TSG Hoffenheim gegen Borussia Dortmund

Operation am offenen Herzen

Wieder kein Sieg: Beim BVB stellt sich die Frage, ob Trainer Terzic wirklich der richtige Chirurg für den hochriskanten Eingriff ist

14.02.2021 UPDATE: 14.02.2021 21:15 Uhr 2 Minuten, 22 Sekunden
Fünf vor zwölf? Auch BVB-Trainer Edin Terzic muss sich hinterfragen. Foto: dpa

Von Daniel Theweleit

Dortmund. Ein Ausdruck tiefer Ratlosigkeit lag im Gesicht von Emre Can, als er mit der Frage konfrontiert wurde, die immer mehr in den Mittelpunkt dieses Dortmunder Fußballwinters drängt. Der Trennung vom reservierten Lucien Favre sowie die Beförderung des herzlichen BVB-Fans Edin Terzic zum Chefcoach führt nicht zum erhofften Erfolg, warum nur? "Das ist eine gute Frage", erwiderte Can also nach der jüngsten Enttäuschung, "wenn das jemand wissen würde hier, dann würden wir die Spiele gewinnen." Tun sie aber nicht. Mit dem 2:2 gegen die TSG Hoffenheim setzte der BVB seine Krisenphase mit einem gut passenden Kapitel fort. "Ich bin sehr enttäuscht", sagte Erling Haaland nach einem Spiel, in dem dem BVB wieder einmal Klarheit, Struktur und Selbstvertrauen gefehlt hatten.

Die Entwicklung ist bedrohlich, denn um einigermaßen glimpflich aus er Pandemie herauszukommen, sind die Dortmunder auf künftige Einnahmen aus der Champions League angewiesen. In diesen Wochen zeigen sich jedoch immer mehr Symptome, die auf einen fortschreitenden Zersetzungsprozess hindeuten. Haalands knappes Statement vom Samstag endete mit einem Satz, der als Hinweis auf ein schwieriger werdendes Klima im Teamgefüge interpretiert werden kann: "Hoffentlich ist jeder andere genauso enttäuscht wie ich", sagte der Stürmer. Das klang, als habe er den Eindruck, einige Kollegen seien weniger hungrig auf Siege. Aber das war nur ein Symptom der Krise.

Marco Reus saß nach zuletzt vielen schwachen Leistungen zunächst nur auf der Bank, und als er nach der Partie gefragt wurde, ob ihm das missfallen habe, erwiderte er offenkundig genervt: "Ich hatte vor dem Spiel mit dem Trainer gesprochen, wir haben eine Englische Woche vor uns, von daher alles gut." Sollte Reus in Sevilla am Mittwoch abermals in der Startelf fehlen, wird es Ärger geben. Eine weitere Baustelle sind Standardsituationen. Es sei "ganz klar abgesprochen, wo jeder seinen Job hat", sagte Terzic und dennoch habe der BVB vor Ihlas Bebous 1:2 eine ganze "Fehlerkette", produziert, zürnte der Trainer. Am augenscheinlichsten war hier das zaghafte Eingreifen des Torhüters Marvin Hitz, der den Ball an den Kopf des Torschützen faustete. Und die Reaktion nach dem Treffer zum 2:2 bot weitere Einblicke ins fragile Innenleben dieses Teams.

Die Hoffenheimer waren frustriert, weil ein verletzter Kollege auf dem Boden lag, und der BVB dennoch weitergespielt hatte. Eine Mannschaft, bei der es läuft, hätte die Aufregung einfach ignoriert, als Lächerlichkeit entlarvt. Hätte gefeiert und Kraft für eine druckvolle Schlussphase gesammelt. Die Dortmunder jedoch ließen sich in mehreren Konfliktherden in Handgreiflichkeiten verwickeln. Die Mannschaft wird immer dünnhäutiger. Denn nach nur einem Sieg in den zurückliegenden sechs Bundesligapartien verfestigt sich der Eindruck, dass Borussia Dortmund nach dem Trainerwechsel eher schlechter geworden ist als besser. Das ist eine frappierende Erkenntnis für die Klubführung, lässt aber auch jenen Teil der Mannschaft, der Favres Entlassung begrüßt hat, schlecht aussehen. Irgendwie bizarr klang daher am Samstagnachmittag die Analyse von Mats Hummels, der sagte er sei "immer noch der Meinung", dass der BVB sich "auf dem Weg der Besserung" befinde.

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Mit dem Trainerwechsel sei der Vorsatz gefasst worden, "einen viel aktiveren, einen aggressiveren Stil" zu entwickeln, erklärte der erfahrene Abwehrspieler. "Aber das sind Dinge, die man sich erarbeiten muss. Bei keinem Trainer der Welt ist nach zwei Wochen alles so wie er sich das vorstellt. Das war bei Jürgen Klopp so, und das ist jetzt auch bei Edin so." Hummels lobte "den Einsatz", den die Mannschaft im Training zeigt, "das ist alles viel besser" und ist "zu einhundert Prozent sicher, dass man das auf dem Platz diese Saison noch sehen wird." Viel Zeit bleibt allerdings nicht. Die grundlegende Umstellung der Spielweise mitten in diesem Winter, in dem es keine Pause gab, gleicht einer Operation am offenen Herzen. Und im Moment deutet jenseits des angeblich deutlich verbesserten Trainingsniveaus wenig darauf hin, dass Terzic der richtige Chirurg für diesen hoch riskanten Eingriff ist.

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