Hoffenheim in Wolfsburg: Ohne den letzten Biss
1899 Hoffenheim steigert sich in Wolfsburg nach der Pause, kassiert aber im dritten Spiel die dritte Rückrundenniederlage
1899 Hoffenheim steigert sich in Wolfsburg nach der Pause, kassiert aber im dritten Spiel die dritte Rückrundenniederlage
Von Achim Wittich
Wolfsburg. Nun war es ja nicht so, dass sich die TSG 1899 Hoffenheim am Freitag nach dem Abschlusstraining in Zuzenhausen als Favorit auf den Weg in die Autostadt Wolfsburg machte, um dort am Samstagnachmittag beim Tabellenzweiten der Fußball-Bundesliga etwas Zählbares zu erkämpfen und zu erspielen. Und nach den 90 Minuten vor offiziell 26 356 Besuchern - waren in der längst nicht ausverkauften Volkswagen Arena tatsächlich nur dreieinhalb tausend Plätze frei geblieben? - ist es nun auch nicht so, dass sich die Profis von TSG-Trainer Markus Gisdol wegen ihrer Leistung schämen müssten.
Tatsache ist aber, dass trotz eines ordentlichen TSG-Auftritts in den zweiten 45 Minuten eine 0:3 (0:2)-Niederlage "auf dem Zettel steht", wie es Gisdol formulierte, der das wiederum "kaum glauben wollte". Hatten seine Schützlinge die allerdings nach der Pause "fahrigen Wölfe" (VfL-Trainer Dieter Hecking) doch teils arg vor sich her getrieben. Am Ende stand gar ein Torschussverhältnis von 16:9 für 1899 (2. Halbzeit: 10:2!).
Firmino (69. Minute), Modeste (70.) und wiederum Firmino (79.) hätten beim Stand von 0:2 aus Hoffenheimer Sicht einfach Beute machen müssen. Doch sie taten es nicht und weil auch Schiedsrichter Dr. Jochen Drees Kevin Volland einen klaren Foulelfmeter verweigerte (Robin Knoche hatte den Allgäuer im Strafraum abgeräumt/59.), flog das Runde an diesem tristen und bitterkalten Februartag am Wolfsburger Mittellandkanal eben nicht in den Kasten des VW-Klubs, wo zudem ein vorzüglicher Torwart Diego Benaglio sein Revier sauber hielt.
Drees hätte bei etwas gutem Willen sogar ein weiteres Mal auf den Elfmeterpunkt zeigen können, als Knoche den Ball im VfL-Strafraum mit dem - allerdings angelegten Arm - berührte. Der Referee aus Bad Kreuznach hat bei Hoffenheims Sportdirektor Alexander Rosen einen Stein im Brett. "Wenn ich einen Schiedsrichter nicht kritisiere, dann Jochen Drees", sagte Rosen. Zur Erinnerung: Der Doktor hatte beim Abstiegsendspiel in Dortmund im Mai 2013 einen Elfmeter für die Borussia zurück genommen. Ewiger Hoffenheimer Dank ist Drees gewiss!
Rosens weitere Einschätzung des zuvor Dargebotenen war indes des Guten einfach zu viel: "Blau-Weiß war klar besser als Grün-Weiß", diktierte er im Brustton der Überzeugung in die Notizblöcke der Journalisten. Einspruch! Denn viel zu zaghaft präsentierte sich die TSG zu Beginn und lag - schwupps - schon wieder nach drei Minuten in Rückstand. Wolfsburgs 32-Millionen-Einkauf André Schürrle durfte von links flanken und Bas Dost hielt in der Mitte abgezockt den Schlappen hin.
Der FC Chelsea der Bundesliga, wie Kritiker den sportlichen Aufrüstungsbetrieb aus Niedersachsen in Anlehnung an den Oligarchenklub aus London nennen, hatte leichtes Spiel. Andreas Beck konnte noch einmal gegen Schürrle retten, aber dann knallte der gebürtige Ludwigshafener an die Lattenunterkante und den Abpraller versenkte Kevin de Bruyne (28.) per Kopf. Belgiens Nationalspieler verzichtete im Heimstadion anständigerweise darauf, den Balljungen als "Motherfucker" zu bezeichnen - die RNZ berichtete vom Vorfall am vergangenen Dienstag in Frankfurt - und drosch den Ball später zum 3:0 (84.) ins Netz.
Wolfsburgs Manager und Einkaufsmeister Klaus Allofs gestand hernach ehrlich ein, dass es bei einem Anschlusstreffer der Kraichgauer noch einmal "richtig ungemütlich geworden wäre" und auch wenn Steven Zuber richtigerweise eine zweite Hoffenheimer Halbzeit mit "viel Courage" erkannt hatte, steht die dritte Niederlage von 1899 beim dritten Rückrundenauftritt zu Buche.
Alexander Rosen ließ sich jedoch von der RNZ nicht aus der Ruhe bringen. Wir stellten freundlich fest, dass acht der letzten elf TSG-Partien verloren gegangen seien, was der Bilanz eines Absteigers entspräche. Rosens Antwort: Man habe in der starken Anfangsphase (Anm. der Redaktion: 1899 blieb die ersten neun Saisonspiele ungeschlagen) den Erfolg nicht überbewertet und tue die momentane Situation ebenfalls nicht überbewerten.
Markus Gisdol aber, der sich als "Fußballentwickler" versteht, muss nach knapp zwei Jahren Amtstätigkeit in "Hoffe" aktuell einen Leistungsstillstand bzw. sogar einen Leistungsrückschritt einiger seiner Schäflein zur Kenntnis nehmen - und Gisdol reagiert: Der erst 18-jährige Nadiem Amiri erhielt diesmal den Vorzug vor den Stürmern Adam Szalai und Anthony Modeste. Ein deutliches Signal vom Sportchef an die Arrivierten - und zudem ein klares Bekenntnis für den Hoffenheimer Weg, immer wieder auf eigene Talente zu setzen.
Am Samstag (15.30 Uhr) im Ländle-Derby gegen den Letzten VfB Stuttgart ist nun "Hoffe" der Favorit. Und auch wenn die wenigen Hoffenheimer Fans auf der langen Bahn-Heimreise noch nicht laut murrten: Ein Sieg ist dann Pflicht!