A 5-Querung zwischen Eppelheim und Pfaffengrund ist Geschichte
In nur einer Nacht - Abriss lief schneller als geplant

Nächtliche Schwerstarbeit: Mit insgesamt fünf Kettenbaggern wurde die alte Straßenbahnbrücke in Schutt verwandelt - hier der Blick von Eppelheim in den Pfaffengrund. Foto: Alex
Von Christoph Moll
Eppelheim/Heidelberg. Als die Sonne am Freitagabend unterging, stand sie noch - so wie in den 80 Jahren zuvor auch. Doch als die Sonne am Samstagmorgen wieder aufging, da war sie schon weg. Quasi über Nacht verschwand die alte Straßenbahnbrücke zwischen Eppelheim und dem Heidelberger Pfaffengrund. Der Abriss des rund 80 Jahre alten Bauwerks lief am Wochenende völlig reibungslos - sogar so reibungslos, dass die Arbeiten deutlich schneller vorankamen als gedacht und die Autobahn deutlich früher wieder freigegeben werden konnte.
"Dot dot dot dot" - das ohrenbetäubende Hämmern der riesigen Meißel brachte in der Nacht auf Samstag die direkten Anwohner auf Eppelheimer und Pfaffengrunder Seite um den Schlaf. Stundenlang zerlegten mehrere Kettenbagger das Bauwerk in seine Einzelteile.
Doch bis der Abriss beginnen konnte, waren noch einige Vorbereitungen notwendig: Pünktlich um 22 Uhr wurde die Autobahn am Freitag zwischen dem Heidelberger Kreuz und der Anschlussstelle Schwetzingen voll gesperrt.
Um die Fahrbahn vor den herabfallenden Brückenteilen zu schützen, wurde ein sogenanntes "Fallbett" aus Sand aufgebracht. Dies ging deutlich schneller als geplant: "Die Vorbereitungen waren schon gegen 1 Uhr abgeschlossen", erklärte Projektleiter Paul Ritze von der Rhein-Neckar-Verkehrsgesellschaft (RNV), die für den 18 Millionen Euro teuren Brückenneubau zuständig ist.
Nach dem ursprünglichen Zeitplan sollte der Abriss erst gegen 3 Uhr beginnen. Doch zu dieser Uhrzeit hatten sich die Bagger schon so weit vorgearbeitet, dass ein Überqueren der Brücke nicht mehr möglich gewesen wäre. Fünf Kettenbagger des Abrissunternehmens EAG aus St. Leon-Rot machten sich gleichzeitig und gut koordiniert an der Brücke zu schaffen.
Die Fahrer schienen sich blind zu verstehen und verwandelten das Bauwerk mit jedem Meißelstoß mehr in Schutt. Dabei gingen die Bagger mit erstaunlicher Präzision vor: Schon während des Abrisses wurden die Stahlteile aus dem Überbau der Brücke fein säuberlich vom Beton getrennt: Mülltrennung, wie sie in Deutschland üblich ist.
Hintergrund
Abriss lockte Schaulustige
(cm) "An Schlaf war nicht zu denken", erzählt Michael Finck. "Ich habe kein Auge zugemacht." Der Eppelheimer wohnt direkt an der Autobahn in der Freiherr-von-Drais Straße und damit nur einen Steinwurf von der Brückenbaustelle
Abriss lockte Schaulustige
(cm) "An Schlaf war nicht zu denken", erzählt Michael Finck. "Ich habe kein Auge zugemacht." Der Eppelheimer wohnt direkt an der Autobahn in der Freiherr-von-Drais Straße und damit nur einen Steinwurf von der Brückenbaustelle entfernt. Sein Vorteil: Finck musste als Zusteller der Rhein-Neckar-Zeitung am Samstagmorgen ohnehin früh aus den Federn. "Aber es war ja zum Glück nur eine Nacht, da muss man auf die Zähne beißen - man kann ja in der nächsten Nacht länger schlafen", erzählte er gestern Mittag - schon wieder wach - vor Ort der RNZ.
So wie Michael Finck erging es vielen direkten Anwohnern. Das Hämmern der Meißel beim Abriss der alten Straßenbahnbrücke (siehe Artikel rechts) steckte vielen Eppelheimern am Samstag noch in den Gliedern. Bei der Rhein-Neckar-Verkehrsgesellschaft (RNV) als Bauherrin gingen zwar keine Beschwerden ein, doch viele Anwohner machten ihrem Ärger im Internet Luft: "Gibt es nicht so was wie Lärmschutzbestimmungen? Ich würde gerne schlafen" schrieb einer auf Facebook.
Der Lärm lockte zahlreiche Schaulustige in die von der RNV eingerichteten "Zuschauerbereiche" auf Eppelheimer Seite. Hier verfolgten Dutzende bis weit in die Nacht das Geschehen - teils sogar auf mitgebrachten Stühlen.
Einer von ihnen war Rolf Hiefner, der am Samstagmorgen gleich noch mal vorbeischaute. "Das darf man sich doch nicht entgehen lassen", meinte der 80-Jährige, der einige Hundert Meter entfernt wohnt. Den Lärm habe er in der Nacht nicht gehört. Anders als Klaus Plies und Birgit Bader: "Mit offenem Fenster hätten wir nicht schlafen können", erzählten die Eppelheimer, die einen Kilometer weit weg wohnen. Für Kinder war das Schauspiel natürlich besonders beeindruckend. Gunar Pehlke aus Oftersheim machte mit seinem achtjährigen Sohn Philipp-Luca auf dem Weg zu einem Kindergeburtstag an seinem Arbeitsort Eppelheim Station. "Wir sind extra eine halbe Stunde früher losgefahren", erzählt Pehlke, der vor einigen Jahren als Elektroinstallateur beim Abriss der Brücke bei den Wild-Werken dabei war. Philipp-Luca schaute derweil ganz beeindruckt den Baggern zu.
Eine zweite Lärm-Nacht blieb den Anwohnern erspart. Der Abriss lief nämlich deutlich schneller als geplant.
Eigentlich sollten gegen 7 Uhr noch die sogenannten Widerlager und der Mittelpfeiler der Brücke stehen, doch sie waren zu diesem Zeitpunkt schon fast nicht mehr zu erkennen. Diese bestanden übrigens fast ausschließlich aus Beton. Die Bagger wechselten mehrfach zwischen Meißel und Schaufel, um die freigelegten Betonteile beiseite zu räumen.
Ebenso kamen Scheren zum Einsatz, die Stahlteile wie weichgekochte Spaghetti zerkleinerten. Besonders beeindruckend war das Fällen der haushohen Oberleitungsmasten. "Hierfür reicht es, wenn sich ein Bagger dagegenlehnt", erklärte Projektleiter Ritze augenzwinkernd. Und tatsächlich: Die Stahlmasten aus den 90er-Jahren knickten um wie Streichhölzer.
Hintergrund
Brückenabriss in Zahlen:
> 800 Kubikmeter Sand schützten die Fahrbahn der Autobahn vor herabfallenden Betonteilen. Das entsprach etwa 60 LKW-Ladungen.
> 3250 Tonnen Stahlbeton fielen beim Abriss der alten Straßenbahnbrücke an. Diese wurden
Brückenabriss in Zahlen:
> 800 Kubikmeter Sand schützten die Fahrbahn der Autobahn vor herabfallenden Betonteilen. Das entsprach etwa 60 LKW-Ladungen.
> 3250 Tonnen Stahlbeton fielen beim Abriss der alten Straßenbahnbrücke an. Diese wurden mit etwa 125 LKW-Fahrten abtransportiert.
> Fünf Kettenbagger - ein 70-, ein 50- und drei 40-Tonnen-Bagger - mit hydraulischen Hämmern und Scheren, ein Radlader sowie ein Kehrsaugwagen kamen zum Einsatz.
> Zwölf Maschinisten und zwei Bauhelfer setzte das beauftragte Abrissunternehmen EAG über das Wochenende verteilt ein.
> 40 Stunden war die Autobahn für die Arbeiten voll gesperrt. cm
Die etwa zwei Meter tief in den Boden hineinragenden Fundamente der Widerlager blieben übrigens weitgehend unangetastet. Sie stabilisieren die Fahrbahn und sollen erst später abgebrochen werden. Dem Neubau der Brücke stehen sie nicht im Weg, weil dieser breiter wird und die Widerlager somit an anderer Stelle gebaut werden. So soll später einmal eine Verbreiterung der Autobahn möglich sein. Apropos Neubau: Nach dem Abriss beginnt der Bau der Widerlager für die neue zweigleisige Straßenbahnbrücke. Die Baugruben sollen in den nächsten zwei Wochen ausgehoben werden. Wenn die Widerlager Anfang nächsten Jahres stehen, dann geht es mit dem Bau des Mittelpfeilers weiter. Um Platz für die Arbeiten in der Mitte zu schaffen, werden die jeweils zwei Richtungsfahrbahnen dann nach außen verlagert und der jeweilige Standstreifen befahren. Im nächsten April sollen die Überbauträger der modernen Stahlverbundsystembrücke eingehoben werden. Spätestens dann muss die Autobahn wieder gesperrt werden.
Zurück zum Abriss: Kurz vor 9 Uhr fuhr am Samstag der erste von 125 Lastwagen vollbeladen davon. Das Zerkleinern der Betonteile sollte ursprünglich bis Sonntagmorgen dauern, war aber am Samstagnachmittag beendet. Gegen 22 Uhr war das Sandbett wieder entfernt. "Wenn es weiter so gut läuft, kann die Autobahn wieder früher freigegeben werden", sagte Projektleiter Ritze am Samstagmorgen. Und tatsächlich: Statt um 22 Uhr herrschte am gestrigen Sonntag bereits gegen 14 Uhr wieder freie Fahrt, nachdem die Autobahn saubergefegt worden war.
Die drei Granaten, die am letzten Mittwoch unweit der Brücke gefunden wurden, hatten übrigens keinen Einfluss auf die Arbeiten. Am heutigen Montag soll noch einmal eine Suche nach Überresten aus dem Zweiten Weltkrieg stattfinden.





















