Braucht Sandhausen die "Dorfschänke" wirklich noch?

Sandhausen. Diskussion um das marode Vereinshaus ist neu entbrannt: Gebäude kommen auf den Prüfstand

09.08.2012 UPDATE: 09.08.2012 07:51 Uhr 2 Minuten, 24 Sekunden
Aus vier mach drei? Das Vereinshaus 'Dorfschänke', das Alte Feuerwehrhaus sowie die Turn- und Festhalle und die Alte Synagoge müssen saniert werden - vorher wird aber geprüft, ob alle vier Gebäude überhaupt noch benötigt werden. Fotos: Alex
Von Christoph Moll

Sandhausen. Der Putz bröckelt, die Fenster klemmen, die Toiletten sind in einem desolaten Zustand - und doch hängt das Herz vieler Sandhäuser an der "Dorfschänke". Die Diskussion um die Zukunft des Vereinshauses ist neu entbrannt, die Nutzer sind verunsichert. Wird die "Dorfschänke" überhaupt noch gebraucht? Auch wenn Bürgermeister Georg Kletti es in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats nicht so deutlich formulierte, so war doch herauszuhören: Sandhausen könnte auf das Vereinshaus verzichten.

Doch der Reihe nach: Im März forderte die SPD die Verwaltung auf, über den Zustand und die Belegung von gemeindeeigenen Gebäuden, die von kulturellen Vereinen genutzt werden, zu informieren. Außerdem solle ein Grundsatzbeschluss über das weitere Vorgehen gefällt werden. In der jüngsten Sitzung legten Bürgermeister Kletti und Ortsbaumeister Michael Schirok nun diesen Bericht über die "Dorfschänke", das Alte Feuerwehrhaus, die Alte Synagoge sowie die Turn- und Festhalle vor (siehe auch Kasten rechts).

Schirok sprach von einem "Sanierungsstau". Insgesamt müsse man rund vier Millionen Euro in die Gebäude stecken - allein zwei Millionen in die "Dorfschänke". Die jährlichen Betriebskosten für alle Gebäude würden sich auf über 600 000 Euro belaufen. Den größten Anteil bilde hier die Turn- und Festhalle mit 429 000 Euro.

Die "Dorfschänke" werde von zwölf Vereinen, Gruppen und Parteien sowie der Volkshochschule und der Musikschule insgesamt 107 Stunden pro Woche genutzt, erklärte Bürgermeister Kletti. "Einige Säle sind aber selbst zu attraktiven Zeiten noch frei." Im Vergleich zur "Dorfschänke" werde das Alte Feuerwehrhaus stärker genutzt. Bei der Turn- und Festhalle beginne die Nutzung werktags am Nachmittag, am Wochenende sei die Halle für Veranstaltungen reserviert. In der Alten Synagoge würden kulturelle Veranstaltungen stattfinden. "Es sind aber insgesamt nur 45 Nutzungen im Jahr, die Synagoge ist 320 Tage im Jahr leer", gab Rathauschef Kletti zu bedenken. "Rechnerisch sind das nur 0,9 Veranstaltungen pro Woche."

Der Bürgermeister ging auch noch auf weitere Räumlichkeiten ein, die nur wenig genutzt würden. So zum Beispiel der Gymnastik- und der Aufenthaltsraum im Seniorengerechten Wohnen, der Kultursaal der Bibliothek und der Gesellschaftsraum des Walter-Reinhard-Stadions. "Wir haben Überkapazitäten", meinte Georg Kletti. Dies werde noch deutlicher, wenn man die Entwicklung der Schülerzahlen an der Pestalozzi-Förderschule betrachte. Vor zwölf Jahren waren es noch 125, jetzt sind es nur noch 85 - Tendenz weiter fallend. "Durch die Erweiterung der Schule haben wir 30 Prozent mehr Fläche, aber 30 Prozent weniger Schüler." Schon jetzt würden zwei Klassenzimmer leerstehen, die von Vereinen genutzt werden könnten.

"Es gibt hohe Sanierungs- und Betriebskosten, freie Kapazitäten und teils überdimensionierte Räume", fasste Kletti zusammen. Und ob der Bedarf so bleibe, sei unklar. Chöre zum Beispiel müssten wegen rückläufiger Sängerzahlen wohl fusionieren. "Ist vor diesem Hintergrund eine Eins-zu-eins-Sanierung sinnvoll, ohne ein Gesamtkonzept erstellt zu haben?", fragte Kletti. "Müssen viele Räume vorgehalten werden, die man in Zukunft vielleicht gar nicht mehr braucht?" Man müsse an den wirtschaftlichen Umgang mit Steuergeldern denken. "Manchmal ist purer Aktionismus schlimmer als Nichtstun." Dass "40 Jahre nichts, und die vergangenen sieben Jahre gar nichts" in den Gebäuden gemacht wurde, stimme nicht. Die Schwerpunktthemen seien aber in der Tat andere gewesen.

Wie geht es nun weiter? Die SPD forderte ein Konzept für die Sanierung der Gebäude bis Ende März des kommenden Jahres. Weniger eilig hatten es die anderen Fraktionen (siehe Artikel links) und der Bürgermeister. "Es gibt keinen Zeitdruck", meinte Kletti. "Die Gebäude sind in keinem gutem Zustand, aber bisher musste kein Verein raus." Aktuell sei die Belastung der Verwaltung zu groß. "Wir kriegen das nicht gebacken." Er wäre ein schlechter Chef, wenn er das seinen Mitarbeitern zumute, so Kletti. Sein Vorschlag, das Konzept im Laufe des kommenden Jahres zu erarbeiten, setzte sich am Ende durch. Dann wird sich zeigen, ob die "Dorfschänke" eine Zukunft hat. Oder ob vielleicht aus vier Gebäuden drei werden.

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