Sex in der Sinsheimer Badewelt

"Wir sind uns wie Schwerverbrecher vorgekommen"

Weiteren Paaren "sexuelle Handlungen" in der Umkleidekabine vorgeworfen - Die bestreiten das

07.02.2018 UPDATE: 08.02.2018 06:00 Uhr 4 Minuten, 38 Sekunden

Hat die wohlige Atmosphäre der Sinsheimer Badewelt die betroffenen Paare zum Liebesspiel verleitet? Die jungen Leute beteuern ihre "Unschuld", räumen aber ein, zu zweit in der Umkleidekabine gewesen zu sein. Schon allein damit haben sie gegen die Hausordnung verstoßen. Foto: Badewelt

Von Alexander Albrecht

Sinsheim. Hohe Wellen geschlagen hat ein RNZ-Artikel über die Badewelt im vergangenen Jahr. Viele Paare meldeten sich, denen sexuelle Handlungen in der Umkleidekabine vorgeworfen werden. Alle Betroffenen streiten das ab und kritisieren besonders das Vorgehen des externen Sicherheitsdiensts. Die Badewelt und ihr Anwalt verteidigen die Kontrolleure und verweisen auf den Schutz der "anständigen Badegäste". Mit mindestens zwei Fällen beschäftigt sich inzwischen das Heidelberger Landgericht.

Worum geht es? Ende Oktober 2017 erschien in der RNZ ein Artikel über ein junges Paar aus dem Kreis Heilbronn, das aus dessen Sicht zu Unrecht von der Badewelt Sinsheim GmbH beschuldigt wurde, Sex in der Umkleidekabine des Wellnesstempels gehabt zu haben. Der Mitarbeiter eines externen Sicherheitsdiensts hatte die beiden am 9. September angeblich beim Liebesspiel erwischt, gegen die Kabinentür geklopft und um die Personalausweise gebeten. Wenige Tage später erhielt das Paar Post vom Anwalt der Badewelt. Und sollte wegen "grob pflichtwidrigen Verhaltens" insgesamt knapp 613 Euro bezahlen. Zudem bekamen die beiden ein Jahr Hausverbot aufgebrummt. Die jungen Leute räumen ein, zu zweit in der Kabine gewesen zu sein - zweifellos ein Verstoß gegen die Hausordnung -, den in dem Anwaltsschreiben enthaltenen Vorwurf der "sexuellen Handlungen" bestreiten sie dagegen vehement.

Wie fielen die Reaktionen aus? Der Artikel stieß bei Lesern und Usern auf enorme Resonanz, wurde auf der RNZ-Homepage mehr als 40.000 Mal angeklickt. Mittlerweile hat diese Zeitung Kenntnis von rund 20 weiteren Fällen, die jenem des Paars aus dem Kreis Heilbronn stark ähneln. Ausnahmslos werden den Betroffenen vom Sinsheimer Anwalt Thorsten Schröter im Auftrag der Badewelt "sexuelle Handlungen" vorgeworfen. Die Badegäste beteuern dagegen ihre "Unschuld", gestehen zugleich aber, zu zweit in der Kabine gewesen zu sein.

Was halten die betroffenen Besucher der Badewelt vor? Sie beschreiben das Verhalten des Sicherheitsdiensts wahlweise als unsensibel, unverschämt, unhöflich, rüde und einschüchternd. "Wir sind uns wie Schwerverbrecher vorgekommen", klagt ein Gast. Ein anderes Paar fühlte sich von der Security ausspioniert. Und eine Frau berichtet: "Es hat an der Kabinentür geklopft, wir sollten sofort rauskommen - obwohl ich noch unbekleidet war." Viele der Besucher behaupten, sie seien vom Sicherheitsdienst in barschem Tonfall mehr oder weniger dazu genötigt worden, ihre Personalausweise herauszurücken. Die gemeinsame Kabinennutzung führen sie mitunter auch darauf zurück, dass alle anderen Kabinen belegt gewesen seien.

Auch interessant
Sex im Erlebnisbad: Was passiert, wenn man erwischt wird?
Haben sie oder haben sie nicht?: Badewelt Sinsheim wirft Paar Sex in Umkleide vor und schaltete Anwalt ein

Wie argumentiert die Badewelt? "Die Security-Mitarbeiter sind professionell geschult worden. Sie machen ihren Job, damit alle Gäste Spaß in Sinsheim haben, sich wohl und sicher fühlen können", sagt der Esslinger Kommunikationsberater Hermann Orgeldinger, der für die Unternehmensgruppe des Ende 2017 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommenen Investors Josef Wund die Pressearbeit macht. Es sei klar, dass Kontrollen dort nötig seien, wo sich Familien und auch Kinder aufhielten. Anwalt Schröter verweist auf Paragraf 6, Absatz 1 c der Haus-, Benutzungs- und Badeordnung (HBB) der Badewelt. Darin heißt es: "Die Nutzung einer Umkleidekabine von mehr als einem Menschen ist strikt untersagt. Nutzt mehr als ein Mensch eine Umkleidekabine, sind die Kontroll-, Sicherheits- und Ordnungsdienste angewiesen und berechtigt zur Kontrolle. Sie dient der Abwehr oder Beendigung von Fehlverhalten im Sinne der HBB, der Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder für eine Sache. Für die Kontrolle reicht ein vermutetes Fehlverhalten und/oder eine vermutete Gefahr aus." Orgeldinger ergänzt, die HBB sei in mehreren Aufstellern vor Ort nachzulesen und könne auch auf der Badewelt-Homepage eingesehen werden: "Mehr kann man nicht machen."

Dürfen die Security-Mitarbeiter die Herausgabe der Ausweise verlangen? Das Personalausweisgesetz ist eindeutig: Die Dokumente müssen im Allgemeinen nur gegenüber staatlichen Behörden, also etwa der Polizei, vorgezeigt werden. Private Sicherheitsdienste dürfen den Ausweis nicht einsehen - bei Verdacht auf eine Straftat aber die Beamten rufen und die Person bis zu deren Eintreffen festhalten. Orgeldinger sagt, das Verfahren in der Badewelt sei mit der Sinsheimer Polizei abgestimmt. Die "erwischten" Gäste würden vor die Wahl gestellt: "Entweder sie zeigen ihre Ausweise oder wir verständigen die Polizei." Mancher Besucher sei "verdattert", hole die Papiere aber trotzdem heraus.

Welche Belege gibt es hinsichtlich des Vorwurfs der sexuellen Handlungen? Hier halten sich Schröter wie Orgeldinger wegen der schwebenden Verfahren mit konkreten Angaben gegenüber der RNZ zurück. Der Anwalt erklärt, alle mit einem Hausverbot belegten Gäste hätten gegen die Hausordnung verstoßen. Weiterer Beweise bedürfe es nicht. Orgeldinger sagt, es gehe der Badewelt gar nicht darum, was hinter den Kabinentüren passiere. Von den sexuellen Handlungen wisse er nichts. Es sei aber nicht so, dass es in diesem Bereich Kameras gebe oder die Sicherheits-Mitarbeiter Fotos machten beziehungsweise gegen die Türen klopften. Letzteres ist aber der Security ebenfalls laut Paragraf 6, Absatz 1 c der HBB erlaubt. Und an dieser Stelle wird auch deutlich, wie der Sicherheitsdienst vermutlich an seine "Informationen" kam. Zitat: "Zur Kabinenkontrolle gehört insbesondere die Sichtschau von außen auf den durch die Bauart der Kabine sichtfreien Fuß- und unteren Beinbereich, das Hören in den Innenraum sowie das Öffnen der Kabine durch die Personen in der Kabine. Bleibt die Kabine trotz Aufforderung weiter verschlossen, können die Badewelt und ihre Dienste - auch mit Gewalt und/oder technischen Mitteln - die Kabine öffnen lassen."

Wie ist der juristische Stand? Alle der RNZ bekannten Badegäste haben eine Zahlungsaufforderung vom Anwalt bekommen. Schröter setzt dabei einen Gegenstandswert - auch Streitwert genannt - an, aus dem sich die Geschäftsgebühr errechnet. In den meisten Fällen hat er einen Wert von 8000 Euro zugrunde gelegt. Schröter greift bei der Berechnung, wie er sagt, auf "Erfahrung, Tabellen oder die Rechtsprechung" zurück. Die Gebühr beträgt in diesem Fall 592,80 Euro, dazu kommt noch eine Post- und Telekommunikationspauschale in Höhe von 20 Euro. Macht für ein Paar als Gesamtschuldner also 612,80 Euro. Werde die Forderung nicht innerhalb einer bestimmten Frist beglichen, droht Schröter damit, die Badegäste beim Landgericht Heidelberg auf Unterlassung, Hausverbot und Schadenersatz zu verklagen. Die Betroffenen haben sich zum größten Teil einen Anwalt genommen und die Rechnung nicht bezahlt.

Ist schon ein Fall vor Gericht gelandet? Ja. Schröter hat Ende Januar im Namen der Badewelt Sinsheim GmbH beim Landgericht Heidelberg Klage gegen das Pärchen aus dem Kreis Heilbronn eingereicht. In dem Schreiben, das der RNZ vorliegt, wird der Sinsheimer Jurist deutlicher. Die Badewelt, so steht in der Begründung, begehre den Schutz ihres guten Rufs und ihrer anständigen Gäste. Das Paar habe am frühen Abend des 9. Septembers in der Kabine miteinander verkehrt. Als Zeugen listet Schröter zwei Männer auf. "Besonders verwerflich", so Schröter, sei, dass sich die jungen Leute an einem Familiensamstag mit besonders vielen Kindern im Bad miteinander vergnügt hätten.

Wie wurde entschieden? Die 5. Zivilkammer des Landgerichts hat per Beschluss vom 29. Januar den vorläufigen Streitwert auf 2500 Euro festgesetzt - eine Summe, die also deutlich unter dem von Schröter angesetzten Wert liegt. Ein höherer Streitwert sei, schreibt die Kammer, "für die zu schätzende Beeinträchtigung" der Badewelt nicht gerechtfertigt. Das Paar kann sich binnen zwei Wochen ab Zustellung der Klageschrift äußern. "Wir beraten mit dem Anwalt, was wir machen", teilen die beiden mit. Die Zeit drängt, das Gericht gestattet keine Fristverlängerung. Auch eine junge Frau hat sich bei der RNZ gemeldet. Sie und ihr Freund hatten im Spätsommer eine Zahlungsaufforderung des Anwalts erhalten. Nachdem das Paar ein Schreiben aufsetzte und den Vorwürfen widersprach, habe es mehrere Monate lang nichts gehört - bis es in diesen Tagen ebenfalls einen Beschluss des Gerichts erhalten habe. "Wir sollen eine enorme Summe Geld zahlen - für eine weit hergeholte Anschuldigung", seufzt die Frau.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.