Amtsgericht bestätigt Antrag auf Abberufung eines SAP- Aufsichtsratsmitglieds (Update)
Es sei ein Gütetermin angesetzt worden, teilte eine Gerichtssprecherin am heutigen Mittwoch mit.

Von Matthias Kros
Walldorf. Der Walldorfer Softwarekonzern SAP macht ernst mit der gerichtlichen Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds. Ein entsprechender Antrag sei beim Amtsgericht Mannheim am Dienstag eingegangen, bestätigte Sebastian Rechkemmer, Richter am Amtsgericht und Pressesprecher der Behörde, am Mittwoch in Mannheim. Der Antrag werde dem Gegner zunächst "zur Gewährung rechtlichen Gehörs mit der Möglichkeit der Stellungnahme zugestellt", erklärte er. Danach sei beabsichtigt, "im Beschlusswege zu entscheiden, das heißt eine mündliche Verhandlung wird nicht stattfinden". Zur möglichen Dauer bis zu einer Entscheidung könne man derzeit keine Aussage treffen, so der Richter.
Der Vorgang ist höchst ungewöhnlich: Weil eines seiner Mitglieder auf Arbeitnehmerseite nicht freiwillig abdanken will, hatte der Aufsichtsrat der SAP SE Ende Juli beschlossen, die Abberufung gerichtlich durchzusetzen. Details nannte das Unternehmen bislang nicht, da es sich um einen laufenden Vorgang handele. Angeblich sieht der Aufsichtsrat das Vertrauensverhältnis zu dem Arbeitnehmervertreter zerstört.
Nach Informationen der RNZ geht es um den früheren Betriebsratsvorsitzenden, der Ende Juni zurückgetreten war und dem kurz darauf – mit Zustimmung einer Mehrheit des Betriebsrats – fristlos gekündigt worden war. SAP wirft ihm vor, E-Mails manipuliert zu haben, um einen (mittlerweile ebenfalls ausgeschiedenen) Betriebsratskollegen zu schützen. Der Ex-Betriebsratschef hat das Unternehmen zwar bereits verlassen, das Gewerkschaftsmandat, auf dem er im Aufsichtsrat sitzt, gilt allerdings unabhängig von seiner Anstellung bei dem Softwarekonzern. Entsprechend ist er in dem Gremium nach wie vor vertreten, seine Amtszeit gilt laut offiziellem Eintrag auf der Unternehmenswebseite noch bis 2024.
Gefragt ist nun der Deutsche Bankangestelltenverband (DBV), auf dessen Gewerkschaftsmandat der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat sitzt. Theoretisch hätte er eine Abberufung seines Schützlings längst selbst initiieren können. Trotz entsprechender Initiativen von Seiten der SAP passierte aber bislang nichts.
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Und auf ein Entgegenkommen dürfen die Walldorfer auch jetzt kaum hoffen. Der Betroffene habe sich "nach unserem Wissensstand als Aufsichtsratsmitglied von SAP nichts zuschulden kommen lassen", sagte der DBV-Bundesvorsitzende Stephan Szukalski kürzlich dem Internetportal "Business Insider". Insofern könne er aus Sicht des DBV "einem Abberufungsversuch von SAP eher gelassen entgegensehen".
Update: Mittwoch, 11. August 2021, 20.08 Uhr
Klage von Ex-Betriebsratschef von SAP wird verhandelt
Walldorf. (dpa-lsw) Die Kündigungsschutzklage des früheren SAP-Betriebsratschefs wird am 25. August vor dem Arbeitsgericht Mannheim verhandelt. Es sei ein Gütetermin angesetzt worden, teilte eine Gerichtssprecherin am Mittwoch mit. Der frühere Betriebsratschef des Dax-Konzerns räumte schon vor geraumer Zeit seinen Posten. Ihm war vom Unternehmen gekündigt worden. Dagegen klagt er vor dem Arbeitsgericht.
Gegen ihn und einen weiteren früheren Arbeitnehmervertreter hatte der Softwarekonzern interne Untersuchungen wegen möglicher Unregelmäßigkeiten eingeleitet. Der frühere Betriebsratschef hatte im Juni der RNZ gesagt (siehe unten), der Rücktritt sei "keine leichte Entscheidung" gewesen. Auf seine Beweggründe ging er dabei nicht ein.
Update: Mittwoch, 11. August 2021, 15.40 Uhr
SAP-Betriebsrats-Fall beim Staatsanwalt
Heidelberg. (mk) Der Rechtsstreit um die möglicherweise manipulierte Aufsichtsratswahl 2012 bei der Walldorfer SAP ist inzwischen bei der Staatsanwaltschaft Heidelberg gelandet: "Die Zivilakte des Landgerichts lag zwischenzeitlich hier vor und wurde geprüft", erklärte ein Behördensprecher am Donnerstag auf RNZ-Anfrage. Weitergehende Auskünfte könne er derzeit "aus Rechtsgründen" nicht erteilen.
Dies kann bedeuten, dass die Staatsanwaltschaft den Fall noch prüft, aber auch, dass sie zunächst den Beschuldigten über ihre Ermittlungen informieren will. Prinzipiell darf die Staatsanwaltschaft aber auch Informationen unter Verschluss halten, wenn sie die Ermittlungen erschweren, behindern oder vereiteln würden. Die Behörde hatte in dem Fall bereits 2016 ermittelt, das Verfahren aber vorläufig eingestellt, bis der Zivilprozess beendet ist. Eine Wiederaufnahme der Ermittlungen hatte sie schon Ende Mai nicht ausgeschlossen.
In dem Verfahren geht es eine mögliche Beeinflussung der SAP-Aufsichtsratswahl im Jahr 2012. Der Beklagte sitzt aktuell im Betriebsrat und Aufsichtsrat der SAP SE. Die Klage wurde zwar in einem noch nicht rechtskräftigen Urteil Ende Mai abgewiesen, die Richterin legte in ihrer Begründung aber nahe, dass er an unlauteren Absprachen beteiligt gewesen sei. Zumindest hielt sie seine Unterschrift für echt.
Der Kläger, ein ehemaliger SAP-Mitarbeiter, hatte von ihm die Zahlung von rund 500 00 Euro gefordert – als Gegenleistung dafür, dass er bei der damaligen Wahl von Arbeitnehmervertretern zum Aufsichtsrat bei den Delegierten für ihn geworben habe.
Im Zusammenhang mit diesem Rechtsstreit war der Beklagte vom Betriebsrat der SAP SE durch mehrheitlichen Beschluss Anfang der Woche als Konzernbetriebsratschef abberufen worden. Gleichzeitig wurden vom Unternehmen nach Informationen der RNZ gegen ihn interne Untersuchungen zu möglichen Unregelmäßigkeiten eingeleitet. Angeblich geht es um Arbeitszeitverstöße.
In einer schriftlichen Stellungnahme wies der Betroffene inzwischen darauf hin, dass seine Abberufung aus dem Konzernbetriebsrat unberechtigt sei und nicht mit seiner inhaltlichen Arbeit zu tun habe. Sie sei aus einem "politischen Machtinteresse" heraus erfolgt. "Denn bald stehen Betriebsratswahlen an. Die Verbindung mit dem Gerichtsverfahren wird von meinen politischen Konkurrenten aus Eigeninteresse aufgestellt", teilte er der dpa mit.
Neuer Vorsitzender des Konzernbetriebsrates ist der bisherige Stellvertreter Dieter Mazic. Er führe die Geschäfte, bis der Konzernbetriebsrat eine Entscheidung über den Vorsitz falle, hatte er Anfang der Woche mitgeteilt.
Update: Donnerstag, 10. Juni 2021, 19.15 Uhr
SAP leitet Untersuchungen gegen Betriebsrats-Mitglied ein
Von Matthias Kros
Walldorf. Nach der Abberufung des Vorsitzenden des Konzernbetriebsrats gibt es im Betriebsrat der SAP SE erneut Unruhe. "Wir führen derzeit interne Untersuchungen zu möglichen Unregelmäßigkeiten durch, die in Zusammenhang mit einem Mitglied des Betriebsrats der SAP SE stehen", sagte am Mittwoch ein Unternehmenssprecher auf RNZ-Anfrage. Höchste Sorgfalt sowie der Schutz der Privatsphäre stünden hierbei im Mittelpunkt. "Da es sich um einen laufenden Vorgang handelt, können wir uns nicht weiter äußern."
Um welches Mitglied des Betriebsrates es geht, sagte der Sprecher nicht. Mehrere Quellen bestätigten der RNZ am Mittwoch aber, dass sich die Vorwürfe gegen den Beklagten in dem gerade beendeten Rechtsstreit vor dem Landgericht Heidelberg um eine mögliche Manipulation der Aufsichtsratswahl 2012 richten. Dieser sitzt aktuell als Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat und war noch bis Dienstag Vorsitzender des Konzernbetriebsrats. Im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit war er von diesem Posten allerdings vom Betriebsrat der SAP SE, der ihn entsendet hatte, per Mehrheitsentscheidung abberufen worden. Die Anträge hierfür waren von mehreren Listen gestellt worden und wurden von den Gewerkschaften IG Metall und Verdi unterstützt.
Die Quellen berichteten übereinstimmend, dass sich die eingeleiteten Untersuchungen durch das Unternehmen aktuell allerdings nicht direkt um den Rechtsstreit, sondern um mögliche Arbeitszeitverstöße drehten. Die Personalabteilung der SAP, die den Fall an sich genommen hat, soll von einem Whistleblower, also einem anonymen Hinweis-Geber, aufmerksam gemacht worden sein. Es gehe nun darum, ob der Betriebsrat als Gremium bereit sei, bestimmte Unterlagen zu der Angelegenheit an die Unternehmensleitung zu übergeben, hieß es. Dem müsste eine Mehrheit der Mitglieder zustimmen.
In dem Zivilprozess, der Ursprung des ganzen Ärgers ist (Aktenzeichen 2 O 17/16), war der gerade abberufene Konzernbetriebsratschef, der Beklagte. Der Kläger, der mittlerweile nicht mehr für SAP tätig ist, behauptet, ihm beim Wahlkampf um die Arbeitnehmerplätze im Aufsichtsrat durch entsprechendes Einwirken auf die Delegierten geholfen zu haben. Dafür habe man vertraglich ein Honorar von rund 500 000 Euro festgelegt, das er vor dem Landgericht einklagen wollte.
Die Richterin wies die Klage allerdings ab, da ein solcher Vertrag gegen das Mitbestimmungsgesetz verstoße und dadurch – unabhängig davon ob er existiere oder nicht – nichtig sei. Sie belastete den Beklagten aber auch, indem sie in ihrem Urteil betonte, dass sie nach der Beweisaufnahme überzeugt sei, dass die Unterschrift des Beklagten unter dem Vertrag "echt ist und von diesem stammt". Der Beklagte hatte das während des Prozesses vehement bestritten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Heidelberg zu strafrechtlichen Aspekten sind zudem wahrscheinlich.
Die SAP hatte sich bislang mit dem Hinweis aus dem Fall herausgehalten, dass es sich um eine private Angelegenheit zwischen den beiden Kontrahenten handele. Nach dem Urteil hatte ein Unternehmenssprecher allerdings gesagt, dass man die Entscheidungsgründe des Landgerichts Heidelberg sorgfältig prüfen und im Anschluss eruieren werde, welche Handlungsmöglichkeiten bestünden.
In den vergangenen Tagen war im Umfeld des Unternehmens zudem immer wieder zu hören, dass die Konzernleitung bald tätig werden wolle. Türker Baloglu, Gewerkschaftssekretär der IG Metall Heidelberg, hatte bereits angekündigt, in Kürze auf den Aufsichtsrat und die Personalabteilung zugehen zu wollen, um damit ein Vorgehen zu beschleunigen. Er habe den Eindruck, sagte er der RNZ, dass der Betriebsrat dem umstrittenen Mitglied nicht mehr vertraue und befürchtet, dass sein Verhalten dem Ansehen der Mitbestimmungsorgane schade.
Update: Mittwoch, 9. Juni 2021, 21.05 Uhr
Misstrauensvotum gegen SAP-Konzern-Betriebsratschef
Von Matthias Kros
Walldorf. Der Betriebsrat der Walldorfer SAP hat am Dienstag per Abstimmung die Abberufung des Vorsitzenden des Konzernbetriebsrates beschlossen. Das teilte Türker Baloglu, Gewerkschaftssekretär der IG Metall Heidelberg, mit. Das Gremium habe offenbar kein Vertrauen mehr zu ihm. Der Konzernbetriebsratschef ist selbst Mitglied im lokalen Betriebsrat der SAP SE, von dem er in den Konzernbetriebsrat entsendet worden war. Bei der Abstimmung sollen 27 der 43 Gremiumsmitglieder für die Abberufung votiert haben.
Neuer Vorsitzender des Konzernbetriebsrates wird der bisherige Stellvertreter Dieter Mazic. Er führe die Geschäfte bis der Konzernbetriebsrat eine Entscheidung über den Vorsitz falle, teilte er mit. Die Vorgänge im Betriebsrat der SAP SE könne er aktuell nicht kommentieren. Auch ein Unternehmenssprecher wollte keine Bewertung abgeben. Es handele sich um eine interne Angelegenheit des Betriebsrates, sagte er.
Die Sache ist im Zusammenhang mit dem gerade beendeten Rechtsstreit um eine mögliche Manipulation der Aufsichtsratswahl 2012 vor dem Landgericht Heidelberg zu sehen. In dem Zivilprozess (Aktenzeichen 2 O 17/16) war der jetzt abberufene Konzernbetriebsratschef, der auch Mitglied im SAP-Aufsichtsrat ist, der Beklagte. Der Kläger, der mittlerweile nicht mehr für SAP tätig ist, behauptet, ihm beim Wahlkampf um die Arbeitnehmerplätze im Aufsichtsrat durch entsprechendes Einwirken auf die Delegierten geholfen zu haben. Dafür habe man vertraglich ein Honorar von rund 500.000 Euro festgelegt, das er vor dem Landgericht einklagen wollte. Ohne die Unterstützung des Klägers, der mehrere Delegierte im Vorfeld der Wahl angesprochen haben will, wäre – so seine Darstellung – der Beklagte im Jahr 2012 nicht in den Aufsichtsrat gewählt worden.
Die Richterin wies die Klage allerdings ab, da ein solcher Vertrag gegen das Mitbestimmungsgesetz verstoße und dadurch ohnehin nichtig sei. Sie belastete den Beklagten aber auch, indem sie in ihrem Urteil betonte, dass sie nach der Beweisaufnahme überzeugt sei, dass die Unterschrift des Beklagten unter dem Vertrag "echt ist und von diesem stammt". Der Beklagte hatte das während des Prozesses vehement bestritten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, gleichzeitig kündigte die Staatsanwaltschaft Heidelberg an, den Fall auch nach strafrechtlichen Aspekten zu untersuchen.
Die jetzt beschlossene Abberufung durch den Betriebsrat war vor einigen Wochen auf Initiative von IG Metall und Verdi schon einmal probiert worden. Sein Verhalten schade dem Ansehen der Mitbestimmungsorgane, hatte es geheißen. Der Antrag scheiterte allerdings knapp. Es gab zahlreiche Enthaltungen mit der Begründung, dass das Landgericht noch nicht geurteilt habe, was inzwischen geschehen ist. Deswegen wurde von einem Zusammenschluss mehrerer Listen jetzt ein erneuter Antrag gestellt.
Sein Mandat im Betriebsrat, in das er von der Belegschaft gewählt wurde, wird der Betroffene allerdings behalten. Hier wäre ein Amtsenthebungsverfahren nötig, das allerdings unwahrscheinlich erscheint, da es in der Regel viele Monate dauert und bei SAP Anfang 2022 ohnehin Betriebsratswahlen anstehen. Offizielle Einschätzungen zu dem Fall gab es am Dienstag weder vom Betriebsrat noch vom Konzernbetriebsrat. Das könnte sich in den kommenden Tagen aber ändern. Baloglu von der IG Metall Heidelberg kündigte an, man werde wegen des Rechtsstreits auf die Personalleitung und den Aufsichtsrat zugehen. Der Unternehmenssprecher wiederholte am Dienstag, man werde die Entscheidungsgründe des Landgerichts Heidelberg sorgfältig prüfen und im Anschluss eruieren, welche Handlungsmöglichkeiten bestünden.