Sandmagerrasen dient als Refugium für Tier- und Pflanzenarten
Gewollte Wildnis: Die als "Große Weite" bekannte Fläche auf dem Spinelli-Areal ist ein Paradies für Haubenlerchen, Rebhühner und Turmfalken.

Von Manfred Ofer
Mannheim. Manchmal sind Dinge nicht das, was sie scheinen. Damit kann auch die Bundesgartenschau aufwarten. Im Brennpunkt stand zuletzt die als "Große Weite" bekannte Fläche auf dem Spinelli-Areal, die zum Klimapark gehört. Nun gibt es immer wieder Stimmen, die an dem Gelände Anstoß nehmen. Anstatt schicke Pavillons, gepflegten Rasen und Platanen findet man dort scheinbar nichts. Doch hinter der Fassade wartet ein ganz besonderer Schatz darauf, von den Gästen entdeckt zu werden.
Auf den ersten Blick könnte man vielleicht denken, dass den Verantwortlichen der Buga ein Lapsus unterlaufen ist. Die "Große Weite", wie das Gelände zur Linken des Haupteingangs heißt, trägt ihren Namen mit Recht. Manchen Besuchern erscheint sie als eine karge sandige Fläche. Mit einem wilden Bewuchs aus Hecken und Büschen. Es ist etwas anderes als das, was sich auf der anderen Seite der langen Allee abspielt, die das Spinelli-Areal teilt – dort, wo die schönen Blumen sind.
"Der Klimapark hat eine ganze Menge zu bieten", hält Miriam Rausch solchen Stimmen entgegen, mit denen die Projektmanagerin für Natur- und Artenschutz der Buga öfter zu tun hat. Gleichwohl seien die, wie sie meint, eine Minderheit im Chor der vielen Tausend Gäste, die man täglich willkommen heißt. Um Aufklärung zu betreiben, geht Rausch zunächst auf die Geschichte von Spinelli ein. Die Konversionsfläche war bis 2011 ein Militärgelände der US-Armee, bevor sie in den Besitz der Stadt Mannheim überging. In den folgenden sieben Jahren lag das meiste davon brach.
"Die Natur hat sich das Gelände Stück für Stück zurückgeholt", geht sie auf die Entwicklung ein. Auf der "Großen Weide" hätten schon vor den Umbauten für die Buga zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, darunter auch geschützte Spezies, einen Lebensraum gefunden. Dieser sei in den letzten Jahren noch deutlich ausgeweitet worden. Auf dem entsiegelten Areal bildet sich ein neues Rückzugsgebiet heraus. "Da sprechen wir von Vögeln, Reptilien, Schmetterlingen und Bienen", beschreibt Miriam Rausch die hohe Biodiversität. Dazu zählen demnach auch Pflanzen, die oft abschätzig als Unkraut bezeichnet werden. Doch gerade solchen "Beikräuter" falle bei der Entstehung eines naturbelassenen Ökosystems eine Schlüsselrolle zu, wie sie deutlich macht.
"Wild wachsende Kräuter wie Schafgarbe, Kamille, Hagebutte und wilde Möhren sind als Nahrungsquellen und Habitate für viele geschützte Tierarten geeignet", sagt sie. Demnach leben allein mehr als 140 Wildbienensorten auf der von manchen Betrachtern als brach empfundenen Fläche.
Dieser Eindruck kommt vor allem aufgrund des Sandmagerrasens auf, den man auf dem weitläufigen Areal ausgebracht hat. Doch eine biologische Faustformel besagt: Je magerer der Boden, desto größer ist die Artenvielfalt. Insekten, die sich hier vermehren, dienen der heimischen Vogelwelt als Nahrung. Es ist ein Paradies für Haubenlerchen, Rebhühner und Turmfalken. So entsteht ein Kreislauf, von dem am Ende auch der Mensch profitiert. Denn die Grundlagen für Marmeladen, Honig und andere leckere Produkte, die wir zu schätzen wissen, gehen auf solche Wildpflanzen zurück.
Ein Bewusstsein für die Vorteile von Biodiversität in Zeiten des Klimawandels zu erzeugen, ist laut Miriam Rausch ein wichtiges Ziel, dem sich die Verantwortlichen der Buga verpflichtet fühlen. Die Renaturierung schreitet demnach voran und werde es auch noch nach dem Ende der Bundesgartenschau tun. Was kritische Rückmeldungen angeht, sei sie sogar eher überrascht darüber gewesen, dass es im Vergleich zu den anderen Stimmen so wenige seien.
"Da hätte ich doch mit mehr Gegenwind gerechnet", sagt sie. Die meisten Besucher, von denen sie und Mitarbeiter der Bundesgartenschau angesprochen würden, seien eher neugierig und daran interessiert, dass man ihnen das vorliegende Konzept erklärt. Viele wüssten sogar schon, was es damit auf sich hat, weil sie sich privat oder beruflich damit befasst hätten.
"Die Fläche lädt Besucher dazu ein, innezuhalten und den Kreislauf der Natur in Ruhe auf sich wirken zu lassen", erzählt Miriam Rausch. Wenn sie darob einen Wunsch frei hätte, bemerkt sie mit einem Lächeln, wäre das der, dass der Mensch verstehen würde, dass nicht alles auf der Bundesgartenschau ausnahmslos für ihn gemacht sei. "Hier stehen die Belange vieler Lebewesen im Fokus, und wir Menschen sind ein Teil davon". Entlang der Flächen befinden sich Info-Tafeln und Stelen, auf denen über das Konzept aufgeklärt wird.
Und natürlich seien an den Info-Punkten auch Mitarbeiter, leicht zu erkennen an ihren Buga-Jacken, anzutreffen, die gerne weiterhelfen würden. Sie selbst sei über die offizielle Veranstalter-Adresse info@buga23.de zu erreichen. "Wir bemühen uns, alle E-Mails zu beantworten", verspricht sie.



