Steigen Sinsheims Schulden von 17 auf fast 70 Millionen Euro?
Großbauprojekte, Rezession und höhere Personalkosten: Selten waren die Aussichten der Stadtfinanzen so trüb.

Von Christian Beck
Sinsheim. Es waren teilweise erschreckende Zahlen, die Oberbürgermeister Jörg Albrecht im Gemeinderat präsentierte, als er den Entwurf des städtischen Haushalts einbrachte. Zum Ende des Jahres 2027 könnten die städtischen Schulden von momentan rund 17,5 Millionen Euro auf etwa 69 Millionen Euro angewachsen sein. So schlimm soll es nicht kommen, sagte der OB auf RNZ-Nachfrage, doch es gebe "klare Zeichen, dass die Finanzsituation in den nächsten Jahren schlechter wird".
Die Wirtschaft entwickele sich in Richtung einer klaren Rezession, gleichzeitig sei mit deutlich steigenden Lohnkosten für Verwaltungsmitarbeiter und einer höheren Abgabe an den Landkreis zu rechnen. Als Albrecht von Personalausgaben von 36,7 Millionen Euro pro Jahr sprach, ging ein Raunen durchs Ratsrund. Er machte darauf aufmerksam, dass in jedem weiteren Kindergarten auch weitere Erzieherinnen arbeiten, die bezahlt werden müssen.
Und dass die städtische Verwaltung immer mehr mit zusätzlichen Aufgaben konfrontiert sei. Als Beispiele nannte er auf RNZ-Nachfrage das Standesamt, das immer mehr Kinder anmelden müsse, weil nach der Schließung der Geburtenstation in Mosbach nun viel mehr Babys in Sinsheim zur Welt kommen. Jeder wolle Digitalisierung, aber die wenigsten fragten sich, wer die I-Pads für die Schüler einrichtet. Und: "Die Dokumentationspflicht sprengt mittlerweile jeden Rahmen", sagte der OB.
Wegen der Großprojekte stelle sich der Haushalt zu 99 Prozent von selbst auf, meinte Albrecht. Fünf sind es im Wesentlichen: Die Kraichgau-Realschule, das neue Gerätehaus der Feuerwehr, der Kindergarten in Dühren, die Wingertsbergschule in Reihen sowie die Pfohlhofbrücke. "Keines davon duldete Aufschub", ist der OB überzeigt.
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Über die Sanierung der Realschule sei beinahe schon seit Generationen gesprochen worden. Die Arbeiten sind in vollem Gange, nach den Sommerferien sollen die Schüler nicht mehr in den Containern, sondern im umgestalteten Gebäude lernen. 8,2 Millionen Euro sind dafür im kommenden Jahr eingeplant.
Auch bei der Pfohlhofbrücke in Steinsfurt sind die Arbeiter voll dabei (siehe Artikel links). "Wir hätten die Brücke sonst sperren müssen", erklärt Albrecht. Die rund drei Millionen Euro, die der Neubau kostet, bezahlt fast gänzlich die Bahn, was die Verantwortlichen der Stadtverwaltung freut. Allerdings muss die Stadt das Geld vorstrecken, was den Haushalt belaste, berichtet der OB.
Schon recht weit sind die Arbeiten für den neuen Kindergarten in Dühren. Als Bruchbude bezeichnet Albrecht den alten Kindergarten, und man stehe bezüglich der Betreuungsplätze mit dem Rücken zur Wand. Im Herbst soll der Neubau mit fünf Gruppen fertig sein. 5,5 Millionen Euro stehen dafür im Haushalt für das kommende Jahr.
Für das neue Gerätehaus der Feuerwehr sei die Verwaltung in der Endphase der Planung. Nach dem Abriss der früheren Autobahnmeisterei ist es auf dem Gelände am Stadtrand momentan recht ruhig. Mit dem Beginn der Bauarbeiten rechnet der OB im ersten Halbjahr 2024. 3,1 Millionen Euro sind im nächsten Jahr dafür eingeplant. Für den Neubau sei es höchste Zeit, die Bedingungen im bisherigen Gerätehaus nennt Albrecht "eine Katastrophe".
Bei der Sanierung der Wingertsbergschule in Reihen "starten wir im nächsten Jahr richtig durch", sagt der OB auf Nachfrage. Rund zwei Millionen Euro stehen dafür 2024 im Haushalt.
Was die Einnahmen anbelangt, rechnet die Kämmerei unter anderem mit rund 25,2 Millionen Euro Gewerbesteuer, etwa 23 Millionen Euro Einkommenssteuer sowie 29,2 Millionen Euro Schlüsselzuweisungen. Prognostizierte Erträge und Ausgaben von jeweils rund 117 Millionen Euro halten sich die Waage, was aber an einer geplanten Kreditaufnahme von 8,7 Millionen Euro liegt.
Für Unbehagen sorgt der Blick auf das Jahr 2025: Dort steht in der Präsentation eine geplante Kreditaufnahme von mehr als 33 Millionen Euro. "Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass das nicht passiert", sagte Albrecht auf RNZ-Nachfrage dazu. "Wir werden uns Gedanken machen müssen über Einsparungen."
Ein positiver Aspekt: Laut OB sind für das kommende Jahr weder Gebühren- noch Steuererhöhungen geplant.




