Vladan Lipovina blieb oft an der Abwehr hängen, erzielte aber dennoch fünf Tore. Foto: vaf
Von Daniel Hund
Bietigheim. Preisfrage: Was macht ein Gudjon Valur Sigurdsson, wenn er mal nicht gespielt hat? Klimmzüge! Kein Witz: Kaum hatten die Rhein-Neckar Löwen am heutigen Sonntag ihren 36:21 (20:11)-Sieg bei der SG BBM Bietigheim eingefahren, hangelte sich der Isländer, der als Musterprofi bekannt ist, in schwindelerregender Höhe durch die Katakomben der Ege-Trans-Arena. Jannik Kohlbacher, der Kreis-Koloss der Badener, redete lieber. Und das war gut so. Mit seinem 120-Kilo-Körper hätte der Nationalspieler die Stange möglicherweise komplett aus der Verankerung gerissen. "Das", pustete der Bensheimer tief durch, "das war schon sehr souverän heute von uns. Wir haben es 60 Minuten voll durchgezogen."
Und das anders als sonst: Trainer Nikolaj Jacobsen schmiss im Schwabenland die Rotationsmaschine an, schickte bis auf wenige Ausnahmen die zweite Reihe aufs Feld. Jerry Tollbring, Bogdan Radivojevic und Jesper Nielsen begannen, breiteten gleich mal in der Abwehr die Arme aus. Schonen für Barcelona lautete da wohl die Devise. Das ist gut so, aber eben auch nicht ungefährlich. Denn auch Bietigheim ist keine Laufkundschaft. "Wenn du hier nicht hundert Prozent gibst, kannst du auch verlieren. Ich weiß das aus eigener Erfahrung", grinste Kohlbacher leicht gequält.
Dass sie etwas drauf haben, zeigten die Bietigheimer dann auch. Sie blieben dran, fanden in der Anfangsphase immer wieder Lücken in der wackligen Löwen-Defensive. Die ersten zehn Minuten ging es hin und her, vor und zurück. Auf Augenhöhe durchs Arena-Oval. Musste man sich etwa Sorgen um die Löwen machen? Nicht wirklich. Es lief nun von Minute zu Minute besser. Mitte der ersten Halbzeit sorgte der Blick auf den Videowürfel bereits für Kopfschmerzen, wenn man die SG Bietigheim im Herzen trägt. 10:5 stand es da (14.).
Der gelbe Angriffswirbel überforderte den Aufsteiger. Jeder durfte nun mal und alle trafen auch mal. Vor allem einer befand sich im Dauerfeuer-Modus: Mads Mensah Larsen. Der Däne war kaum zu halten, machte in den ersten 20 Minuten, was er wollte. Vier Versuche, vier Tore!
Langsam aber sicher kristallisierte sich dann eben doch der erwartete Klassenunterschied im Landesderby heraus. Mit einem 20:11 ging es in die Pause. Längst war die Vorentscheidung gefallen. Also wurde weiter rotiert. Jetzt durfte auch Vladan Lipovina am gegnerischen Kreis wirbeln, Selbstvertrauen holen für die nächsten Aufgaben. Geklappt hat das nur bedingt. Der 1,98 m-Mann probierte viel, wurde für seinen Mut aber selten belohnt. Immerhin waren es am Ende fünf Treffer, die auf seine Kappe gingen. "Bei Vladan merkt man, dass er noch etwas nervös ist. Der Druck ist bei uns eben auch ein bisschen größer", sagte Jacobsen.
Dass das Ergebnis nicht noch höher ausfiel, hing auch damit zusammen, dass in den letzten 20 Minuten selbst Andy Schmid, der geniale Denker und Lenker, zum Bankangestellten wurde. Filip Taleski nahm seinen Platz ein. Umso beeindruckender war der gelbe Spaziergang im Schwabenland dann auch. Für die Konkurrenz muss es ernüchternd zu sehen sein, wie knallhart selbst die "Löwen-Reserve" ihr Ding durchzieht. In den letzten Jahren war das noch anders, da war sofort ein Bruch drin, wenn Jacobsen zu viele Stammkräfte schonte. "Unser jetziger Kader ist wirklich super", schwärmt Kohlbacher, "wer spielt, ist da eigentlich egal."
Ganz so sieht es Jacobsen nicht. Der Däne hat nach wie vor seine Stammsieben im Hinterkopf - und die wird am Mittwoch gegen den FC Barcelona dann auch auf der Platte stehen (SAP Arena, 19 Uhr).
Stenogramm: 3:4, 5:6, 5:10, 8:13, 11.20 (Halbzeit), 13:25, 18:27, 19:31, 21:36 (Endstand).
Bietigheim: Haller 1, Claus 1, Schäfer 1/1, Schmidt 5/5, Ronningen 1, Link 7, Döll 1, Weber 1, Marcec 1, Fischer 2.
Löwen: Schmid 3, Lipovina 5, Radivojevic 3, Tollbring 6, Mensah Larsen 4, Fäth 2, Taleski 3, Pertersson 3, Nielsen 1, Kohlbacher 6.