Ex-Hoffenheimer Andreas Beck: "Das lässt niemanden kalt"

Der Verteidiger von Besiktas spricht im Interview über den Terror in der Türkei, die Süperlig und seinen Weggang von Hoffenheim

25.03.2016 UPDATE: 26.03.2016 06:00 Uhr 3 Minuten, 7 Sekunden

Andreas Beck

Von Tobias Schächter

Istanbul. Zwischen zwei Trainingseinheiten mit Besiktas Istanbul nimmt sich der ehemalige Hoffenheimer Kapitän Andreas Beck am Donnerstag Zeit für ein Telefoninterview mit RNZ-Mitarbeiter Tobias Schächter. Der 28-Jährige spricht über die Unterschiede zwischen dem türkischen und dem deutschen Fußball, Sport in Zeiten des Terrors und seinen Abschied aus Hoffenheim.

Andreas Beck, acht Spieltage vor Saisonende führen Sie mit Besiktas die Tabelle der Süperlig an, Sie sind einer der Publikumslieblinge. Läuft die Saison genauso, wie sie sich das letzten Sommer vorgestellt haben?

Ich weiß nicht, ob man sich so etwas vorstellen kann. Ich wollte wechseln, um internationale Erfahrung zu sammeln und um einen Titel mitzuspielen. Wir haben uns super gefunden. Es ist jetzt ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Fenerbahce um die Meisterschaft und ich hoffe, dass wir am Ende den Titel holen.

War die Integration für Sie bei Besiktas einfacher, weil dort viele Spieler mit deutsch-türkischem Hintergrund unter Vertrag stehen?

Ich weiß nicht, wie es gewesen wäre, wenn ich woanders hingewechselt wäre. Aber die Konstellation hier hat gerade am Anfang natürlich einiges leichter gemacht.

Ihr Mannschaftskamerad Mario Gomez schaffte wieder den Sprung in die deutsche Nationalmannschaft nach dem Wechsel in die Türkei …

… ja, er hat mit bislang 19 Treffern einen Rekord gebrochen: Noch nie traf ein Ausländer so oft für Besiktas in einer Saison. Das ist nicht selbstverständlich, er hatte ja zwei schwere Jahre in Italien. Aber Mario war immer eine Tormaschine. Er hat hier bei Besiktas bewiesen, dass man mit einer guten Einzelleistung in einer gut erfolgreichen Mannschaft viel erreichen kann. Wir kennen uns ja schon aus den U-Mannschaften beim VfB-Stuttgart. Dass wir jetzt nach dem Titel mit dem VfB 2007 nun in Istanbul wieder um die Meisterschaft spielen, ist natürlich eine schöne Geschichte.

Wie beurteilen Sie das Niveau der türkischen Liga im Vergleich zur Bundesliga?

Die Ligen sind schwer zu vergleichen. In Deutschland stimmt das Gesamtpaket von der Ausbildung von unten bis zu den Profis, die Stadien sind voll. Aber die Vereine in der Türkei haben auch ein hohes Niveau, man muss sich nur die Aufstellungen der Spitzenvereine anschauen. Viele neigen ja dazu, die türkische Liga zu unterschätzen, dieser Meinung bin ich überhaupt nicht. Hier muss man auch erst einmal bestehen, das ist Leidenschaft pur, auch innerhalb der Klubs. Hier können 20 000 Fans mehr Stimmung machen als 50 000 in Deutschland. Gerade vor Derbys nimmt die Begeisterung schon manchmal extrem enthusiastische Züge an.

Vergangen Sonntag musste das Derby zwischen Galatasaray und Fenerbahce wegen einer Terrorwarnung abgesagt werden, zwei Tage vorher ging eine Bombe in Istanbul hoch, vier Menschen kamen ums Leben. Eine Woche zuvor starben 37 Menschen bei einem Attentat in Ankara. Die Türkei ist ein unsicheres Land geworden, wie gehen Sie damit um?

Wenn man die Bilder von diesen Attentaten sieht, lässt das niemanden kalt, das macht einem schon nachdenklich. Die Stimmung in der Stadt ist derzeit doch bedrückt. Was den Alltag betrifft, gehe ich zurzeit nicht unbedingt ins Stadtzentrum, oder zu den touristischen Attraktionen. Aber das mache ich auch die ganze Zeit schon zwangsläufig so, weil man als Profi eines großen Istanbuler Vereins sofort erkannt wird. Man schaut nach vorne und hofft, dass sich die Situation schnell wieder ändert, weil Istanbul eine wahnsinnig lebendige und lebensfrohe Stadt ist. Ich hoffe, dass man diese Lebensfreude bald wieder spürt.

Kann es so weit kommen, dass Sie die Türkei aufgrund der unsicheren Lage wieder verlassen, obwohl Sie das eigentlich gar nicht wollen?

Bisher nicht, ich fühle mich in Istanbul und bei Besiktas sehr wohl. Ich hoffe, dass sich die Lage entspannt und nicht schlimmer wird.

Sie verfolgen aus der Ferne sicher die Saison der TSG Hoffenheim. Glauben Sie, dass die TSG den Abstieg vermeiden kann?

Ich denke, nach dem Trainerwechsel zu Julian Nagelsmann ist das Momentum absolut auf Hoffenheimer Seite. Während andere Vereine hintenreinrutschen, hat die aktuelle Quote der TSG nichts mit der eines Absteigers zu tun. Ich bin mir sicher, dass die Mannschaft den Klassenerhalt schafft. Sie müssen zwar noch Spiele gewinnen, aber das müssen die anderen auch. Es sieht gut aus, sie dürfen sich nur nicht ausruhen.

Wie sehen Sie im Nachhinein Ihren Weggang aus Hoffenheim? Nach dem letzten Spiel der vergangenen Saison teilte Ihnen der damalige Trainer Markus Gisdol noch in der Kabine mit, dass Sie in der neuen Runde nicht mehr Kapitän seien. Trauern Sie deswegen der Zeit in Hoffenheim weniger hinterher?

Ach, überhaupt nicht, ich hatte eine sehr intensive, lehrreiche und gute Zeit in Hoffenheim. Wir haben vorne mitgespielt, wir haben hinten mitgespielt, ich habe bei der TSG so viele Bundesligaspiele machen dürfen, dafür bin ich dankbar. Für mich persönlich war es aber Zeit für eine neue Herausforderung. Als das Interesse von Besiktas kam, war es dann für mich klar, dass ich die Herausforderung annehmen will, ich wollte ja immer im Ausland spielen. Ich weiß nicht, wie es gekommen wäre, wäre die Konstellation nach der vergangenen Runde anders gewesen. So wie es am Ende gekommen ist, war es aber genau richtig.

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