1899 Hoffenheim

Die Erlebnisse eines TSG-Fans bei der Europa-Tournee

"Das Leiden mit Hoffenheim wird dir versüßt" – Wunsch nach mehr "Kurpfalz-Orientierung"

17.12.2018 UPDATE: 18.12.2018 06:00 Uhr 3 Minuten, 41 Sekunden

Ständiger Begleiter der TSG: Wolf-Eckhard Wormser, hier in Charkiw. Foto: privat

Von Joachim Klaehn

Heidelberg. Der selbst ernannte "Neckarfranke" Wolf-Eckhard Wormser (63) wurde sportlich dank seines Großvaters, Vaters und der Kumpel beim VfR Heilbronn sozialisiert. "Fußballmäßig bin ich quasi verwitwet", sagt der Pensionär launig. Seit drei Jahren hat der einstige Finanzdezernent der Universität Heidelberg, den es beruflich darüber hinaus als "Unikanzler" nach Freiburg und Dresden verschlug, eine Dauerkarte bei der TSG 1899 Hoffenheim. Wormser, der in der Heidelberger Altstadt wohnt, begleitete "Hoffe" bei Manchester City, Olympique Lyonnais, Schachtar Donezk (in Charkiw), aber auch in der letztjährigen Champions-League-Qualifikation beim FC Liverpool und in der Europa League bei Sporting Braga.

Die RNZ sprach mit dem begeisternden Fußball-Anhänger, der in keinem TSG-Fanklub organisiert ist, über "Hoffes" Europa-Tournee, die gesammelten Erfahrungen auf den Reisen und auch die weitere Zukunft des Vereins – aus Sicht des regelmäßigen Tribünenbesuchers.

Herr Wormser, Pep Guardiola hat berichtet, dass es beim jüngsten Auswärtsspiel in Manchester zu Bierbecher-Würfen und verbalen Anfeindungen gegenüber Leroy Sané gekommen sein soll. Ist das korrekt?

Es gab sicherlich ein paar Idioten, die speziell Sané und auch Gündogan angefeindet haben. Einige haben Ärger in der vordersten Reihe gemacht, aber das Gedränge und Geschubse hörte dank der Ordnungskräfte bald wieder auf. Sané wurde ja schon im Hinspiel ausgepfiffen, weil er direkt vor dem Hoffenheimer Fanblock einen Freistoß rausgeholt hatte. Die Reaktion der TSG-Fans hat sich dann in Manchester fortgesetzt. Das Stadion hat es registriert und Leroy, durchaus mit Rufen in Richtung Hoffenheimer Gästeblock, besonders unterstützt.

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Wie waren generell Ihre Erfahrungen bei den internationalen Vergleichen als Hoffenheim-Fan?

Ich kann nichts Negatives berichten. Liverpool war schon der Höhepunkt für mich, was die Stimmung anbetrifft. Kaum Polizei, keine großartige Fantrennung, keine Gitter, kein Käfig – die Anfield Road war ein tolles Erlebnis. Auch Braga und Charkiw hatte jeweils seinen Reiz. In Lyon war die Besonderheit die zweite Halbzeit. Obwohl wir TSG-Fans nach dem 2:2 lange nicht aus dem Block rausgelassen wurden, ist die Stimmung nicht gekippt.

Wie wird man als erkennbarer TSG-Unterstützer im Ausland wahr genommen? Was wissen die Menschen über einen Dorfverein aus Deutschland?

In aller Regel unterhält man sich mit den jeweiligen Fans der Gegner, auf Englisch. Die meisten wissen zumindest einigermaßen Bescheid. Der Name von Julian Nagelsmann fällt sehr schnell, zumal als jüngster Bundesliga-Trainer. In Manchester habe ich oberhalb eines Pubs genächtigt. Die Wirtsleute waren United-Fans, was deutlich an den Fan-Utensilien zu sehen war. Ich habe gemerkt, dass Trainer und Manager eine deutlich prominentere Stellung als bei uns inne haben. Über sie wurde öfter geredet als über einzelne Spieler. Der Blick auf Nagelsmann war schon sehr ausgeprägt. Es faszinierte, dass der Verein durch ihn überhaupt in diese Position gekommen ist.

Okay. Doch der Kraichgauklub besteht längst nicht nur aus Nagelsmann.

Richtig. Die Engländer waren überrascht, dass der Ort nur etwas mehr als 3000 Einwohner hat. Außerdem wussten nicht alle, dass Dietmar Hopp einst für die TSG gespielt und später aus eigener Anstrengung den Weg in die Bundesliga eingeschlagen hat. Der eine oder andere hat noch SAP gekannt. Sie waren über die Dimensionen eines Dorfvereins regelrecht verwundert. Der Informationsaustausch untereinander verlief sehr gut.

Zweimal wurde Hoffenheim Gruppenletzter. Was war verschmerzbarer, das Aus in der Europa League oder das in der Champions League?

In der Europa League sind die Gegner nominell einfacher, aber es war eben Hoffenheims internationale Premiere. In der Champions League hat die TSG deutlich besser mitgespielt – und zudem wirklich viel Pech gehabt. Ich bin ganz zuversichtlich, dass meine Hoffenheimer ihre Abwehrschwächen ausgeglichen kriegen, wenn sie zusammenspielen und keine Verletzungsprobleme haben.

Inzwischen heißt es volle Konzentration auf die Bundesliga. Wo kann und wird "Hoffe" am Saisonende landen?

Manchester war ein prima Signal, in der Verteidigung hat Nagelsmann wieder gute Alternativen. Die Chancen gegen Gladbach reichten für vier, fünf Spiele, auch dies wird keine Schwäche von Dauer sein. Ich bin optimistisch, dass es erneut für einen internationalen Platz reicht. Ob gar für die Champions League, weiß ich nicht, die Jungs haben schon zu viele Punkte unnötig verloren. Womöglich bin ich eher ein untypischer Fan: Das 0:0 gegen die Gladbacher ärgert einen - und doch freut man sich. Sagen wir es mal so: Das Leiden mit Hoffenheim wird dir versüßt durch die schönen Spiele. Es macht einfach Spaß, diesen interessanten, spannenden Fußball anzugucken.

Nagelsmann geht zum Saisonende. Wer soll als Trainer kommen?

(Lacht) Ich hoffe mal nicht, dass ein bis dahin vermutlich abgegebener Schalker Trainer (Anm. der Red.: Domenico Tedesco ist gemeint) geholt werden wird. Das hat bereits das letzte Mal nicht funktioniert. Beim Intermezzo von Huub Stevens ist einem nämlich die Lust auf Fußball vergangen, man hatte das Gefühl, die Profis laufen mit einem Stock im Rücken herum, an dem wiederum ein bremsendes Seil dran hängt. Ich möchte einfach nur, dass diese besondere Hoffenheimer Art Fußball zu spielen, unter einem neuen Trainer beibehalten wird.

Wagen Sie denn einen Saisontipp?

Auweia, meine Tipps sind immer stark von meinen Sympathien geprägt.

Macht nichts. Nur zu.

Der vierte Platz ist schon noch zu schaffen. Wieder Champions League wäre einfach super!

Wo sehen Sie, abgesehen vom rein Sportlichen, noch Verbesserungsbedarf für den nordbadischen Klub?

Ganz klar in puncto Fanbasis. Sie ist bisher auf den Kraichgau konzentriert. Vielleicht bekommt man künftig eine Kurpfalz-Orientierung hin, dass die TSG tatsächlich ein Klub der Metropolregion mit den Städten Heidelberg, Mannheim und Ludwigshafen wird. Das ist noch ein weiter Weg, was sich daran festmachen lässt, dass es bislang keine richtigen Fanshops an den genannten Orten gibt.

Augenzwinkernd: Sie haben kurz vor Weihnachten drei Wünsche in Sachen Hoffenheim frei. Die da wären?

Erstens: Einen noch einfallsreicheren Trainer als Nagelsmann. Zweitens: Wie ich gesagt habe, dass sie es schaffen, zum Klub der Metropolregion zu werden, damit auch junge Menschen aus den Städten diesen Verein leidenschaftlich unterstützen. Drittens: Dass Hoffenheim einen Stammplatz im internationalen Wettbewerb hält. Eine Fanreise nach Madrid wäre schließlich auch nicht verkehrt.

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