"Hoffe" braucht noch ein Ass im Sturm
Holprige Generalprobe beim 1:1 gegen SD Eibar - Kerem Demirbay zieht sich eine Außenband-Ruptur zu

Gemischte Gefühle: Bicakcic bejubelt das 1:0 mit Amiri ...
Von Joachim Klaehn
Sinsheim. Die Tür zum Pflichtspielstart und Saisonbeginn ist bei der TSG 1899 Hoffenheim weit geöffnet - und doch scheint seit Samstagnachmittag eine gewisse Nachdenklichkeit ins "Nagelsmann-Haus" mit eingezogen zu sein. Cheftrainer Julian Nagelsmann registrierte die holprige Generalprobe beim 1:1 (0:0) gegen den spanischen Erstligisten Sociedad Deportivo Eibar mit einem flauen Gefühl: "Es war heute eine wellenhafte Leistung von uns mit guten und weniger guten Phasen. Der Gegner war besser als die vorherigen. Dennoch ist es gegen eine so hoch stehende Kette ohne Druck auf den Ball möglich, acht Tore zu schießen. Wir hätten natürlich aber auch zwei oder drei Tore kriegen können."
Dem Perfektionisten Nagelsmann war nach einer "insgesamt sehr guten Vorbereitung" das Hauptmanko nicht entgangen. Gerade im letzten Spieldrittel haperte es an Geduld, Ideenreichtum und Präzision für den finalen Pass - somit an einer Spielsequenz, die im einwöchigen Trainingslager von Windischgarsten bis ins Detail geübt worden war. Insofern ließ sich vor 9 450 Besuchern bei der offiziellen Saisoneröffnung trefflich darüber streiten, ob das letzte Testspiel mit den Treffern von Ermin Bicakcic (61.) und Kapitän Kevin Vogt (83./Eigentor) unter den widrigen Platzverhältnissen litt - der Rasen in der Rhein-Neckar-Arena wies aufgrund der Hitzewelle und eines Pilzbefalls viele braune Stellen und Löcher auf -, oder ob es eben an den eigenen Unzulänglichkeiten an vorderster Front oder der Spielstärke dieser widerspenstigen Basken lag, die ihrerseits ziemlich physisch agierten und eindrucksvoll den Nachweis erbrachten, dass Teams aus der Primera División über eine gute Technik und Ballsicherheit verfügen.
Aufs Gemüt schlug den Hoffenheimern eine andere Szene: Regisseur Kerem Demirbay hatte sich im Mittelfeld bei der Landung nach einem Kopfball-Duell erneut schwer verletzt (53.). Schon das Mienenspiel von Mannschaftsarzt Dr. Thomas Frölich und Physiotherapeut Peter Geigle verhieß bei der Erstversorgung am Rande des Terrains nichts Gutes. Am Sonntag folgte die Diagnose nach einer MRT-Untersuchung in Heidelberg: Außenband-Ruptur im linken Sprunggelenk. Demirbay dürfte somit Wochen lang ausfallen.
Also sind vor dem DFB-Pokalmatch am Samstag (15.30 Uhr) beim Drittligisten 1. FC Kaiserslautern die Sorgen größer geworden. Benjamin Hübner (Gehirnerschütterung), Florian Grillitsch (muskuläre Probleme) und der frischgebackene kroatische Vize-Weltmeister Andrej Kramaric (Innenbanddehnung im Knie) laborieren an Verletzungen, hinzu kommt der jüngste Rückschlag für Demirbay. All die Genannten gelten als fester Bestandteil der Startelf-Formation.
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Gemessen an den gehobenen Ansprüchen des Kraichgauklubs, die Nagelsmann unlängst in Oberösterreich klar für die Bereiche Bundesliga, Pokal und Champions League definierte, existiert an vorderster Front doch noch Personalbedarf. Denn nach den Abgängen von Sandro Wagner, Serge Gnabry (beide FC Bayern München) und Mark Uth (FC Schalke 04) fehlt es an einem Baustein im Gesamtkomplex: Kramaric könnte einen weiteren Topstürmer an seiner Seite bestens gebrauchen, zumal Adam Szalai, vor allem aber Joelinton oder "Rookie" David Otto eher als Ergänzungsspieler zu betrachten sind. Neuzugang Ishak Belfodil mag variabel in der Abteilung Attacke einsetzbar sein, freilich sind Zweifel an seiner Auffassungsgabe, Schnelligkeit und Dynamik erlaubt. Der Algerier konnte bislang weder in den Trainingseinheiten noch bei den Testpartien voll überzeugen.
Nagelsmann wollte verständlicherweise dem letzten Formcheck nicht allzu viel Aussagekraft zuschreiben. Man habe in der vergangenen Woche auch der extremen Hitze Tribut gezollt und "trockene Standards" einstudiert. "Die ersten zehn Minuten der zweiten Halbzeit waren gut, danach wurden die Beine schwer", konstatierte Nagelsmann, "ich freue mich, dass es jetzt los geht."
Ernsthafte Bedenken, dass Andrej Kramaric den Verein vorzeitig verlässt, braucht derweil niemand zu haben. Der kroatische Wirbelwind arbeitet an seinem Comeback, ist bei der TSG unstrittig Offensivkraft Nummer eins und darf wie alle die historische Premiere in der Königsklasse genießen. "Wir träumen davon, die Gruppenphase zu überstehen", so Kramaric am Samstag in der Mixed Zone, "ich würde gerne gegen Real und Barcelona spielen, weil wir dann auf Luka Modric und Ivan Rakitic treffen." Er musste dabei breit schmunzeln.
Zu den Hoffenheimer Zielen im Bundesliga-Geschäft äußerte sich der gebürtige Zagreber ebenfalls. "Jeder weiß, dass unser Trainer mit dem dritten Platz nicht zufrieden wäre. Ich vertraue dieser Mannschaft - und ich hoffe, dass die Bayern nicht so stark sein werden wie sonst immer." Letzteres hofft inständig die gesamte Fußballrepublik …
Hoffenheim: Baumann - Adams, Vogt, Bicakcic, Kaderabek (73. Brenet), Amiri, Demirbay (55. Zuber), Grifo, Schulz (73. Posch) - Joelinton (71. Belfodil), Szalai (71. Otto).
Eibar: Yoel - Calavera (46. Elgezabal), Paulo, Arbilla, Cote (81. Bigas) - Orellana, Pape Diop, Escalante - Bebé (81. Sergio Álvarez), Kike García, Sergi Enrich (67. Xesc Regis).
Tore: 1:0 Bicakcic (61.), 1:1 Vogt (83./Eigentor); Zuschauer: 9 450.