Windkraft in Eberbach

Wäre die Hebert-Verpachtung ein Fehler?

Rainer Olbert stellt den Sinn der vom Gemeinderat angedachten Hebert-Verpachtung infrage.

23.11.2022 UPDATE: 23.11.2022 06:00 Uhr 4 Minuten, 25 Sekunden
Solche Windräder sollen sich bald auch auf dem Hebert drehen. Über das Für und Wider haben die Gemeinderäte und Rainer Olbert unterschiedliche Ansichten. Foto: pa
Interview
Interview
Rainer Olbert
Imker und Maschinenbau-Ingenieur

Von Moritz Bayer

Eberbach. Am Donnerstag soll der Gemeinderat beschließen, dass die Fläche auf dem Hebert für 1,5 Millionen Euro Jahrespacht an die Firma BayWa verpachtet werden kann. Rainer Olbert hält den möglichen Entscheid für falsch.

Olbert ist nicht nur Imker, sondern beschäftigt sich seit 30 Jahren mit dem Thema Windkraft. Er besuchte Vorträge, Fachmessen und Schulungen. Des Weiteren ist er selbst Kommanditist bei mehreren Windparks. Der studierte Maschinenbau-Ingenieur behauptet, sich in Folge besser mit der Thematik auszukennen als die Summe der gewählten Bürgervertreter. Er betont aber, dass es ihm weder um Rechthaberei ginge, noch, dass persönliche Angelegenheiten eine Rolle spielten. Mit sämtlichen Stadträten sowie dem Bürgermeister habe er ein gutes Verhältnis. Es ginge ihm um die von ihm empfundene Pflicht, die Bürger vor möglichem Schaden zu bewahren. Wir haben uns mit ihm unterhalten.

Herr Olbert, Sie sind – im Gegensatz zur wahrscheinlichen Mehrheit im Gemeinderat, strikt gegen den Beschluss, die Fläche auf dem Hebert für 1,5 Millionen Euro jährlich an dir Firma BayWa zu verpachten. Können Sie grob umreißen, wieso?

Eine Verpachtung für 25 Jahre wäre zum gegenwärtigen Zeitpunkt in meinen Augen in höchstem Maße geschäftsschädigend für die Bürger - der Anfang vom Ende einer echten Bürgerenergiewende. Der Ukrainekonflikt hat die Schwächen des veralteten zentralen Energiesystems klar vor Augen geführt. Ein Anschlag auf ein zentrales System kann ein ganzes Land lahmlegen. Die Energiewende kann nur gelingen, wenn wir vor Ort in Kurz- und Langzeitspeichern Energie managen und an die Kunden verteilen. Wir brauchen autonome Quartierlösungen, die im Notfall die eigene Stromversorgung schützen, aber im Regelfall wettbewerbsfähig über das vorhandene Stromnetz mit anderen Verbrauchern handeln kann. Das geplante Eberbacher Modell würde der alten Energiewirtschaft folgen.

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Gerade die Summe von 1,5 Millionen Euro steht Ihrer Meinung nach in einem schlechten Verhältnis zu den aktuellen Energiepreisen. Würde eine Nachbesserung an den Zahlen das beheben können und falls ja, in welcher Größenordnung?

Wären die geplanten fünf Anlagen am 1. Januar ans Netz gegangen, hätten sie dem Investor Stand heute schon über 15 Millionen Euro in die Kasse gespielt und das bei lediglich 1,5 Mio. Pacht und rund 3 Millionen sonstigen Betriebskosten. Keine Geschäftsführung in der freien Wirtschaft könnte sich eine derartige Handlungsweise erlauben. Die "Geschäftsführung" der 15.000 Eberbacher Bürger hat jedoch in einer Informationsveranstaltung aufgefordert, diesem Geschäftsmodell zuzustimmen.

Für die Bürger kommt es noch schlimmer, da der Strom vom Hebert nicht direkt an die Haushalte, sondern an die Börse geht und dort versteigert wird. Gemäß den Strompreisen für 2023 müssten die Bürger im nächsten Jahr für den Strom vom Hebert inklusive aller Steuern und Abgaben bereits für über 40 Millionen von der Börse zurückkaufen. Man hätte den Eberbacher Wählern die ganze Wahrheit über die Konsequenzen einer Verpachtung vor dem Bürgerentscheid sagen müssen, anstatt lediglich die 1,5 Mio. Euro Pacht und die 3 bis 4 Prozent Kapitalrendite zu erwähnen.

Während der Laufzeit von 25 Jahren prognostiziere ich 1,5 bis 2 Milliarden Euro Stromkosten für die Bürger – für den Strom vom Hebert, der während der gesamten Laufzeit für weniger als 5 Cent pro Kilowattstunde hergestellt werden kann. Den Kosten stehen dann 37,5 Millionen Pachteinnahmen in der Stadtkasse gegenüber. An dieser Situation ändert sich nichts Wesentliches, wenn die Stadt beispielsweise 49 Prozent der Anteile kaufen könnte, denn der Betreiber bleibt der gleiche Investor.

Sie kritisieren nicht nur, sondern haben auch eigene Vorschläge an die Stadtverwaltung gerichtet. Wann und welche?

2015 gab es eine Bürgerbefragung zum Thema Windkraft auf dem Hebert. Hier wurde das klare Votum der Bürger missachtet, denn über 2.000 Wähler bekundeten ihr Interesse an einem finanziellen Engagement. Zum Vergleich: Der jüngste "Windpark Größer Wald" bei Buchen - vergleichbar mit dem Projekt auf dem Hebert - wird von weniger als 300 überwiegend lokalen Privatpersonen finanziell gestemmt.

Anstatt im zweiten Schritt aktiv auf die Bürger zuzugehen, die ihr Interesse an einem finanziellen Engagement bekundeten, wurde bei einer Mainzer Firma für 30.000 Euro ein "Interessenbekundungsverfahren" in Auftrag gegeben. Die Mainzer Unterlagen sind bis heute für gewöhnliche Bürger Verschlusssache. So viel zum Thema Transparenz. Ich habe schon mehrfach den Eberbacher Gemeinderat nach Buchen eingeladen, um sich im Rahmen einer Gesellschafter-Versammlung ein Bild zu machen, wie Windkraftnutzung in Bürgerhand funktioniert. Leider erfolglos, so gehen die realen Gewinne aus dem Wind an den Bürgern vorbei.

Können Sie Beispiele anderer Städte / Kommunen nennen, die es beim Thema Energieversorgung in Ihren Augen besser gemacht haben?

Es gibt mittlerweile Dutzende sogenannter Energiekommunen in Deutschland, die ihre Energie auf der eigenen Fläche in Eigenverantwortung produzieren. Stellvertretend möchte ich hier Wildpoldsried nennen, das acht Mal so viel Strom auf der eigenen Gemarkung produziert, wie es selbst verbraucht. Der Überschuss wird an andere Stadtwerke verkauft. Gemeinde und Bürger teilen sich die Gewinne. Der Bürgermeister von Wildpoldsried, Initiator und begeisterter Windmüller, war schon mindestens zwei Mal auf einer Vortragsreihe im Rhein-Neckar-Kreis. Dort hätte die Eberbacher "Geschäftsführung" lernen können, wie man die Bürgerenergiewende erfolgreich realisiert. Die Verzinsung der privaten Geldanlagen in regenerative Energien lag in Wildpoldsried im Jahr 2022 über 30 Prozent. Und ich kann heute schon versichern, dass die Betriebsergebnisse im nächsten Jahr noch deutlich besser werden. In der Broschüre des Eberbacher Investors wurde den Bürgern eine Geldanlage von 3 bis 4 Prozent angeboten.

Was wünschen Sie sich in Zukunft als Vorgehen der Stadt?

Eberbach hat zehn Jahre im Ausbau regenerativer Energien blockiert, jetzt darf man wegen eines Lockangebotes keinen Schnellschuss machen. Eine Verpachtung ist keine zeitgemäße Lösung mehr für den Eberbacher Energie- und Klimaschutz, sondern der größte anzunehmende Fehler. Wir verpachten ja auch keine Wasserrechte an einen Investor, um für die Bürger das gleiche Wasser in der gleichen Wasserleitung für den zehnfachen Börsenpreis mit Steuern und Abgaben wieder zurückzukaufen. Wenn Wind- oder Solarstrom vorrangig an die Börse gehen, sind es keine "Freiheitsenergien" mehr, wie es Christian Lindner formulierte. Die Bürger werden nicht zu Gewinnern, sondern zu Sklaven der Energiewende. Meine letzte Aufforderung an den Gemeinderat: Verlassen sie nach zehn Jahren endlich den Irrgarten der Eberbacher Energiewende. Nehmen sie das Geschäftsmodell erfolgreicher Energiekommunen oder Bürgerenergie-Gesellschaften als Blaupause. Mit einem Euro in die eigene Windkraftanlage investiert, kann ein Eberbacher Bürger für 25 Jahre lang eine Kilowattstunde Strom für circa 4 Cent nachhaltig seinen eigenen Strom erzeugen. Der Einstieg in die eigene Energieversorgung ist für die Bürger die beste Versicherung in eine sichere Zukunft und das Gelingen der Energiewende.

Die Risiken sind überschaubar: Sonne und Wind gibt es auch in 25 Jahren noch. Der Bedarf wird sich zum Beispiel für Elektromobilität, Wärmepumpen, Digitalisierung, Wasserstofferzeugung verdreifachen – so die Prognosen. Der Strompreis wird auch nicht fallen, sondern steigen, da die Nachfrage nach grünem Strom in den nächsten 20 Jahren deutlich stärker wächst, als der Ausbau hinterherkommt.

Wer das bedenkt, kann sich nur für eine echte Bürgerenergiewende entscheiden. Wer mehr zum Thema wissen möchte, darf gerne seine Fragen an die Redaktion schicken, die sie an mich weiter leitet.

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