142 Kilogramm im Reißen, 170 Kilogramm im Stoßen: Aleksandar Dimitrov zeigt beim 3:0-Auswärtssieg des TSV Heinsheim in Pforzheim seine ganze Klasse. Foto: Weis
Von Eric Schmidt
Pforzheim. Den nächsten großen Applaus erhielt Aleksandar Dimitrov eineinhalb Stunden nach dem Wettkampf. Als der Gewichtheber des TSV Heinsheim um 21.27 Uhr in den Bus einstieg, klatschten die Fans Beifall. Jetzt war auch er an Bord, der Star des Abends - als Letzter seiner Mannschaft, mit einiger Verspätung. Grund für die Verzögerung: Die Nationale Anti-Doping-Agentur Nada hatte den Bulgaren als einen von vier Sportlern zur Dopingkontrolle gebeten, Dimitrov musste Blut spenden und Urin abgeben. Und wenn ein starker Mann für kleine Jungs soll, obwohl er gar nicht kann, kann es dauern. "Sascha, du kannst besser heben als pinkeln", ulkte Abteilungsleiterin Martina Dosquet frech.
Doch, doch - es lief bei "Sascha" Dimitrov, vor allem sportlich. Zum klaren 3:0 (650,6:517,6) am Samstagabend im Kräftemessen beim SC Pforzheim steuerte der 28-Jährige insgesamt 158 Relativpunkte bei - so viele wie kein anderer Heber seines Teams. So war die Laune bestens beim Bundesliga-Aufsteiger. "Aus-, Aus-, Auswärtssieg", skandierten die zahlreich mitgereisten Anhänger, die nicht nur den dritten Erfolg im vierten Wettkampf, sondern auch den Klassenerhalt feierten. Als Tabellenvierter mit 8:4 Punkten ist der TSV nicht mehr von einem Nichtabstiegsplatz zu verdrängen - nach der Hälfte der Saison ist das Saisonziel bereits erreicht. Nur eine Strukturreform des reformwütigen Bundesverbands Deutscher Gewichtheber (BVDG) könnte den Verein jetzt noch aus der 1. Liga entfernen.
Auch wenn man einiges gewohnt ist in der Zusammenarbeit mit dem BVDG: An ein solches Szenario mag in Heinsheim niemand glauben: "Wir haben es geschafft, definitiv", sagt Trainer Ferdinand Wittmann. "Das war der Klassenerhalt. Jetzt kann gar nichts mehr passieren", erklärt Ralf Fein, der Sportliche Leiter, und kündigt weitere Großtaten an: "Wir möchten schon noch ein, zwei Punkte holen. Wir möchten schon noch die Großen ärgern und ihnen ein Beinchen stellen."
Was den Kampf am Samstag betrifft, so musste der TSV nicht mit Glanz und Gloria heben. Gegen den ersatzgeschwächten SC Pforzheim reichten 243,3 Punkte im Reißen und 407,3 Punkte im Stoßen, um sich durchzusetzen. Rund lief nicht alles dieses Mal. Vor allem im Reißen hakte es, insgesamt fünf Fehlversuche leisteten sich die Männer in den schwarzen Kampfanzügen. Ein Grund: die schwierigen Bedingungen. "Goldstadt-Löwen" nennen sich die Gewichtheber des SC Pforzheim, und ihre kleine Halle ist so etwas wie die Höhle der Löwen - eine Art Kraftraum, der zur Rumpelkammer wird, wenn im Aufwärmraum nebenan die Hanteln zu Boden krachen. Es rumpelt und es poltert. "Es ist schwer, sich hier zu konzentrieren. Es ist sehr eng, sehr klein", sagt Ralf Fein. "Es ist ganz anders als bei uns", meint Edward Schuler. "Bei uns ist viel Platz. Hier ist es sehr komprimiert."
Schuler kam trotz krankheitsbedingter Trainingspause gut mit den Gegebenheiten zurecht. Fünf Versuche brachte er in die Wertung, ließ 95 Kilogramm im Reißen 120 Kilogramm im Stoßen folgen. Ebenfalls gewohnt stark: Christopher Roland mit 110,6 Relativpunkten. Fabian Gallion näherte sich im Stoßen einer persönlichen Bestleistung an, Petar Angelov avancierte mit 149 Relativpunkten zum zweitbesten Heber des Abends - hinter Aleksandar Dimitrov.
Dimitrov überraschte die Trainer und Betreuer am meisten. 142 Kilogramm hievte der Bulgare im Reißen in die Höhe, 170 Kilogramm stemmte er im Stoßen - das hatten ihm nur die Wenigsten zugetraut. Seit sechs Wochen wohnt Dimitrov in Heinsheim, seit seinem Umzug nach Deutschland hat er viele Behördengänge zu erledigen, außerdem geht er einer geregelten Vollzeitarbeit nach. ",Sascha’ kann jetzt nur noch abends trainieren. Das ist natürlich eine Umstellung für ihn. Daran muss er sich gewöhnen", sagt Ferdinand Wittmann und freut sich über den starken Auftritt seines Schützlings in Pforzheim: "Ich hätte nicht gedacht, dass er so reißt und so stößt. Er ist halt ein Wettkampftyp."
Ja, das ist er. Auch den Wettkampf "Urinprobe" entschied "Sascha" Dimi-trov am Samstag irgendwann für sich.
TSV Heinsheim: Petar Angelov (Körpergewicht: 65,3 kg) 149,0 KP (Reißen: 120 kg/Stoßen: 150 kg), Fabian Gallion (67,0 kg) 76,0 KP (88 kg/112 kg), Lars Wittmann (67,5 kg) 87,0 KP (97 kg/117 kg), Edward Schuler (74,5 kg) 70,0 kg (95 kg/120 kg), Aleksandar Dimitrov (77,8 kg) 158,0 KP (142 kg/170 kg), Christopher Roland (89,2 kg) 110,6 KP (126 kg/163 kg).