Im Notfall geht oft zu viel Zeit verloren
Wie schnell sind in der Region die Rettungskräfte im Fall der Fälle vor Ort? - Die RNZ hat nach einer SWR-Statistik nachgefragt

Im Notfall sollten Notarzt und Rettungswagen möglichst schnell vor Ort sein - während in Buchen die Zeitschiene von Alarmierung bis zum Eintreffen der Helfer am Einsatzort stimmt, kommt es in den umliegenden Gemeinden oft zu Verzögerungen. Foto: Rüdiger Busch
Von J. Zimmermann und D.Rechner
Buchen. Im Notfall sollte es, ja muss es ganz schnell gehen. Doch das gesetzlich vorgegebene Tempo für die Hilfeleistung können die Retter nicht immer einhalten. Unter dem Titel "Hilfe im Notfall" hat der SWR Rettungsdienste in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz analysiert. Dabei wurde (einmal mehr) deutlich, dass die benötigte Zeit zum Einsatzort in einigen Gebieten die gesetzlich vorgeschriebenen maximal 15 Minuten überschreitet. Noch drastischer werden die Zahlen, wenn man als Maßstab die zehn Minuten, die Notärzte und Fachleute empfehlen, betrachtet.
Auch Joachim Herrmann, der Kreisgeschäftsführer des Deutschen Roten Kreuz (DRK) Buchen, weiß: "Die Einsatzkräfte sollten nach dem Anruf, so schnell es geht, vor Ort sein. Leider kann auch im Altkreis Buchen die gesetzliche Frist nicht immer eingehalten werden." Schaffen es zum Beispiel in Buchen und seinen Stadtteilen sowie Osterburken (wo Rettungswachen stationiert sind) die Rettungswagen nach der SWR-Statistik noch in über 75 Prozent der Notfälle innerhalb der zehn Minuten am Einsatzort einzutreffen, so gelingt das in den umliegenden Gemeinden, wie beispielsweise Walldürn, Mudau oder Ravenstein, in denen sich keine Rettungswache befindet, in weit weniger als der Hälfte der Notfälle.
Je weiter man sich also räumlich von den Rettungswachen in Buchen, Osterburken oder auch Hardheim entfernt, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich die Zeitschiene von der Notfallmeldung bis zum Eintreffen der Helfer am Einsatzort verlängert. Das weiß auch Joachim Herrmann. "Die Zeitspanne von zehn Minuten ist rein von der Fahrtstrecke von Buchen nach Mudau oder Ravenstein schon kaum zu bewältigen. Dann kommen noch die Alarmierungszeiten und Ausrückzeiten hinzu. Das ist kaum zu schaffen."
Selbst in Buchen könne es passieren, dass die zehn Minuten nicht eingehalten werden können, wenn ein Notarzt bereits im Einsatz sei und dann die Kollegen aus Osterburken, Hardheim oder Mosbach einspringen müssten, meint Chefarzt Priv.-Doz. Dr. Harald Genzwürker von den Neckar-Odenwald-Kliniken. Nicht selten komme es vor, dass sobald ein Notruf eingegangen sei, auch schon der nächste folge. Herrmann und Genzwürker sind sich einig: Es liege auf der Hand, dass die abgelegenen Ortschaften im Landkreis keinen Einsatzwagen um die Ecke haben. Somit impliziert die entfernte Lage schon die längere Anfahrtszeit von der Rettungsstelle und somit auch die spätere Ankunft am Notfallort.
Um diesem Problem gegenzusteuern, habe man 2014 neben den Rettungsstellen in Buchen und Hardheim auch eine in Osterburken eingerichtet. "Dadurch hat sich die Situation ein bisschen verbessert, aber nicht so stark wie erhofft, da gleichzeitig die Zahl der Einsätze gestiegen ist und die Ärzte im ländlichen Raum weniger werden", so Genzwürker.
Einen wertvollen Beitrag leisten im Notfall auch die sogenannten "Helfer vor Ort". Schon seit etlichen Jahren gibt es diese örtlichen Einsatzgruppen, die aus Ehrenamtlichen (zum Teil auch DRK-Mitarbeitern) bestehen und im Fall der Fälle Erste Hilfe leisten können, bis Notarzt und Rettungswagen vor Ort sind. Bei aller Wertschätzung für deren Leistung: "Für die Hilfsfristen sind die Helfer vor Ort nicht relevant", erklärt Herrmann.
Der DRK-Geschäftsführer weiß auch: Mehr Fahrzeuge allein reichen nicht, um die Zeitschiene bis zum Eintreffen am Einsatzort nachhaltig zu verkürzen. Neben einer dünnen finanziellen Ausstattung sei das Grundproblem vor allem ein enormer Personalmangel. Das liegt unter anderem darin begründet, dass die einst zweijährige Ausbildung zum Rettungsassistenten abgeschafft wurde. Die gesetzliche Vorgabe sieht nun eine Ausbildung von drei Jahren vor, man wird nicht mehr zum Rettungsassistenten, sondern zum Notfallsanitäter ausgebildet. "Dadurch fällt ein ganzer Jahrgang an Personal weg, und das spüren wir deutlich", so Herrmann.
"Wir achten strikt darauf, dass immer alle Einsatzwagen und Stellen besetzt sind. Doch wir könnten in allen Bereichen deutlich mehr Personal brauchen. Wenn wir die Mittel für eine vernünftige Ausbildung bekommen, dann würden wir auch mehr Leute ausbilden." Dies sei allerdings im Moment nicht gegeben und auf dem Markt sei auch zu wenig Personal da, das eine Ausbildung absolvieren möchte.
"Die Notärzte sind nicht zu langsam, sondern die Rettungsmittel", meint Genzwürker. Es seien vor allem Defizite im System und der Organisation, die verantwortlich für die Nichteinhaltung der zehn Minuten seien.
Doch er sei ein Streiter für den ländlichen Raum und bemühe sich zusammen mit seinen Kollegen vom DRK darum, auch bei den Krankenkassen "dicke Bretter zu bohren", um eine Verbesserung zu erreichen. Das Teuerste seien nicht die Einsätze selbst, sondern die Vorhaltung der Einsatzfahrzeuge, erklärt Herrmann. Was die räumliche Verteilung von Vorhalteeinrichtungen angehe, so würden die Kostengeber momentan nicht mehr als eine Mindestabdeckung unterstützen, so Genzwürker.
Um die Notfallversorgung in den kleinen Gemeinden zu verbessern, ist ein zentraler Bereichsausschuss in Mosbach eingerichtet worden, der für den gesamten Kreis zuständig ist. Dazu wurde ein Gutachten in Auftrag gegeben, das Empfehlungen zur Verbesserung der Hilfsfristeinhaltung gibt. "Wir müssen abwarten, was das Gutachten ergibt. Die Einrichtung einer neuen Rettungswache ist nicht ausgeschlossen, wenn der dringende Bedarf besteht", meint Hermann.
Die Bemühungen müssen weiterhin in die Richtung zielen, dass es künftig überall im Kreis Einsatzkräften möglich ist, innerhalb der zehn bis 15 Minuten vor Ort zu sein. "Denn schlussendlich geht es um Menschenleben", sind sich Chefarzt und DRK-Chef einig. Und ganz gleich, wie der jeweilige Notfall auch aussehen mag: Je schneller Hilfe vor Ort ist, desto besser für den Hilfsbedürftigen.



