Leimen wirbt noch mehr Spanier an
Zweiter Anlauf mit Erziehern aus dem Ausland. Die erste Delegation soll gehalten werden.

Leimen. (lesa) Seit Monatsbeginn sind sie da: Zwölf Erzieher aus Spanien, die helfen sollen, den akuten Personalnotstand in den städtischen Kitas zu bewältigen (s. weiterer Artikel). "Es hat sich sehr sehr gut angelassen, ich höre nur das Allerbeste", betonte Hans D. Reinwald. Es waren positive Worte des OB zu einer alles andere als positiven Lage: "Die Situation in den Kindergärten ist dramatisch", sagte er denn auch in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats. Betreuungszeiten könnten nicht aufrechterhalten werden, die Personalfluktuation sei groß, der Markt an Fachkräften quasi leer gefegt. Deshalb hatte die Stadtverwaltung einst in einem ungewöhnlichen Schritt eine Firma eingeschaltet, die in Spanien Erzieher anwirbt. Und das soll sie auch weiter tun, wenn es nach Stadtverwaltung und Gemeinderat geht.
"Damals haben wir uns entschieden, mit der Firma Apontis Kontakt aufzunehmen", sagte Reinwald. Die Zusammenarbeit klappe gut. "Die Situation in den Kitas wird sich aber nicht bessern, deshalb empfehlen wir, auch in Zukunft weitere zehn Kräfte anzuwerben." Aktuell kämpft die Stadt mit Problemen im Betreuungsbereich: eine nicht geöffnete Gruppe in Gauangelloch, eine nur als Kleingruppe geführte Gruppe dort, zwei geschlossene Gruppen im Ludwig-Uhland-Haus sowie die Reduktion der Ganztagsbetreuung. Außerdem die "Zurückstellung" der eigentlich nötigen Ausweitung der Ganztagesbetreuung und der gemäß Sitzungsunterlage "faktisch nicht mit Personal versehene Springkraftpool, der für das Auffangen der allfälligen Krankheitsvertretungserfordernisse und andere Ausfälle vorgesehen ist". Daher bat er den Gemeinderat um grünes Licht für zweierlei: Der nochmalige Auftrag an die Firma mit der Anwerbung von zehn spanischen Fachkräften – und das dafür notwendige Bereitstellen von 91.200 Euro im Haushalt des kommenden Jahres. "Es sind Kosten, aber der Schaden, der entsteht, wenn wir Kinder nicht aufnehmen können, ist um ein Vielfaches größer", so der OB.
Hintergrund
> Die zwölf spanischen Erzieher waren bereits zu einwöchigen Hospitationen in den städtischen Kinderbetreuungseinrichtungen, während derer sie ihren späteren Arbeitsplätzen bereits zugeteilt wurden. Auch Unterkünfte wurden vermittelt. Ab Anfang März sollen alle einen
> Die zwölf spanischen Erzieher waren bereits zu einwöchigen Hospitationen in den städtischen Kinderbetreuungseinrichtungen, während derer sie ihren späteren Arbeitsplätzen bereits zugeteilt wurden. Auch Unterkünfte wurden vermittelt. Ab Anfang März sollen alle einen einjährigen "Anpassungslehrgang" beginnen und nach dessen Abschluss in den Leimener Kitas arbeiten. Die beauftragte Personalvermittlung wirbt derweil in Spanien Bewerber an, die unter 29 Jahren alt und EU-Staatsbürger sind und bereits einen spanischen Berufsabschluss haben, der dem "deutschen Referenzberuf Erzieher sehr nahekommt". Voraussetzung ist die Bereitschaft, länger in Deutschland zu leben und zu arbeiten, "intensiv" Deutsch zu lernen und "Anpassungsmaßnahmen zu absolvieren". Zudem wird die Fähigkeit, auf individuelle Bedürfnisse der Kinder einzugehen gefordert, ebenso wie Erfahrung mit Kindern von sechs Monaten bis sechs Jahren, Verantwortungsbewusstsein und Entscheidungsstärke sowie Aufgeschlossenheit gegenüber anderen Kulturen. lesa
Ursula Baumann (SPD) hielt den Vorschlag zwar für gut, hob aber trotzdem den verbalen Zeigefinger: "Wir gehen davon aus, dass die Verwaltung weiterhin alles tun wird, um auf konventionellem Weg deutsche Kräfte zu finden", sagte sie für ihre Fraktion. Richard Baders Einwurf hatte derweil noch eine andere Stoßrichtung: "Wie lange werden sie bleiben?", fragte er angesichts des Heimweh-Risikos der jungen Spanier. Er hoffe, dass die Erzieher längerfristig bleiben. Zu dem Vorstoß der Verwaltung sagte er: "Bevor wir schließen müssen, gehen wir lieber diesen Weg." Beistand erhielt er von Ralf Frühwirt (GALL): "Wir denken, dass die Stadt sich gerade im ersten Jahr mehr um die Leute bemühen muss als um normale Arbeitnehmer." Er wollte wissen, was die Stadt tue, "damit die Leute länger bleiben". "Wir haben schließlich auch für die Firma viel Geld bezahlt, das soll nicht in einem halben Jahr perdu sein."
Reinwald betonte, dass der Stadt bewusst sei, dass es eine "Heimwehquote" gebe. "Wir sind sehr versucht uns zu bemühen, es ihnen so angenehm wie möglich zu machen." Man habe bei der Wohnungsvermittlung ebenso wie auf Amtsgängen geholfen, zudem wohne eine Mentorin in Nußloch, die Spanisch spreche und den Erziehern helfe.
Anne Gudat von Apontis berichtete derweil, dass die Mentorin schaue, dass die Neuankömmlinge im Alltag gut zurechtkommen. Das betreffe auch den Anschluss außerhalb des Arbeitslebens, etwa in Form von Hobbys. Bisher lasse sich alles gut an, auch dank des Engagements der Kita-Leitungen und einer großen spanischsprachigen Community im nahen Heidelberg. Für eine zweite Anwerberunde sieht sie sogar noch bessere Chancen: "Die nächste Gruppe hat den Vorteil, dass hier zwölf Spanier sind, die das gleiche durchgemacht haben." Über die bereits Angeworbenen sagt sie außerdem: "Die haben vor, noch lange hier zu bleiben, weil die Arbeitssituation sich in Spanien nicht gebessert hat und die Arbeit in deutschen Kitas besser ist als das festgesteckte spanische System."
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Alexander Hahn (FDP) betonte den Bedarf an "kreativen Lösungen" um der Personalnot Herr zu werden. Er wünschte sich, dass der Gemeinderat weiter über die Lage der Spanier informiert wird. "Wir wollen sie so lange wie möglich halten", betonte er und ergänzte: "Wir müssen aber die Situation in den Kindergärten im Blick behalten. Diese habe möglicherweise auch individuelle Ursachen. "Da müssen wir hinschauen und entsprechend handeln."
Den Deckel drauf machte Mathias Kurz (FWV): Er hoffte im Sinne der nicht an Kälte gewöhnten Arbeitskräfte auf einen warmen Sommer und betonte: "Es geht um die Kinder und Leimens Zukunft. Das ist das Wertvollste, was wir haben."
Der Gemeinderat stimmte unisono für einen erneuten Auftrag an Apontis, zehn pädagogische Fachkräfte aus Spanien anzuwerben – und die entsprechenden Mittel dafür bereitzustellen. Dies gilt derweil nur für die kommunalen Einrichtungen. Ausweislich der Sitzungsunterlage wurde den kirchlichen Trägern die Vorgehensweise der Stadt nahegelegt.
Update: Montag, 11. März 2024, 20.40 Uhr
Leimens Kindergärten bekommen Hilfe aus Spanien
Begrüßung an neuer Wirkungsstätte: Zehn angehende Erzieher aus Barcelona arbeiten nun in Leimen.
Leimen. (lesa) Buchstäblich jedes Kind – und dessen Eltern – kennen die Eingewöhnungszeit in Kita und Kindergarten. Derzeit findet in den Leimener Kinderbetreuungseinrichtungen aber eine ganz besondere "Eingewöhnung" statt – nämlich für neun Erzieherinnen und einen Erzieher. Diese sind aus dem spanischen Barcelona eingeflogen – und sollen künftig "helfen, die angespannte Personalsituation" in den Leimener Kindergärten zu "entschärfen", wie die Stadtverwaltung nun mitteilte.
Vor einigen Tagen traf die Delegation aus Südeuropa ein und wurde von Oberbürgermeister Hans D. Reinwald im Rahmen eines kleinen Empfangs im Spiegelsaal des Rathauses begrüßt – und das auf Spanisch. Von einer "Win-Win-Situation" spricht Stadtsprecher Michael Ullrich im Gespräch mit der RNZ zum Einsatz der Spanierinnen und des Spaniers in den städtischen Kindergärten: In dem südeuropäischen Staat herrscht eine hohe Jugendarbeitslosigkeit, während in Deutschland bekanntlich händeringend Fachkräfte aller Art gesucht werden – so auch im Bereich der Kinderbetreuung.
Dass nun die angehenden Erzieherinnen und der Erzieher aus der katalanischen Metropole in Leimen anpacken, ist wiederum schwäbischer Unterstützung zu verdanken: "Eine Firma aus Stuttgart, eine europäische Arbeitsvermittlung, hat uns das Angebot gemacht", so Ullrich.
Der Gemeinderat gab grünes Licht, die Stadt sagte zu und die Vermittler machten sich auf die Suche. Zehn Frauen und Männer kristallisierten sich heraus und durchliefen noch in ihrem Heimatland ein Programm, zu dem auch Deutschunterricht zählte.
Dieser fruchtete wohl: "Sie sprechen gut Deutsch", lobte Stadtsprecher Ullrich die "netten Leute", die nun in den städtischen Betreuungseinrichtungen in ihre neuen Arbeitsstellen "reinschnuppern" sollen. Bis Weihnachten sollen die "so gut wie" ausgelernten Erzieher bleiben, um einen Eindruck zu gewinnen und dann nach einem weiteren Aufenthalt in ihrem Heimatland laut Ullrich im März in den Kitas eingesetzt werden. Dann dürfte zumindest auch ein Faktor freundlicher für spanische Fachkräfte sein: das Leimener Wetter. Das macht den angehenden Erziehern aktuell noch zu schaffen, wie Ullrich schmunzelnd berichtete.
Update: Freitag, 8. Dezember 2023, 21.25 Uhr
Werbeaktion soll spanische Erzieherinnen nach Leimen locken
Weil es an Personal mangelt, stehen derzeit die Kita-Räume leer. Studenten und Azubis lindern noch die größte Not. Nun versucht die Stadt Fachkräfte aus Spanien anzuwerben.
Von Thomas Frenzel
Leimen. Bei der Kinderbetreuung steht die Stadt mit dem Rücken zur Wand. Auf dem Papier verfügen die städtischen Einrichtungen über 92 Stellen, doch davon sind über zehn Prozent nicht besetzt. Krankstände oder Elternzeit können nicht ausgeglichen werden. Wechsel in den Ruhestand oder zu anderen Arbeitgebern sorgen für weitere Verschärfung.
Oberbürgermeister Hans D. Reinwald sprach bei der zurückliegenden Ratsversammlung von einer "dramatischen Situation für Kinder und Eltern". Zum Retter in dieser Not soll nun der Personaldienstleister Apontis werden. Für viel Geld, so der einhellige Beschluss, soll die Stuttgarter GmbH für Leimen in Spanien zehn Fachkräfte anwerben.
Alles bisherige Gegensteuern konnte den massiven Fachkräftemangel nur ansatzweise abmildern. Aus der Sitzungsvorlage zitierte der OB die über 20 Auszubildenden, die regelmäßig herangezogen werden. Er nannte hauswirtschaftliches Personal, das die pädagogischen Kräfte entlasten soll.

Eine Kooperation mit der Pädagogischen Hochschule Heidelberg mündete bislang in zwei studentische Werkverträge. "Eher ein Notnagel", so umschrieb Peter Hildenbrand von der Schul- und Kindergartenverwaltung diese Realität.
Diese Wirklichkeit hat bittere Folgen, wie die gemeinderätliche Diskussion offenbarte. Die Verlässlichkeit der Kinderbetreuung wird in Frage gestellt, räumte der OB ein. Für teures Geld gebaute Gruppenräume stehen auch in Gauangelloch leer oder werden nur in verminderter Gruppenstärke genutzt. Einschränkungen gab es auch schon bei den Öffnungszeiten – und dies alles bei steigender Nachfrage.
Hilfe soll von der Apontis GmbH kommen, die dem Bildungswerk der Baden-Württembergischen Wirtschaft angeschlossen ist. Sie soll in Katalonien spanische Fachkräfte anwerben. Zehn an der Zahl für knapp 71.000 Euro. Weitere 42.000 Euro für dieses Vermittlungsprojekt gibt es als Zuschüsse von der Europäischen Union und von der spanischen Handelskammer für die Deutschkurse, die von den Rekrutierten in Spanien zu absolvieren sind.
Wenn alles klappt wie geplant, so die Sitzungsunterlage, könnten die ersten Erziehungskräfte nach neun Monaten in Leimen eintreffen. Hier steht das erste Praxisjahr dann noch ganz im Zeichen eines vergüteten Lehrgangs: Die spanischen Bildungsabschlüsse müssen an die baden-württembergischen angeglichen werden.
Herausfordernd wird dies für alle Beteiligten, war sich OB Reinwald sicher. Die Stadt werde bei der Wohnungssuche unterstützten. Interkulturelle Workshops sollen die Kinderhäuser auf ihre neuen Mitarbeiter vorbereiten, damit sich diese in Leimen wohlfühlen: Heimweh führe immer wieder zu Abbrüchen, so der OB, wobei Apontis sich dann um Ersatz bemühe.
Das von Ralf Frühwirt (GALL) angesprochene Risiko, wonach angeworbene Kräfte "nach einem halben Jahr nach Heidelberg gehen", bestehe letztendlich "schon heute". Nathalie Müller (CDU) bezeichnete später eine Fluktuation von nahezu 20 Prozent als "eher normal".
Reinwald beäugte die Anwerbeaktion denn auch realistisch: Sie sei "ein wichtiger Strohhalm" - und Leimen brauche jeden Strohhalm, ergänzte Klaus Feuchter (FDP). Richard Bader (CDU), Mathias Kurz (FW) und Lisa-Marie Werner (SPD) sahen "eine der wenigen Chancen", um dem hiesigen Fachkräftemangel zu begegnen.



