Sparkassen-Präsident Helmut Schleweis hofft auf schnelle Erholung der Wirtschaft. . Foto: dpa
Von Andreas Herholz, RNZ Berlin
Berlin. Helmut Schleweis, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, sieht in diesem Jahr einen historischen Einbruch in der wirtschaftlichen Entwicklung, rechnet aber bereits 2021 mit Erholung, wie er im RNZ-Interview sagt.
Herr Schleweis, der "Lockdown light" soll verlängert werden. Mit welchen wirtschaftlichen Folgen rechnen Sie?
Ohne eine stabile Gesundheitslage kann es keine gute wirtschaftliche Entwicklung geben. Die zuletzt noch steigende Kurve kann nur nach unten gedrückt werden, wenn jeder von uns für begrenzte Zeit drei von vier früheren Kontakten vermeidet. Kitas, Schulen und weite Teile des Wirtschaftslebens sollen weiterlaufen. Dann muss aber alles andere drastisch reduziert werden. Das trifft einzelne Branchen wie die Gastronomie und die Freizeitwirtschaft, die gute Hygienekonzepte haben, sehr hart. Die Politik bemüht sich derzeit darum, die verlorenen Umsätze durch Zuschüsse auszugleichen. Man wird aber ehrlich sagen müssen: Auch die November-Zuschüsse werden nicht alle bereits entstandenen Verluste ausgleichen. Die Sparkassen stunden aktuell ja schon rund 184.000 Firmenkunden die Kreditzahlungen, teilweise bis zu neun Monaten. Wir werden aber entgangene Gewinne nicht durch Kredite ausgleichen können. Denn diese müssen ja zurückgezahlt werden. Es ist deshalb sehr wichtig, dass die von der Politik versprochenen Hilfen rasch bei den Betroffenen ankommen.
Rechnen Sie mit steigenden Kreditausfällen?
Im Moment ist das in den Zahlen noch nicht sichtbar, im Gegenteil: Die Zahlungsmoral ist gestiegen, die Verzugstage sinken, es werden weniger Überziehungen in Anspruch genommen. Aber natürlich rechnen wir realistischerweise in den nächsten Jahren mit steigenden Kreditausfällen. Darauf haben sich die Sparkassen wirtschaftlich vorbereitet. Sie werden das bewältigen.
Wie schätzen Sie die weitere wirtschaftliche Entwicklung ein?
2020 ist ein historischer Einbruch, ähnlich wie die Finanzkrise. Schon im Sommer haben wir aber kräftige Aufholbewegungen gesehen. Wenn die aktuellen Maßnahmen zur Eindämmung der Infektionen Erfolg haben, wird es nicht so schlimm werden wie befürchtet. Ich rechne auch 2021 schon mit einer kräftigen Erholung. 2022 wird die deutsche Wirtschaft hoffentlich das meiste verkraftet haben.
Viele Verbraucher sind verunsichert und legen ihr Geld eher auf die hohe Kante. Da müsste genug Geld für Kredite vorhanden sein, oder?
Das ist in der Tat so, die Sparquote ist doppelt so hoch wie üblich. Die Einlagen wachsen derzeit viel schneller als die Kredite. Was gut klingt – hohe Einlagenzuflüsse – ist tatsächlich für uns inzwischen ein großes Problem. Es klingt paradox. Wir freuen uns weiter über jeden Kunden, der zu uns kommt. Jeder Euro, der als Einlage zu uns gebracht wird, kostet uns aber inzwischen real Geld.
Drohen den Kunden jetzt Strafzinsen?
Es widerspricht unserer der Grundüberzeugung jedes Sparkassenvorstands, Einlagen bepreisen zu müssen. Aber wir können auch nicht außer Acht lassen, dass der Zins ein Preis ist, der sich am Markt bildet. Und durch die Geld- und Einlagenflut ist der Marktpreis inzwischen leider negativ. Eine Bundesanleihe etwa hat derzeit je nach Laufzeit eine Rendite von etwa minus 0,6 bis minus 0,75 Prozent. Das betrifft Sparkassen und Kunden bei ihren Anlagen gleichermaßen.
Ab welcher Höhe werden Strafzinsen fällig?
Die Bedingungen werden sich im Wettbewerb herausbilden. Ich hoffe sehr, dass der Markt solche Verwahrentgelte erst ab höheren Einlagensummen fordern wird.