"Zorro" hatte keine Schuld

Sinsheim. Koen Casteels vertritt verletzten Tim Wiese im Tor von 1899 Hoffenheim wieder gut - und steht auch bei den kommenden Partien zwischen den Pfosten

26.11.2012 UPDATE: 26.11.2012 08:31 Uhr 2 Minuten, 17 Sekunden
Nur Zuschauer: Tim Wiese. Foto: APF
Von Achim Wittich

Sinsheim. Des einen Leid, des anderen Freud. Es läuft derzeit Vieles verkehrt herum bei 1899. Am Samstag verletzte sich Torwart und Kapitän Tim Wiese (30) im Abschlusstraining und musste am Sonntagabend passen. Teilabriss einer Bandstruktur auf der Innenseite des rechten Kniegelenks (mediales Retinaculum). Die offizielle Pressemitteilung des Bundesligisten vorm Duell gegen den Werksklub konnte den Gesundheitszustand des Ex-Bremers kaum detaillierter beschreiben. Voraussichtlich drei Wochen wird der Kapitän nun seinem neuen Arbeitgeber fehlen. Bereits vom 4. Spieltag an bis zum Duell bei den Bayern (7. Saisonpartie) musste Wiese aus Verletzungsgründen passen - und wurde von Jungspund Koen Casteels hervorragend vertreten.

Der 20-Jährige trug auch diesmal an der Niederlage keine Schuld. Beim ersten Leverkusener Tor war er völlig chancenlos. Beim zweiten Gegentreffer tanzte ihn Carvajal elegant aus und schob ein. Hätte der Belgier - ganz abgezockt - etwas länger aufrecht stehen bleiben müssen? Wohl kaum. "Er kommt ganz allein vor mich und dann mache ich die Blockstellung. Dann hat Carvajal das aber ganz hervorragend gemacht." Nachher gab's von Casteels den Fachbegriff fürs Torwartspiel beim Eins-gegen-eins-Duell. Der Wiese-Vertreter hatte ansonsten kaum etwas zu tun, strahlte aber in seiner fünften Bundesliga-Begegnung Ruhe und Gelassenheit aus - und sah dabei auch noch ein bisschen zum Fürchten aus. Mit einer schwarzen Gesichtsmaske stand der 1,96 Meter-Riese im Kasten. Ein Nasenbeinbruch, schon vor geraumer Zeit im Training erlitten, sei's gedankt. Doch "Zorro" fühlte sich trotzdem wohl. Kein Wunder, denn auch die Fans sind ihm wohlgesonnen. Auf einem kleinen Plakat stand sein Name geschrieben - und dahinter die 1. Wiese saß derweil auf der Tribüne und winkte später in der Mixed-Zone nur noch genervt ab. Der achtmalige Nationalspieler wollte den Reportern keine Auskunft zum Verletzungshergang geben.

"Tim kommt nicht gut mit dieser Situation klar. Er ist einfach unglücklich und kann seine Top-Leistung nicht abrufen", gab Torwart-Trainer Zsolt Petry einen Einblick in die Gefühlswelt des bis her spektakulärsten Hoffenheimer Neuzugangs.

Wiese ist also wieder mal schwer angefressen und muss akzeptieren, dass sein Stellvertreter fußballerisch einfach besser ist. Auffällig, dass die weiten Abschläge von Casteels viel häufiger den eigenen Abnehmer finden. Petry kennt den Grund hierfür: "Tim musste in den letzten sieben Jahren in Bremen nicht viele lange Bälle schlagen. Dort hat man meist mit kurzen Pässen von hinten heraus aufgebaut." Koen Casteels indes ist die taktische Eröffnung aus den eigenen Reihen heraus ziemlich schnuppe. Er kann's einfach ziemlich gut mit dem Ball am Fuß, Stolpergefahr besteht bei ihm selten. "Früher habe ich hinten links auf dem Platz gestanden", verweist er auf seine Erfahrung als Feldspieler. Der Schlaks freut sich darüber, mit dem Runden, dass er möglichst wenig aus dem eigenen Eckigen herausholen möchte, gekonnt umgehen zu können. Derzeit spricht auch die Statistik für ihn - und gegen den eigentlich als unantastbar geltenden Wiese. Der hat nämlich in seinen neun Pflichtspielen - inklusive dem 0:4-Pokaldebakel beim Berliner AK - in neun Pflichtspielen 27 Gegentore kassiert. Casteels hat jetzt in fünf Erstligamatches erst fünfmal vom Gegner eingeschenkt bekommen.

"Ein sehr gut ausgebildeter Junge mit einer sehr guten Zukunft", sagt Petry weiter und fügt hinzu: "Er hat immer einen Plan und alles, was ein zeitgemäßes Torwart-Spiel verlangt." Dieser Plan sieht jetzt zunächst mal vor, dass Casteels auch am Mittwoch in Nürnberg und am nächsten Sonntag gegen Wieses Ex-Club Werder Bremen sowie am 7. Dezember beim HSV die Nummer eins bei 1899 ist. Dann werden die Torwart-Karten wohl wieder neu gemischt. Doch längst ist nicht mehr auszuschließen, dass Wiese nach der Ausbootung in der Nationalmannschjaft auch seinen Job als Stammkeeper im Kraichgau räumen muss. Aber so ist's im knallharten Fußball-Business. Des einen Freud, des anderen Leid ...

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