Fußball-Nationelf

Die Bereicherung aus dem Kraichgau

Ein ehemaliger und ein aktueller Akteur der TSG Hoffenheim helfen mit, die Nationalmannschaft besser, weil vielfältiger zu machen

06.10.2017 UPDATE: 07.10.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 15 Sekunden

Vier Spiele im A-Team, vier Tore: "Hoffe"- Stürmer Sandro Wagner. Foto: dpa

Von Frank Hellmann

Belfast. Natürlich ist Sandro Wagner nicht gleich in Belfast auf die Barrikaden gegangen, wie das früher passierte, wenn sich Protestanten und Katholiken begegneten. Aber zu einer Journalistenfrage wollte der Fußballprofi an diesem Abend im Windsor Park mal gar nichts sagen: Warum hat es so lang gedauert, dass dieser U21-Europameister 2009 mit den vielen Kollegen wieder vereint ist? Das Thema sei schon tausendmal besprochen worden, murrte der gebürtige Münchner und zog demonstrativ die Mundwinkel nach unten: "Das ist langweilig!" Gegenfrage: "Gibt es etwas anderes?"

Gab es natürlich, weil der eigenwillige Mittelstürmer mal wieder einen erfolgreichen Einsatz im DFB-Dress hatte. Viertes Spiel, viertes Tor. Im A-Team. Der bald 30-Jährige erzählte grinsend, nur der Aufforderung des Nationalmannschaftsmanagers nachgekommen zu sein: "Oliver Bierhoff hatte zu mir gesagt, ich muss meine Quote halten - und daran habe ich mich gehalten." Es wirkte zuvor ein bisschen überraschend, dass ausgerechnet der kantige Angreifer von der TSG Hoffenheim gegen die bei West Bromwich Albion in der Premier League gestählten Abwehrkanten Jonny Evans und Gareth McAuley derjenige sein sollte, der die Lücken reißt - aber letztlich war der für seine Statur recht bewegliche Wellenbrecher die deutsche Königslösung.

Zwei Beinahe-Toren folgte der famose Linksschuss zum 2:0. Hätte das Timo Werner wirklich besser gemacht? Hätte Mario Gomez derart eindrucksvoll getroffen? Mister Selbstbewusst scheute sich nicht, die Vergleiche zu kommentieren: "Timo ist ganz anderer Stürmer als ich. Mario und ich sind zwar ähnliche Typen, aber von der Spielweise komplett anders. Er hat seine Qualitäten, ich habe meine." Sollte heißen: Sind wir doch alle froh über die neue Vielfalt ganz vorn.

Nach dem Halbfinal-Aus bei der EM hatte die Debatte über fehlende Mittelstürmer hierzulande ungemein Fahrt aufgenommen, bis sich damals derjenige zum Thema zu Wort meldete, der mit seinen 14 Toren gerade dem Underdog SV Darmstadt 98 zum Klassenerhalt verholfen hatte: So etwas passiere halt, wenn der beste deutsche Torjäger zuschauen müsste. Heute lacht über diese Ansage niemand mehr, denn Wagner hat dazugelernt. Als Zeitzeuge damals und heute taugt Jerome Boateng, der gerne erklärte, was bei Wagner alles anders geworden ist: "Er hat sein Spiel ein bisschen verändert, er setzt sehr gut seinen Körper ein. Er hat einen besseren Abschluss und ist ein bisschen ruhiger vor dem Tor geworden."

Und so hat auch Joachim Löw alle Vorbehalte über Bord geworfen. Für die WM 2018 verfügt der Bundestrainer über vier, vielleicht sogar fünf Sturm-Varianten: Es gibt ja noch den Zielspieler Gomez, den Sprinter Werner, den Raumdeuter Lars Stindl und vielleicht sogar den Ballfesthalter Mario Götze.

"Über die Offensive brauchen wir uns keine Gedanken machen, das gibt kein Kopfzerbrechen: Wir haben gute Spieler, die wenige Chancen für ein Tor brauchen", glaubt die aktuelle Nummer neun. Wagners Vorteil: "Ich habe keinen Druck, ich habe Spaß." Im Nebensatz erwähnte der 1,94-Meter-Mann, dass er doch nur Abgesandter eines "kleinen Klubs" sei, was bei Hoffenheim bezogen auf die Einwohnerzahl definitiv stimmt.

Doch ansonsten ist die Nische im idyllischen Kraichgau zu einem der wichtigsten Zulieferer der Nationalmannschaft geworden. Was sich auch daran ausdrückt, wie der Stellenwert von Sebastian Rudy gewachsen ist, der bereits zu Hoffenheimer Zeiten von Löw berufen wurde. Der 27-Jährige musste nur bis zu seinem 22. Länderspiel warten, um erstmals als Torschütze in Erscheinung zu treten. Sein furioser Fernschuss zum 1:0 gegen Nordirland schien wie geeignet, um diesen häufig unterbewerteten Nationalspieler mal aufs Podium zu heben. Was gerne Wagner erledigte: "Es war ein guter Schachzug der Bayern, so einen ablösefrei zu holen. Es tut uns sehr weh, dass er in Hoffenheim fehlt - wir haben nicht mehr das Niveau ohne ihn."

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