TSG 1899 Hoffenheim nach Nagelsmann
In Hoffenheim schaut alles auf Alfred Schreuder. Der neue Chefcoach hat nicht nur als Nachfolger von Senkrechtstarter Julian Nagelsmann eine schwere Aufgabe übernommen. Auch der personelle Aderlass im Kraichgau ist groß.

Möchte, dass seine Mannschaft mit Herz auf dem Fußballfeld agiert: Hoffenheims Trainer Alfred Schreuder. Foto: APF
Von Ulrike John und Nikolas Beck
Bad Wimsbach-Neydharting. Der Doppeltest zum Abschluss des Trainingslagers in Österreich brachte auch kaum Antworten auf die vielen Fragen rund um die TSG 1899 Hoffenheim. Der Fußball-Bundesligist ist nach dem Abgang von Star-Trainer Julian Nagelsmann und den teuren Verkäufen von Kerem Demirbay, Nico Schulz und Joelinton eine Wundertüte: Wird der Substanzverlust irgendwie aufgefangen? Schlägt der neue Chefcoach Alfred Schreuder ein? Werden die Torjäger Andrej Kramaric und Ishak Belfodil rechtzeitig fit? Und vor allem: Lassen die Kraichgauer auch noch U21-Vize-Europameister Nadiem Amiri zu Bayer Leverkusen ziehen?
Fest steht: Der Substanzverlust im Jahr eins nach Nagelsmann ist enorm. Der letztjährige Tabellenneunte wird auf dem Transfermarkt wohl noch nachlegen, auch wenn der Kader bereits 30 Profis umfasst. Beim 0:0 am Donnerstagabend zunächst gegen Hellas Verona und beim 3:3 gegen Trabzonspor (Tore: zweimal Adam Szalai, einmal Amiri) gab das lange verletzte Toptalent Dennis Geiger sein Comeback. Dafür fehlten die so wichtigen Torjäger Kramaric (Knieprobleme) und Belfodil, der nach seinem Kreuzbandanriss noch nicht voll im Mannschaftstraining steht.
Über die Zielsetzung für die neue Saison ohne Europacup-Teilnahme mochte in Windischgarsten keiner der Verantwortlichen groß reden. "Wir wollen einen Fußball spielen, den das Publikum liebt, mit dem sich alle Leute identifizieren können", sagte Schreuder nur. Der Niederländer, früher Assistent von Nagelsmann und zuletzt Co-Trainer beim Champions-League-Halbfinalisten Ajax Amsterdam, weiß auch: "Drei Topspieler sind weg, die Neuen brauchen Zeit, um reinzukommen."
Für das neue Trio musste Sportchef Alexander Rosen nicht besonders tief in die mit mittlerweile etwa 100 Millionen Euro gefüllte Kasse aus Transfereinnahmen greifen: Sargis Adamyan (SSV Jahn Regensburg), Ihlas Bebou (Hannover 96) und Konstantinos Stafylidis (FC Augsburg) kosteten zusammen keine zehn Millionen Euro.
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Im Angriff macht Bebou, so Schreuder, "einen richtig starken Eindruck". Der schnelle Deutsch-Togolese ist freilich ein ganz anderer Stürmertyp als der wuchtige Joelinton, den Hoffenheim diese für etwa 45 Millionen zu Newcastle United verkauft hat. Große Hoffnungen macht Vicenzo Grifo: Die Leihe zum SC Freiburg hat den gebürtigen Pforzheimer gestärkt, im dritten Anlauf will er nun endlich den Durchbruch im Kraichgau schaffen. "Er macht eine sehr gute Vorbereitung", lobte Schreuder. "Und seine Standards sind mit die besten in der Liga." Grifo ist der vielversprechendste von gleich sieben Spielern, die nach Leihen zurück zur TSG gekehrt sind, dazu noch der Schweizer Steven Zuber, der zuletzt beim VfB Stuttgart war.
Eine spielerische Revolution wird unter Schreuder nicht erwartet. "Die Art und Weise, wie wir es angehen, wird ähnlich sein. Julian hat hier einen super Job gemacht", sagte Niederländer. Dem zu RB Leipzig abgewanderten Nagelsmann will niemand mehr nachtrauern. "Es war an der Zeit für einen Tapetenwechsel", sagte der lange verletzte Lukas Rupp. Die Philosophie von Schreuder sei aber ähnlich: "Offensiv alles im höchsten Tempo." Und wenn dem 46-Jährigen etwas nicht passe, "dann wird er lauter. Er ist schon knallhart und direkt."
Kapitän der TSG soll Abwehrchef Kevin Vogt bleiben, der neben Benjamin Hübner als gesetzt gilt. Das gilt auch für den "Sechser" Florian Grillitsch. Mittelfeldspieler Amiri war nach seinen starken Auftritten bei der U21-EM in Italien auch im Trainingslager mit Feuereifer dabei. Ob er doch noch nach Leverkusen wechselt, darüber sprach der 22-Jährige nicht öffentlich. "Wir hoffen alle, dass er hier bleibt. Es liegt an ihm. Stand jetzt ist er Hoffenheimer. Ob er das bleibt, das weiß man nie im Fußball", sagte Schreuder.