Der Rückhalt: Andreas Palicka war beim Heimsieg über den Bergischen HC einer der Matchwinner. Foto: vaf
Von Daniel Hund
Mannheim. Und am Ende lächelten sie dann doch noch, die Rhein-Neckar Löwen. Spät war’s da schon. Kurz nach 22 Uhr. Nacheinander stiefelten die Gelben am Samstagabend in Richtung Arenabauch. Ein echtes Kampfspiel lag da hinter ihnen, ein 26:20 (15:9)-Arbeitssieg gegen den Bergischen HC. Geballte Freude und grenzenloser Jubel? Fehlanzeige! In den Gesichtern war vor allem eins abzulesen: Erleichterung. Denn ganz ohne Zittern ging es auch diesmal nicht.
Wenig später saß Trainerfuchs Nikolaj Jacobsen, 47, oben auf dem Podium im Presseraum. Den Daumen am Kinn, den Zeigefinger an der Stirn, die Spiel-Statistik vor der Nase - grübel, grübel und studier. Was ihm nicht passte? Na, diese ersten 10, 15 Minuten nach der Pause natürlich. Eine Phase, in der plötzlich nichts mehr stimmte, der totale Löwen-Zusammenbruch drohte. "Diese Minuten", legte Jacobsen nochmals den Finger in die Wunde, "diese Minuten werde ich so schnell nicht vergessen. Ich erwarte mehr von den Jungs. Kämpferisch bewegen wir uns leider nicht immer am Optimum." Und weiter: "45 Minuten lang war das diesmal gut, aber warum kriegen wir das nicht über 60 Minuten hin?"
Eine Frage, die in dieser Saison irgendwie Programm ist, denn die Formkurve geht hoch und runter. Insbesondere nach der Pause gehört eine kollektive Tiefschlafphase mittlerweile fast schon dazu. Jacobsen weiß das. Am Samstag wirkte der Däne ratlos: "Wir hatten uns in der Kabine während der Pause extra nochmals eingeschworen, haben klar angesprochen, dass die ersten zehn Minuten ganz wichtig sind, weil wir uns da schon vorentscheidend absetzen können und dann das."
In Zahlen: Die 15:9-Pausenführung schrumpfte und schrumpfte. Beim 15:13 (38.) platzte dem Weltmeister auf der Löwen-Bank dann der Kragen. Jacobsen tobte, schnappte sich die "Grüne Karte" und knallte sie auf den Zeitnehmertisch: Auszeit! Eine Standpauke von 60 Sekunden folgte. Und die fruchtete. Glänzen war danach dann zwar auch nicht mehr angesagt, aber Disziplin und Leidenschaft kehrten zurück. Der Rest war Formsache, der Sieg nie mehr ernsthaft in Gefahr.
Trotzdem war es wieder einmal einer dieser Auftritte, die nicht nur die Fans nachdenklich machen. Wo ist sie nur hin, diese Leichtigkeit, mit der die Löwen die letzten drei Jahre das deutsche Handball-Oberhaus dominiert haben? Die Negativspirale begann eigentlich schon in der letzten Saison nach einem der größten Erfolge der Vereinsgeschichte: Anfang Mai 2018 setzten sich die Löwen im elften Anlauf endlich beim Final Four in Hamburg die Krone im DHB-Pokal auf. Der Jubel war grenzenlos und auch die dritte Meisterschaft in Folge schien nur noch Formsache zu sein. Doch es kam anders, richtig bitter: Die gelben Riesen rutschten aus der Spur, verspielten tatsächlich noch den Titel und seitdem ist nichts mehr wie es war. Das Selbstverständnis ist weg. Hinzu kam im Sommer 2018 ein großer Umbruch.
Rückschläge gab es in dieser Saison schon ein paar. Aber der vom vergangenen Mittwoch war offenbar ein Mega-Tiefschlag, der auch am Samstag noch nachwirkte. Bei Andreas Palicka, 32, dem starken Löwen-Keeper, zum Beispiel. Angesprochen auf den Sieg gegen den BHC wich der Schwede aus und rückte ganz bewusst nochmals die 27:30-Pleite gegen Skopje in den Fokus: "Für diese Leistung muss und will ich mich bei den Fans noch einmal entschuldigen, das war eine Katastrophe. Ich schäme mich dafür", sagte Palicka mit versteinerter Miene. Gleichzeitig nahm er seine Kollegen aber auch in Schutz: "Gegen Skopje hatte das nichts mit Arroganz zu tun, sondern damit, dass wir in diesem Spiel unsere Leistung einfach nicht gefunden haben." Sei’s drum, der Sieg über den BHC war - klammert man die Tiefschlafphase nach dem Wechsel mal aus - ein Schritt in die richtige Richtung. Gerade die Abwehr stand sicher, ließ kaum etwas zu. Am Donnerstag ab 19 Uhr werden sie in Minden mehr davon brauchen.
Spielfilm: 2:2, 3:4, 7:5, 10:8, 15:9 (Halbzeit), 15:13, 21:18, 23:19, 26:20 (Endstand).
Löwen: Guardiola 5, Petersson 5, Radivojevic 4, Sigurdsson 3, Kohlbacher 3, Lipovina 2, Larsen 2, Taleski 2.
BHC: Nippes 6/2, Dari 3, Bettin 2, Kotrc 2, Baena 1, Fraatz 1, Criciotoiu 1, Baback 1, Gutbrod 1, Arnesson 1
Zuschauer: 9137