Berlin (dpa) - Mehr als 100 Millionen TV-Zuschauer, eine gigantische Pausen-Show und Werbespots, die pro Sekunde mehr als 100 000 Dollar kosten: Der Super Bowl, das Finale der American-Football-Liga NFL, ist in den USA das mediale Sportgroßereignis des Jahres. Auch in Deutschland erreicht das Spektakel jedes Jahr ein größeres Publikum. Deutsche Fernsehsender haben Football-Liveübertragungen ausgeweitet, seit September 2015 können Fans jeden Sonntag zwei NFL-Spiele bei Sat.1 und ProSieben Maxx sehen. Das Halbfinale am 24. Januar erreichte fast 1,2 Millionen Zuschauer - Saisonrekord. Am Sonntag steht der nächste Super Bowl in Kalifornien auf dem Programm. Ist der US-Sport jetzt auch bei uns massentauglich?
"Ich fand Football schon immer total faszinierend", sagt Moderator Frank Buschmann (51), der die Spiele im deutschen Fernsehen kommentiert. Die Mega-Show rund um den Super Bowl habe nun auch hierzulande ein Grundinteresse für die Sportart geweckt. Die TV-Zuschauerzahlen stiegen von 0,87 Millionen beim Super Bowl 2012 auf 1,36 Millionen im vergangenen Jahr. Selbst gewöhnliche Ligaspiele, wie sie der Privatsender seit September jeden Sonntag zeigt, erreichten zuletzt mehr als eine halbe Million Menschen.
Kein Vergleich zur Fußball-Bundesliga, die jedes Wochenende mehr als fünf Millionen Fans vor die TV-Bildschirme lockt. Trotzdem: "Wer mir das vorher erzählt hätte, den hätte ich in die Klapse eingewiesen", sagt Buschmann. Auch der Blogger Thomas Psaier, dessen Website "Sideline Reporter" als eine der wichtigsten Quellen für Football-Fans im deutschsprachigen Raum gilt, ist von dem medialen Erfolg überrascht. "Das hat ein viel größeres Publikum angesprochen, als ich gedacht hätte", sagt der Südtiroler. Der Erfolg sei umso erstaunlicher, weil es in der NFL noch nicht einmal einen bekannten deutschen Spieler gebe, mit dem sich die Fans identifizieren könnten. Psaier ist sich aber nicht sicher, ob der Boom auch anhält. "Football bleibt schon ein bisschen ein Sport für Freaks."
Auch Moderator Buschmann räumt ein: "Das ist schon ein sehr anderes Publikum." Vor dem Fernseher säßen vor allem junge Leute mit einer Affinität zum US-Sport. Häufig gebe es in Deutschland auch eine falsche Vorstellung von dem Sport. "Oft wird gesagt, da geht es nur darum, den anderen umzuwerfen und umzuhauen, aber das ist überhaupt nicht der Fall." Buschmann bezeichnet Football als "Schach mit Kühlschränken" - sehr beweglichen Kühlschränken.
Schnell, dynamisch, taktisch anspruchsvoll - mit diesen Attributen begründet auch Alexander Rösner, Programmverantwortlicher bei ProSiebenSat.1, den Football-Boom vor deutschen TV-Bildschirmen. "Ein Spiel kann jederzeit kippen, da ist immer alles drin, Sieg und Niederlage sind nur wenige Würfe voneinander entfernt." Hinzu käme die sehr bildstarke Inszenierung des US-Fernsehens. Buschmann ergänzt: "Das sind schon unglaublich spektakuläre Bilder."
Doch es gibt auch Kritiker, die Football in Deutschland nicht für massentauglich halten. Die Regeln zu kompliziert, die ständigen Unterbrechungen während der Spiele zu lang, lauten die Vorwürfe. "Das Regelwerk finde ich ziemlich hardcore", sagt Psaier. "Bis man das wirklich durchblickt hat, das dauert." Zudem laufen die besten Spiele hierzulande oft erst mitten in der Nacht - und sie dauern lang, mindestens drei Stunden. "Wer tut sich das auf Dauer wirklich jeden Sonntag an?", fragt Psaier.
Der Blogger macht noch auf ein ganz anderes Problem der Sportart aufmerksam: Durch harte Zusammenstöße erleiden die Spieler oft Gehirnerschütterungen. Die langfristigen Folgen können erheblich sein - die Lebenserwartung eines NFL-Spielers liegt mehr als zehn Jahre unter dem amerikanischen Durchschnitt. "Diese Problematik gehört viel stärker angesprochen", sagt Psaier.
Im deutschen Fernsehen spielt das kaum eine Rolle. Man konzentriere sich auf den Live-Sport, heißt es bei Sat.1. Mit ausführlichen Erklärungen in den Spielpausen will der Sender weniger bewanderte Zuschauer ansprechen. "Wir machen das so, dass es auch die Mutter meiner Freundin versteht", sagt Buschmann. Bis 2018 hat sich der Sender die Rechte gesichert. Gut möglich, dass auch beim Super Bowl am kommenden Sonntag ein neuer TV-Zuschauer-Rekord aufgestellt wird.