Mega-Reflex: So will Löwe Andreas Palicka am Sonntag auch in Kiel glänzen. Foto: vaf
Von Daniel Hund
Heidelberg. Wenn die Rhein-Neckar Löwen in den letzten Jahren in der altehrwürdigen Kieler Ostsee-Halle am Ball waren, dann stets unter dem Prädikat Topspiel. Diesmal ist das anders: Der THW Kiel steuert als Spitzenreiter zielsicher der Meisterschaft entgegen, während die Löwen schwächeln, als Sechster den eigenen Ansprüchen hinterherhinken. "Natürlich würden wir da jetzt auch lieber als Zweiter hinfahren", lächelt Andy Schmid, 36, vor dem Nord-Süd-Duell, das am Sonntag um 13.30 Uhr angepfiffen wird. "Doch das ist hier eben kein Wunschkonzert." Und jetzt kommt’s: "Aber wir fahren wieder dorthin, um zu gewinnen."
Gesagt hat der Spielmacher der Badener das übrigens nicht einfach so, sondern mit versteinerter Miene, voll fokussiert und entschlossen. Eben so, wie jemand, der wirklich an die Chance im hohen Norden glaubt, der dem ruhmreichen THW Kiel im eigenen Wohnzimmer weh tun möchte.
Martin Schwalb, 56, der neue starke Mann auf der Trainerbank, hat daran einen großen Anteil. Innerhalb von nur einer Woche hat der einstige Meistermacher des HSV Hamburg die Löwen-Brust wieder breit gemacht, das Wir-Gefühl gestärkt. Und ganz wichtig: den Spaß zurückgebracht. Es wird wieder gelächelt. Auf und abseits der Platte.
Andererseits: Gute Laune allein wird am Sonntag nicht reichen. Nicht in Kiel, nicht beim wiedererstarkten Rekordmeister. Schmid sagt es so: "Wenn du in Kiel etwas holen willst, dann muss vor allem auch Kiel mitspielen." Was er damit meint? Na, dass man selbst am Optimum kratzen muss und die Nordlichter eben keinen Sahnetag erwischen dürfen. Sie müssen es zu lassen, nur dann können die Löwen glänzen. Das Hinspiel taugt hier als Paradebeispiel: Kiel dominierte, zog locker und leicht auf sieben Tore davon, brach dann aber ein und kassierte am Ende eine 25:26-Pleite.
Mit Schwalb soll nun der zweite Streich gelingen. Und der ist heiß, kann es kaum erwarten. "Ich stand in den letzten Jahren oft oben in dieser Halle und habe mir gedacht: ’Ach, das ist schon schön hier’."
Zuletzt war "Schwalbe" immer als Kommentator für Sky dabei, als Trainer, als Chef der Löwen, ist es nun natürlich doppelt schön: "Wir werden uns gezielt auf dieses Spiel in diesem Handball-Tempel vorbereiten", zuckt Schwalb mit den Schultern und schickt ein selbstbewusstes Lächeln hinterher.
Klar ist: Kiel wird dieses Spiel sehr ernst nehmen. Spätestens seit dem Schwalb-Coup sowieso. Den "Zebras" ist nämlich nicht entgangen, dass unter dem gebürtigen Stuttgarter wieder eine völlig andere Mannschaft auf dem Feld steht. Und eine, die in den letzten Wochen verstärkt nach Kiel geschaut hat. Patrick Groetzki, 30, zum Beispiel: "Also in der Champions League haben sie zuletzt ja zweimal verloren", stichelt der rechte Flügelmann. Wobei natürlich auch Groetzki weiß, dass der THW bereits vor diesen zwei Pleiten als Gruppensieger feststand.
Für Andreas Palicka, 33, steht am Sonntag eine Reise in die Vergangenheit an. Der Löwen-Keeper spielte von 2008 bis 2015 für Kiel, feierte dort große Erfolge: Sechs deutsche Meisterschaften, vier Pokalsiege und zwei Champions-League-Titel. Quasi das volle Programm – ohne dabei jedoch wirklich komplett im Rampenlicht zu stehen. "Palle" war der Schattenmann von Thierry Omeyer, der französischen Torhüter-Legende.
Dem Spiel am Sonntag fiebert der Schwede gelassen entgegen: "Für den THW sieht es in der Tabelle schon sehr gut aus, aber wir werden mit einem großen Selbstvertrauen anreisen. Es muss unser Anspruch sein, dort etwas zu holen."
Der Kiel-Trip beginnt für die Löwen am Samstag. Nachdem morgens um 9.30 Uhr noch ein Videostudium im Kronauer Trainingszentrum ansteht, hebt um 12 Uhr der Flieger ab. Diesmal geht es übrigens direkt nach Kiel, die ansonsten übliche Übernachtung in Hamburg wurde gecancelt. Schwalb: "Die Jungs sollen am Spieltag direkt vor Ort sein und nicht nochmals länger im Bus sitzen."