1899 Hoffenheim und die Medien

Auf dem See in unterschiedlichen Booten

Am Beispiel von Hoffenheim: Über das schwierige Verhältnis zwischen Medienabteilungen in der Fußball-Bundesliga und Sportjournalisten verschiedenster Couleur

02.05.2018 UPDATE: 03.05.2018 06:00 Uhr 3 Minuten, 41 Sekunden

Zwei, die im Fokus stehen: TSG-Trainer Julian Nagelsmann (M. l.) und sein Schalker Kollege Domenico Tedesco (rechts davon). Foto: Imago

Von Joachim Klaehn

Heidelberg. Das mitunter schwierige Verhältnis zwischen Medienabteilungen der Bundesligisten und Zweitligisten im Fußball und Sportjournalisten verschiedenster Couleur zu beleuchten, ist eine echte Herausforderung. Eine Metapher, die ich bei Bedarf parat halte, taugt dafür ganz treffend: Wir befinden uns gemeinsam auf einem größeren See, sitzen und rudern aber in unterschiedlichen Booten - manchmal entfernen wir uns voneinander, manchmal nähern wir uns an und manchmal kommt es zum Crash der Gefährte im Wasser.

Am heutigen Internationalen Tag der Pressefreiheit lohnt sich der Blick auf ein Genre, das ähnlich im Rampenlicht steht wie die Errungenschaften, Ungeschicklichkeiten und Krisen der Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel. Im Positiven wie Negativen ist nämlich der (Profi-)Fußball in Deutschland stets ein Thema, und systemimmanent ist die Aufregung, längst nicht nur an den Stammtischen, die sich um bekannte Protagonisten, diverse Abläufe, Auswüchse des Kommerzes und zutiefst menschliche Geschichten wie Geschichtchen dreht. Beinahe alles wird überhöht, wirkt überreizt - und längst ist es aus diesem Marktplatz der Sensationen eine Art von Parallelwelt geworden, die nur noch recht wenig mit der Realität von uns "Normalbürgern" zu tun hat.

Wenn Ronaldo Einnahmen aus Bildrechten via Scheinfirmen am spanischen Fiskus vorbei schleust, Neymar für die Rekordsumme von 222 Millionen Euro vom FC Barcelona zum katarisch geführten Scheichklub Paris St. Germain transferiert wird, Pierre-Emerick Aubameyang seinen Wechsel vom BVB zum FC Arsenal "erpresst", Noch-Eintracht-Trainer Niko Kovac im Zusammenhang mit dem FC Bayern als Lügner entlarvt wird, dann kann dies Eruptionen an Gefühlen auslösen. Noch verrückter, ja bizarrer: Wenn Hoffenheims Trainer Julian Nagelsmann als Tribünengast einen roten Mantel trägt, dann ist sein künftiger Vertrag beim "FC Ruhmreich" - wahrnehmungstechnisch - so gut wie unter Dach und Fach.

Aus Sicht der stark regional/lokal verwurzelten Rhein-Neckar-Zeitung ist die Aufgabe in der Sportberichterstattung klar: Wir unterliegen gegenüber unserer geneigten Leserschaft einer Informationspflicht, müssen und wollen unabhängig bleiben, und versuchen, eine konstruktiv-kritische Haltung einzunehmen sowie meinungsstark zu sein. Wir möchten Hintergründe aufdecken - und den Leserinnen und Lesern Einordnungshilfen geben. Getreu der Devise des 1995 verstorbenen "Mister Tagesthemen" Hanns Joachim Friedrichs: "Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten." Ein journalistischer Tugendsatz.

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Diese klare Position stößt naturgemäß nicht immer auf Verständnis. Ob Hoffenheim, Sandhausen, Waldhof oder auch Vereine und Institutionen aus anderen Sportarten, der subtile Wunsch nach "Hofberichterstattung" lässt sich nicht leugnen. Doch eine Tageszeitung ist und bleibt eben kein Stadionheft und kann auch nicht zum "Fan-Portal" mutieren.

Was uns als Print- wie Onlinemedium inzwischen die Arbeit erschwert, ist im Bundesliga-Oberhaus und -Unterhaus die Masse an "Nachrichtenjägern". Das Berufsumfeld hat sich mit Aufkommen der Neuen Medien sowie der allgemeinen Digitalisierung stark verändert. Die Mixed Zone als Begegnungsstätte und live übertragene Pressekonferenzen bleiben somit häufig belanglos, Charme und Nutzwert von Hintergrundinformationen verpuffen zusehends.

Exklusivität ist quasi "out", vertrauensvolle Gespräche gibt es selten, bei Interviews sitzt ein(e) Mitarbeiter(in) der Pressestelle dabei, die Folge der überall vorherrschenden Kontrollmechanismen und des Autorisierungswahns seitens der Klubs, die logischerweise wie Wirtschaftsunternehmen geführt werden. Den Satz, wir sitzen doch im gleichen Boot, bekommt der neutrale Beobachter schon gelegentlich zu hören.

Der Perspektivenwechsel ist unterdessen hilfreich. Hoffenheims Direktor Medien & Kommunikation, Christian Frommert, beschreibt auf RNZ-Nachfrage das Selbstverständnis der TSG-Presseabteilung: "Der Dienstleistungsaspekt spielt weiterhin eine große Rolle, zumal auch die Ansprüche der Redaktionen enorm gewachsen sind. Informationen werden multimedial und über verschiedene Kanäle nahezu rund um die Uhr gefordert und geliefert. Die Anzahl der Anfragen nach Exklusiv-Interviews oder dem Blick hinter die Kulissen ist enorm gestiegen und auch deshalb unmöglich, in der Fülle und Tiefe zu bedienen. Zumal sich derlei meist auf die gleichen Protagonisten konzentriert, im Fall der TSG Hoffenheim sind dies Julian Nagelsmann und Serge Gnabry." Frommert ergänzt, man werde hierbei "schnell als Verhinderer geziehen", eine klare Linie und Reglementierung sei aber unabdingbar.

Grundsätzlich versuche "Hoffe" offen und transparent zu informieren, den Medien optimale Bedingungen zu schaffen, damit diese ihrem Auftrag gerecht werden könnten. "Hier gehen die Meinungen von Presseabteilungen und Medien allerdings naturgemäß auseinander. Für die einen ist es zu viel, für die anderen immer viel zu wenig", so Frommert, der früher bei der Frankfurter Rundschau als Wirtschaftsredakteur, Chef vom Dienst und Geschäftsführer arbeitete.

Wie dem auch sei: Auch der TSG-Kommunikationschef, der Dietmar Hopp medial begleitet und berät, bestätigt eine Problematik, mit der Kommunikationsabteilungen der Klubs wie auch seriöse Medienhäuser längst zu kämpfen haben. Informationsübermittler seien "unzählige Portale, Blogs und Online-Plattformen, die ohne jegliche Recherche, Kontaktaufnahme und bisweilen leider auch bar jeglicher Ahnung krudeste Meldungen veröffentlichen, die dann zigfach kopiert und unreflektiert weiter transportiert werden. Alles taugt zur Meldung, vielem wird Skandalpotenzial zugeschrieben und hat deshalb eine vermeintliche Wichtigkeit, mindestens fünf Minuten lang."

Zu berücksichtigen gilt ferner, dass mittlerweile die Kommunikationsabteilungen der Profivereine selbst zu einer "Art Medienhaus" (Frommert) geworden sind. Deshalb bedienen sie ihre eigenen Kanäle - bei Hoffenheim sind es momentan deren 14 -, um via Soziale Medien, Homepage und bewegten Bildern national wie international Menschen zu erreichen. Die TSG ist hierbei auch Teil einer Kampagne der Deutschen Fußball Liga, die den deutschen Klubfußball global noch populärer als ohnehin schon machen soll.

Und schließlich sei auf eine Besonderheit hingewiesen, die das Bundesliga-Geschäft inklusive Medienarbeit seit vielen Jahren prägt. Christian Frommert über die Rolle des Bezahl-Fernsehens: "Die sogenannten Rechteinhaber haben Zugänge, die anderen verwehrt bleibt und macht eine Gleichbehandlung aller Journalisten und Mediengattungen unmöglich. Auch das sorgt für Unmut, der moderiert werden muss."

Ergo: Für alle Beteiligten stellt die komplementäre Beziehung zwischen Medienabteilungen der insgesamt 36 Klubs und diversen Medien eine anspruchsvolle und vielschichtige Aufgabe dar. Die Arbeit impliziert Interessenskonflikte, Spannungspotenzial und verschiedene Herangehensweisen.

Ratsam ist auf beiden Seiten gegenseitig vorhandene Kritik- und Optimierungsbereitschaft, ein nettes Wort, eine zwischenmenschliche Geste. Zumal ja die Ruder-Crews in ihren jeweiligen Booten weiterpullen, was das Zeug hält.

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