Zehn Tage später soll ein Treffen mit dem Pfarrerehepaar und dem VSA stattgefunden haben. Im Prinzip habe man dabei nur erfahren, dass keine neue Kindergartenleitung eingestellt werde, so lange das arbeitsgerichtliche Verfahren laufe.
Wiederum eine Woche später äußerte sich das VSA schriftlich und versicherte, man werde die Situation sowohl in personeller als auch in pädagogischer Hinsicht entlasten und begleiten. Sowohl der Brief der Eltern als auch das Schreiben des VSA liegen der RNZ vor.
Bei den Eltern bleiben Unverständnis und Enttäuschung spürbar: Es gehe um die Art und Weise, wie der kirchliche Träger mit der langjährigen Kraft umgegangen sei. Vor ihrer fristlosen Entlassung habe es drei Abmahnungen gegeben, die Eltern sprechen hier von einer "Jagd" auf die Erzieherin.
Ob das so stimmt, bleibt unklar. Auf Anfrage der RNZ bei Christa Lehner, der Geschäftsführung Kita im VSA, gab es keine Stellungnahme, wiederum mit Verweis auf das laufende Verfahren. Lehner schrieb aber, die Fragestellungen der Redaktion ließen die Deutung zu, dass hier "Sachverhalte falsch dargelegt" worden seien. Worum es sich dabei handeln soll, darauf geht sie nicht ein.
Nach RNZ-Informationen soll sich das angebliche "pädagogische Fehlverhalten" einer Erzieherin der Kita bereits im Dezember 2017 ereignet haben. Offenbar habe sie im Streit zwischen zwei Kindern nicht adäquat vermittelt, heißt es. Erzieher arbeiten fraglos in einem Spannungsfeld zwischen Personalmangel, Elternanspruch, pädagogischen Anforderungen und der landläufig oft vorherrschenden Meinung, Erzieher in einer Kita zu sein, bedeute, den ganzen Tag mit Kindern spielen zu können. Dabei leisten Pädagogen heute nicht selten eine Erziehungsarbeit, die in Elternhäusern vernachlässigt wird.
Erzieher dürfen bei der Betreuung der Kinder nicht "mehr" als Eltern, formuliert Rechtsanwältin Sandra Runge in ihrem Internetblog "Smart Mama". Die Mutter von zwei Kindern erklärt dort, dass Erzieher bei der "Übernahme des Erziehungsauftrags von den Eltern" die Grenzen des elterlichen Sorgerechts einhalten müssen. Sie verweist dabei auf die gesetzlichen Regelungen unter anderem zum Kindeswohl und zum Recht auf gewaltfreie Erziehung. Doch nicht selten geben Eltern ihren Kindern selbst den Tipp "wehr dich, spuck zurück oder hau zurück". Wie sinnvoll das ist, wird im Blog nicht beurteilt.
Die RNZ wollte sich beim Evangelischen Oberkirchenrat in Karlsruhe erkundigen, ob es ein "Positionspapier" gibt, was als "pädagogisches Fehlverhalten" in evangelischen Kindergärten eingeschätzt wird. Der zugesagte Rückruf des zuständigen Referatsmitarbeiters blieb aber bis zur gesetzten Frist aus.
Und noch ein weiteres Thema hat die Eltern in Neckarhausen aufgebracht: Die Trennung des Wawuschel-Kindergartens in der Schlossstraße und der Krippe in der Graf-von-Oberndorff-Schule in zwei Einheiten. Auch das habe man eher nebenbei erfahren, sagen sie. Um die Elternarbeit zu organisieren, hätten sie von derartigen Überlegungen gerne vorher gewusst.



