Hoffenheim gegen Leverkusen

Wenn Straßenfußball-Regeln nicht gelten

1899 Hoffenheim erkämpft sich ein torloses Remis bei Bayer Leverkusen - 19 Ecken für die Werkself, keine einzige für die TSG

01.09.2019 UPDATE: 02.09.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 24 Sekunden

Ishak Belfodil (m.) zeigte eine starke Leistung, konnte aber bedrängt von Gegenspieler Tah den Ball nicht an Torwart Hradecky vorbei ins Netz befördern. Foto: APF

Von Achim Wittich

Leverkusen. Straßenfußball-Regeln haben bei den Profis wenig Gültigkeit. Drei Ecken, ein Elfer - hätte das am Samstagnachmittag tatsächlich gegolten, ja dann hätte sich die TSG Hoffenheim mit einer Packung im Gepäck bei Bayer Leverkusen auf die Busheimreise gemacht. Als nämlich Schiedsrichter Felix Zwayer (Berlin) die Partie abpfiff, rieben sich die Profis des Werksklubs verschämt die Augen. Sage und schreibe ein Verhältnis von 19:0 beim Standard vom Seitenfähnchen aus hatten sie sich gegen die hartnäckig verteidigenden Kraichgauer erarbeitet - und mussten sich am Ende mit einem torlosen Remis zufriedengeben.

Lukas Hradecky, der finnische Spaßvogel und wortgewaltige Torwart von Bayer beschrieb seinen Arbeitsalltag so: "Die größte Unterhaltung heute war für mich, dass ich die Statistik der Ecken auf der Anzeigetafel verfolgt habe." Richtig zum Lachen war ihm allerdings wahrlich nicht zumute. Bei den Hoffenheimern sah das verständlicherweise anders aus. "Das reicht für diese Woche. Im Training brauchen wir keine Standards machen", freute sich TSG-Trainer Alfred Schreuder über die hervorragende Verteidigung der von rechts und links hereinfliegenden Bälle.

Rundum zufrieden waren sie bei "Hoffe" und wollten sich den Vorwurf, rein auf Zerstörung des Spiels aus gewesen zu sein, erst gar nicht gefallen lassen. Ein glücklicher Punkt? Kapitän Kevin Vogt war von dieser Frage fast schon genervt, blieb aber wie stets freundlich und umgänglich: "Das sehe ich nicht so. Wir wussten, dass das Spiel so werden würde und wollten Leverkusen nicht in die Karten spielen. Unser Plan ist voll aufgegangen und wir haben die Vorgaben unseres Trainers diszipliniert umgesetzt. Dafür gebührt der Mannschaft ein großes Kompliment."

Hintergrund

Hoffenheim in der Einzelkritik

Baumann: Kein Gegentor und mehrmals voll auf der Höhe. Unterlief die Flanke bei Amiris Riesenchance - das Glück des Tüchtigen.

Posch: Hatte seine liebe Müh und Not mit Bailey und lief gleich zu Beginn dem

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Hoffenheim in der Einzelkritik

Baumann: Kein Gegentor und mehrmals voll auf der Höhe. Unterlief die Flanke bei Amiris Riesenchance - das Glück des Tüchtigen.

Posch: Hatte seine liebe Müh und Not mit Bailey und lief gleich zu Beginn dem Jamaikaner hinterher.

Vogt: Der Kapitän hielt das Schiff auf Kurs, auch als es zum Schluss noch einmal hektisch wurde.

Bicakcic: Gnadenloser und erfolgreicher Zweikämpfer mit Rückenschmerzen. Musste deshalb raus.

Stafylidis: Der Grieche machte einen guten Job auf der linken Seite. Zirtaki tanzen war nicht gefragt.

Grillitsch: Das Spiel lesen, die Aktionen des Gegners vorausahnen. Das ist sein Ding.

Rudy: Das TSG-Team hat noch Luft nach oben - der Rückkehrer auch. Aber er steigerte sich und die Ballsicherheit ist sein Pfund.

Geiger: Keine auffällige Vorstellung. Viel unterwegs wie alle, deshalb eher der Fleißpreis.

Kaderabek: Fast Torschütze, doch er traf leider nur Mitspieler Bebou. Der Tschechen-Motor lief heiß.

Bebou: Doppelspitze mit Belfodil. Von Kaderabek angeschossen und bei Belfodils Pass nicht durchgelaufen. Das hätte besser laufen können für den Flitzer.

Belfodil: Der Algerier hätte sich ein Tor verdient gehabt. Rackerte unermüdlich. Gut, dass er immer besser in Fahrt kommt.

Locadia: Der gerade Verpflichtete kam nach einer Stunde - wir notierten einen Kopfball aus Abseitsposition.

Akpoguma: Fast das Goldköpfchen.

Samassékou: Nur sieben Minuten gab’s von Schreuder für den Malier. awi

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Eine taktische Meisterleistung also und auch Alfred Schreuder blieb gelassen und verzog keine Miene, als sein niederländischer Kollege und Ex-Mitspieler Peter Bosz auf der Pressekonferenz vom lokalen Berichterstatter süffisant gefragt wurde, ob er sich auf die kommende Partie seiner Elf in Dortmund freue. Schließlich gehe es dann gegen einen Gegner, der auch Fußball spielen wolle ...

Sicher, die mit zwei Siegen gestarteten 04er hatten fast immer den Ball an ihren Füßen, machten gerade in den Anfangsminuten und während der Schlussoffensive mächtig Dampf und durften auch die Mehrzahl von Chancen für sich in Anspruch nehmen. Allein: Kaderabek, der seinen Mitspieler Ihlas Bebou anschoss (14. Minute), Ishak Belfodil, der in bester Position Bebou nicht fand (29.) oder der eingewechselte Kevin Akpoguma per Kopf (90.) hätten durchaus für Gäste-Torjubel sorgen können. Deshalb lag Schreuder mit seiner Analyse - "wir haben auch super Chancen bekommen" - richtig.

Feigheit vor dem Feind und Angsthasenfußball jedenfalls, wie Leverkusens Boss Rudi Völler angefressen dem Dorfklub vorwarf, muss sich die TSG nicht nachsagen lassen, nur weil sie ihre ansonsten offensiv ausgerichtete Grundeinstellung diesmal über den Haufen warf. Wie hätte sich Bosz mit seinen Profis ins Fäustchen gelacht, hätten ihnen die Nordbadener zugespielt und wären frisch, fromm und rheinisch-fröhlich in ihr Verderben gerannt. Zumal Schreuder vor der großen Herausforderung steht, bei seiner neu formierten Mannschaft dafür zu sorgen, dass ein Rädchen immer besser ins andere greift.

Die Herangehensweise bei einem Champions-League-Vertreter an diesem letzten offiziellen Sommertag 2019 wird gewiss nichts an der Hoffenheimer Fußballphilosophie ändern, die eine offensivere und attraktivere Variante vorsieht. "Freiburg wird wieder ein ganz anderes Fußballspiel", weiß Schreuder.

Apropos Freiburg: Vincenzo Grifo, vom SC nach Hoffenheim zurückgekehrt, stand erneut nicht einmal im 20-Mann-Kader. Mehr als ein deutliches Signal von Schreuder ...

Die drei früheren Hoffenheimer Kevin Volland, Kerem Demirbay und Nadiem Amiri waren ebenfalls bedient. Volland und Demirbay verrichteten eine durchschnittliche Arbeit und der eingewechselte Amiri versemmelte Bayers größte Chance (65.). Demirbay fühlte sich der RNZ gegenüber gar "mental" nicht in der Lage, ein oder zwei kurze Fragen zu beantworten. Die Nullnummer zehrte wohl allzu sehr an seinen Nerven. Den Besuch bei den ehemaligen Kollegen in der Gästekabine schaffte er dennoch.

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