Hoffenheimer Leidenszeit

Ohne Vogt und Co. ein ernüchterndes 1:2 gegen RB Leipzig

Die Verletzungsmisere kommt für die TSG 1899 zur Unzeit

30.09.2018 UPDATE: 01.10.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 21 Sekunden

Zentimeterentscheidung: Ishak Belfodils Kopfball gegen Peter Gulacsi springt von der Unterkante des Querbalkens auf die Linie. Foto: APF

Von Joachim Klaehn

Sinsheim. Es sollen Festspielwochen bei der TSG 1899 Hoffenheim sein, doch die Bilder haben eine andere Aussagekraft. Nach dem ernüchternden 1:2 (0:0) der "Nagelsmänner" gegen RasenBallsport Leipzig humpelte Kapitän Kevin Vogt (Oberschenkelprobleme) im Freizeitlook mit Hut und Eistasche durch die Mixed Zone. "Schönes Wochenende" und "keine Interviews", stammelte die vielleicht wichtigste Figur des Nagelsmannschen Systemfußballs nur.

Auch Ermin Bicakcic (Wade) und Havard Nordtveit (Oberschenkel) hatte es vor dem Anpfiff kurzfristig erwischt. Die durchgeführten Tests am Samstagmorgen verliefen in allen drei Fällen negativ - und so konnte der Kraichgauklub lediglich die zweite Garde in der Abwehrkette aufbieten, zumal Benjamin Hübner und Kasim Adams Nuhu ohnehin schon länger nicht dabei sind.

Hintergrund

Einzelkritik

Baumann: Schuldlos, machtlos. Gute Paraden, besonders gegen Kampl.

Akpoguma: Unglücklicher Auftritt. An beiden RB-Toren mitbeteiligt. Beeinträchtigt durch seine Maske?

Hoogma: Ordentlicher Bundesliga-Einstand. Präzise weite

[+] Lesen Sie mehr

Einzelkritik

Baumann: Schuldlos, machtlos. Gute Paraden, besonders gegen Kampl.

Akpoguma: Unglücklicher Auftritt. An beiden RB-Toren mitbeteiligt. Beeinträchtigt durch seine Maske?

Hoogma: Ordentlicher Bundesliga-Einstand. Präzise weite Pässe.

Posch: Pech für ihn, dass Schiri Aytekin den Körpereinsatz von Werner vor dem 0:1 nicht sanktionierte. Auch Kampls Flanke zum 0:2 wurde von seiner Seite aus geschlagen.

Kaderabek: Gute Laufleistung. Ansonsten durchschnittlich.

Grillitsch: Nicht so präsent wie in den letzten Partien. Sein Akku schien nach 60 Minuten leer zu sein.

Schulz: Viele Flankenläufe. Kam in der zweiten Hälfte richtig auf Touren.

Bittencourt: Emsig. Ihm fehlte leider das Durchsetzungsvermögen.

Kramaric: Völlig enttäuschend - gemessen an seinen Möglichkeiten. Sein Elfer war "nur" Ergebniskosmetik.

Szalai: Kämpfte an vorderster Front. Fand in Gulacsi seinen Meister.

Belfodil: Unterkante der Latte getroffen, Elfmeter herausgeholt. Aktiver.

Demirbay: Sorgte für Elan. Traf Szalai (60.) statt ins Leipziger Tor.

Grifo: Einige präzise Vorlagen auf Belfodil und Joelinton.

Joelinton: Diesmal Szalai-Ersatz. Prima Schlenzer (85.). jog

[-] Weniger anzeigen

"Hoffe" ist nicht (mehr) so vital und energiegeladen. Das ist nach sechs Bundesliga-Spieltagen, einer Pokalpartie und dem Champions-League-Auftakt bei Schachtar Donezk (2:2) extrem bitter. Die krasse Verletzungsproblematik kommt für die Hoffenheimer zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, gerade im September, Oktober und November werden gewöhnlich die ersten Weichen für eine segensreiche oder eben leidvolle Spielzeit gestellt. Julian Nagelsmann wirkt wie ein Capo auf einer Großbaustelle, dem die qualifiziertesten Arbeitskräfte der Reihe nach ausfallen, so dass weiter am Fundament gewerkelt werden muss, statt an die Montage der oberen Stockwerke zu denken.

"Wir mussten viel umbauen über Nacht", sagte Nagelsmann zerknirscht und schmallippig, "Kevin Akpoguma hätte eigentlich nicht spielen sollen." Doch der "Maskenmann" musste zwangsläufig ran, ebenso wie Stefan Posch und Justin Hoogma, der sein Bundesliga-Debüt feierte. Das genannte Trio bekam vor 28.115 Zuschauern in der Rhein-Neckar-Arena Leipzigs exquisite Offensivspieler, den fixen Timo Werner und den entschlossenen Yussuf Poulsen, nicht in den Griff. Bei beiden Toren des Dänen Poulsen (53., 73.) ließ man den "Bullen" zu viel Raum - und kam den berühmten Schritt zu spät. Apropos zu spät: Den Anschlusstreffer durch einen verwandelten Foulelfmeter von Andrej Kramaric (90.+3) markierte die TSG erst in der Nachspielzeit.

Auch interessant
Hoffenheim gegen Manchester: Hoffenheims Profis wandeln auf einem schmalen Grat

Die zentrale Erkenntnis: Eine Abwehr aus lauter Talenten reicht nicht, um in der Bundesliga, vor allem aber in der Königsklasse konkurrenzfähig zu sein. Zumindest bei Ermin Bicakcic besteht vor der historischen Champions-League-Heimpremiere am Dienstag (18.55 Uhr/Sky) gegen Manchester City Aussicht auf Besserung. "Ich tanze morgens um sechs beim Physio an", sagte Bicakcic grinsend im Stadionbauch, "ich hoffe, ich hoffe …"

Die Realität hat Hoffenheim eingeholt. Viele Ausfälle, zu wenig Punkte fürs Tableau - in Düsseldorf (1:2) und in der schwungvollen Partie gegen den BVB (1:1) sprang nicht genügend heraus. RB hingegen gewann in Sinsheim zu Recht. Die Rangnick-Schützlinge hatten taktisch die richtigen Lehren aus den beiden Klatschen (0:4, 2:5) der Vorsaison gezogen, sie besaßen die hochkarätigeren Chancen und verbuchten allein drei Aluminiumtreffer von Kampl (41.), Werner (43.) und Poulsen (66.). "Aufgrund der zweiten Halbzeit ist der Sieg verdient", befand Leipzigs Trainer und Sportdirektor Ralf Rangnick an alter Wirkungsstätte, "den Unterschied hat am Ende gemacht, dass wir in Führung gehen." Nagelsmanns trotziger Konter: "Wenn wir in Führung gehen, gewinnen wir."

Dazu hätte Ishak Belfodils Kopfball (19.) im Netz landen sollen, statt an der Unterkante der Latte und mittig auf der Linie. Der Konjunktiv hilft unterdessen nicht weiter, die erste Heimniederlage seit 20. Januar (1:4 gegen Bayer Leverkusen) war kaum vermeidbar, weil die dezimierte Mannschaft schlichtweg an ihre Grenzen stieß. Es ist eine Leidenszeit für die TSG. "Wir gehen auf dem Zahnfleisch", sagte Akpoguma stellvertretend, "doch wir müssen uns jetzt durchbeißen."

Die Belastung mit sieben Partien binnen 22 Tagen war deutlich spürbar. Den Hoffenheimern mangelte es über weite Strecken an Dynamik, Spritzigkeit und Power. Das muss sich, zum Abschluss der dritten Englischen Woche, gegen Manchester und am Sonntag gegen Eintracht Frankfurt schleunigst ändern. Sonst herrscht nach sehnsüchtig erwarteten Festspielwochen schnell Katerstimmung. Nagelsmann ist kein guter Verlierer - schon gar nicht gegen seinen künftigen Sportdirektor Rangnick, der diesen 2:1-Triumph mit einer speziellen Note genüsslich auskostete. Der Musterschwabe wähnt RB auf einem guten Weg.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.