Heilbronns OB-Wahlkampf zwischen Emotionen und Sachlichkeit

Halbzeit im Heilbronner OB-Wahlkampf und noch kein klarer Favorit in Sicht - Spannend ist nur das Rennen um die Unterstützer

10.02.2014 UPDATE: 10.02.2014 05:00 Uhr 2 Minuten, 44 Sekunden
Der Große Ratsaal der Stadt Heilbronn. Wer hier ab März auf dem Stuhl des Oberbürgermeisters Platz nimmt, ist noch völlig offen. Ein Favorit in der Wählergunst hat sich noch nicht herauskristallisiert. Foto: Stadt Heilbronn
Von Brigitte Fritz-Kador

Mit "Über allen Gipfeln ist Ruh" kann man Goethe zitieren, wenn man die beiden OB-Kandidaten von Heilbronn, Martin Diepgen und Harry Mergel (SPD) in ihren Umgang miteinander und nun zur Halbzeit ihres Wahlkampfes (erklärter Starttermin war der Jahresbeginn) bei ihren Auftritten betrachtet - beide darauf ausgerichtet, sachlich zu sein, Konfrontationen zu vermeiden oder gar gegenseitige Angriffe zu reiten. Auf die Panne der zu früh aufgehängten Wahlplakaten reagierten sie gemeinsam und souverän. Doch in so einem Wahlkampf baut sich nicht nur eine Erwartungshaltung, sondern auch eine beträchtliche Fallhöhe auf.

Es geht um viel, für Mergel auch um sein persönliches Prestige: Gelingt es ihm im zweiten Anlauf, den OB-Stuhl zu erobern? Diepgen hat da weniger zu verlieren, dafür aber die CDU im Lande, der es, und das in der Heimatstadt von Parteivorsitzendem Thomas Strobl, endlich gelingen sollte, wieder einen CDU-Oberbürgermeister zu stellen. Noch-OB Helmut Himmelsbach ist parteilos, kam aber auf dem Ticket von CDU und FDP nach Heilbronn. Diepgen und Mergel trifft man derzeit vor allem bei der Basisarbeit in den Stadtteilen.

In den "Niederungen" ihrer Parteien trägt man keine Samthandschuhe mehr, schon kursieren im Internet erste Schmähschriften gegen einen der Kandidaten. Beide Kandidaten agieren über Facebook, Merkel hatte zur Halbzeit über 1000 Facebook-Clicks, Diepgen über 800. Ihre Homepages werden zur beachteten Plattform, vor allem seit sich hier der Heilbronner Unternehmen, Milliardär und Großsponsor Dieter Schwarz für Mergel aussprach. So viel Offenheit hat es noch nie in Heilbronn gegeben, es ist ein Politikum daraus geworden, die Inhalte der Testimonials werden dabei weniger beachtet als ihre Verfasser.

Deren Namen aber sind wahrlich auch Nachrichten. Das Spektrum im Freundeskreis von Mergel reicht vom Unternehmer über den Gewerkschafter bis zum Rentner, dazu viele Lehrer, Ärzte, Anwälte, Pfarrer und Kirchenvertreter (beider Konfessionen), in der Diakonie tätige, Sportler, Vertreter der Kulturszene und Parteifreunde - eher wenig aus Handwerk und Handel. Auf Diepgens Internetplattform ging es zunächst eher schleppend voran, jetzt aber wächst auch seine Zahl der Unterstützer beachtlich: Hier fehlen noch die Protagonisten aus der Kulturszene, sonst findet man hier den Arbeitgeberverband und Handwerker, den Personalvertreter eines Großbetriebes, Mandatsträger von heute und früher, Wengerter und prominente Einzelhändler.

Diepgen landete einen besonderen Coup bei den Jungwählern, als er sich dezidiert für eine schnelle Lösung zum Fortbestehen der beliebten Freiluft-Location "Hip Island" aussprach. Das hätte mancher dem Ersten Bürgermeister nicht zugetraut.

"Stimmungen" sind keine Stimmen, mahnte auch Harry Mergel, als Wählermassen zu seinem sehr speziellen "Heimatabend" kamen. Beim Auftritt des Heilbronner Literaten Rainer Moritz mit vielen Kindheitserinnerungen, dazu Bilder von Alt- und Neuheilbronn und Schlagern der Sechziger, da schwelgte das Publikum in der Heilbronner Version des "Mir-san-mir".

Emotionen waren schon immer das Spezifikum Heilbronner OB-Wahlkämpfe. Auch für die, die ihn nicht duzen, ist Mergel "der Harry". Martin Diepgen wirkt da fast wie der Gegenentwurf. Auch darum wird der schon legendäre Wahlkampf von 1983 wieder zum Thema, als Manfred Weinmann (CDU) und Erhard Klotz (SPD) gegeneinander antraten. Weinmann, der geborene Heilbronner, der Kumpeltyp, der die Befindlichkeiten der Bürger ansprach, gewann gegen Klotz den Macher, Mann der Wirtschaft mit klaren Zielvorstellungen und unterstützt von Dieter Schwarz. Dieser Wahlausgang blieb nur jenen unverständlich, die die Heilbronner nicht kennen.

Mergel hat sein politisches Programm plakativ aufgeschlüsselt - aber noch nicht plakatiert. Diepgen muss da noch nachlegen. Die Gelegenheit könnte sich ergeben, wenn, wie zu hören ist, unter anderem Günther Oettinger und Erwin Teufel mit ihm auftreten werden.

Sibylle Mösse-Hagen, SPD-Fraktionsvorsitzende erläutert die Abstinenz von SPD-Politgrößen so: "Harry Mergel führt ganz bewusst keinen Lagerwahlkampf. Deshalb verzichtet er auf Partei- oder Politimporte. Seine Unterstützerliste beweist, dass sich das Lagerdenken längst aufgelöst hat. Die Oberbürgermeisterwahl ist eine Persönlichkeitswahl."

In Heilbronn hat es noch nie einen Wahlkampf gegeben, in dem beide "Lager" so bürgerlich und einander so ähnlich waren wie diesmal. Das macht Prognosen schwer - und den Wahlkampf. Demnächst wollen beide Seiten kämpferisch noch zulegen. Das sollten auch die Bürger tun, Inhalte scheinen sie bisher nur wenig zu interessieren. Vielleicht, weil wirklich alles auf eine reine Persönlichkeitswahl hinausläuft? Die Frage bleibt: "Wann geht es in Heilbronn endlich zur Sache, denn erst dann können die beiden Kandidaten ihre wahre Trittsicherheit als OB auf dem Ratshausparkett und über den "Niederungen der Parteien" beweisen, schon weil beide erklären "Oberbürgermeister für alle Heilbronner" sein zu wollen.

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