Florian Hägele fällt Bäume so schnell wie kaum ein anderer
Der Schöntaler tritt am Wochenende im Nachwuchsbereich der Deutschen Meisterschaften im Sportholzfällen an.

Von Elisabeth Englert
Schöntal/Widdern. Nie und nimmer hätte ich das gefunden, denke ich, als wir das dritte Mal die Richtung gewechselt haben, nachdem wir von der Landstraße auf Feldwege abgebogen sind. Zum Glück habe ich mich mit meinem Gesprächspartner in Widderns Ortsmitte verabredet.
Wir fahren inzwischen Richtung Wald, der nach ein paar Metern den Blick frei gibt auf unzählige kurze und lange Baumstämme, Haufen voller Späne und Spreißel, fest fixierte Stämme mit waagerechten Kerben, die an Marterpfahle erinnern, Stapel von Baumscheiben, einen großzügigen Unterstand mit Bank und Ablage – alles gut geschützt vom kuppelförmigen Blätterdach. Es ist sattgrün, die bunte Laubfärbung des Herbstes hat noch nicht eingesetzt. Der Waldboden ist weich, nicht nur die Schritte, auch die Geräusche der nahen A81 werden gedämpft. Wir sind mitten in der Natur.

Und das ist es, was Florian Hägele liebt: den Wald, die frische Luft und die Betätigung in beidem. Während seiner Auslandssemester in Bangkok sowie in Jordaniens Hauptstadt Amman vermisste der Wirtschaftsingenieur die heimatliche Flora, insbesondere die Bäume und den Wald. "Damit hat alles angefangen", erinnert sich der aus Schöntals Ortsteil Berlichingen stammende Sportholzfäller. Er sei schon immer sportbegeistert gewesen, habe Kraft- sowie Ausdauersport betrieben und sei den ein oder anderen Marathon gelaufen.
Das Sportholzfällen vereine beides: die sportliche Betätigung draußen in der freien Natur. Zudem passe dies auch von Haus aus gut zu ihm, da er, aufgewachsen auf einem landwirtschaftlichen Betrieb, von klein auf Berührung mit Feld- und Gartenarbeit sowie den dazugehörigen Gerätschaften hatte.
Wer nun unter Sportholzfällen wahlloses auf Stämmen rumhacken oder Bäume fällen vermutet, liege jedoch falsch. Vielmehr handle es sich bei den Stihl Timbersports um einen internationalen Wettbewerb, der seinen Ursprung in den Wäldern Neuseelands fand und über Australien, Kanada sowie die USA nach Europa schwappte. Angelehnt an die Tätigkeiten der Forstarbeiter entwickelten sich sechs Disziplinen, in denen sich die Teilnehmer mit Axt und Säge messen und deren zwei das sympathische Nachwuchstalent der staunenden Berichterstatterin präsentierte.
Bevor er den ersten Schlag setze, müsse er die "Variable Holz", meist Pappel oder Weymouths-Kiefer, "lesen." "Wie ist’s gewachsen, wo sind Äste, wie viele Jahresringe hat es?", erklärt er, als er das vor ihm liegende, fest im Boden verankerte, geschälte Stammstück befühlt und genaustens in Augenschein nimmt.
Beim "Underhand Chop", der Historie des Extremsports geschuldet, komme die Fachterminologie aus dem Englischen, müsse der Athlet auf dem Stamm stehend, diesen von beiden Seiten möglichst schnell mit der Axt spalten. Dies simuliere das Zerteilen eines gefällten Baumes und erfordere Geschicklichkeit, Balance, Kraft und Präzision. Angesichts der nur fünf Zentimeter neben den Füßen sich ins Holz bohrenden Klinge, scheint Präzision unabdingbare Voraussetzung zu sein, um dies unbeschadet zu überstehen.
Nicht nur der Puls des Jagsttälers, auch der Zuschauerin schnellt nach oben, allerdings nicht aufgrund der Anstrengung. Die Kettenstrümpfe als Schutz beruhigen sie angesichts der raschen Aufeinanderfolge der kraftvollen Axthiebe nur marginal. Überdies verbreitet die mächtige, leicht geschwungene Schneide etwas Martialisches und lässt Holzspreißel, Chips im Fachjargon, nur so fliegen.
Innerhalb kürzester Zeit fällt das Holzstück in zwei Teile, und Hägele samt drei Kilogramm schwerer Axt kommen in beherztem Sprung schwer atmend, aber strahlend auf dem Waldboden auf. Zum (Bau-)Klötze staunen!
Auch das Fällen eines Baumes, der "Standing Block Chop", nach alter Väter Sitte mit der Axt, gehöre zu den Wettkampfdisziplinen. Raumgreifend, in rascher Abfolge holt er aus, um den vertikal fixierten Stamm zu fällen, selbstverständlich nicht ohne ihn zuvor gründlich zu "lesen".
Doch wie gelingt es mit dem natürlichen Werkstoff Holz, gleichwertige Wettkampfbedingungen zu schaffen? Baumart, Stammdurchmesser, Länge seien stets gleich. Zudem werde jedes Stück "geröntgt", ob nicht im Innern Astanlagen schlummerten, die dem Sportler das Leben erschwerten. "Es gibt viele Stellschrauben, an denen man drehen kann", verdeutlicht der ambitionierte 24-Jährige und verweist auf Körper, Technik und Material. Nicht jede Axt passe zu jedem Holz. Mit der messerscharfen Schneide könne man sich rein theoretisch rasieren.
Auf seinen nächsten Wettbewerb, die Deutsche Meisterschaft der Stihl Timbersports in Essen, wo er im Nachwuchsbereich debütiere, freue er sich schon riesig. Neben den zwei demonstrierten Disziplinen trete er zudem mit "Stock Saw" und "Single Buck" in zwei Sägedisziplinen an, sowohl mit der Handzugsäge als auch einer besonders leistungsstarken Motorsäge, die es in Perfektion zu beherrschen gelte.
Als Sportholzfäller bewege man sich in einer Nischensportart, wodurch die Akteure eine Familienzugehörigkeit empfänden. "Es ist sehr fair, man berät einander, kämpft gegeneinander und trinkt hinterher ein Bier."
Dankbar sei er den "Holzfällerfreunden Widdern" für die Nutzung deren Trainingsplatzes. Denn mehrmals wöchentlich übe er "am Holz", dazu komme natürlich noch Kraftsport. Gelegentlich besuche man auch Feste oder Firmenveranstaltungen und biete Aufführungen, um diesen doch relativ unbekannten Extremsport, der sich bestens als "Showsport" eigne, der breiten Öffentlichkeit vorzuführen.
Für die anstehenden Meisterschaften wünsche er sich ein gutes Ergebnis im Nachwuchsbereich, um auch an internationalen Wettbewerben teilzunehmen.
Gut, dass das Training kein Zwang, vielmehr Leidenschaft für ihn ist. Denn hier könne er nach einem stressigen Arbeitstag im Büro abschalten und sich erden. Bei all der intensiven Vorbereitung kann auch ein bisschen Aberglaube nicht schaden – also dreimal auf Holz klopfen und viel Erfolg bei den "Deutschen."
Info: www.stihl-timbersports.com - Die Deutschen Meisterschaften finden am Samstag und Sonntag, 1. Oktober, in Essen statt und können per Livestream verfolgt werden.