Waibstadt

Wie Realschüler zu Tierrettern wurden

Die Zehntklässler entdeckten einen entflogenen Papagei und fingen ihn ein. Der Vogel war abgemagert und erschöpft.

27.06.2022 UPDATE: 28.06.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 56 Sekunden
Papagei Leonie am Fenster der Realschulklasse. Foto: privat

Von Christian Laier

Waibstadt. Aufregende Tage haben ein gutes Ende gefunden: Papagei Leonie ist wieder zu Hause. Die einjährige Doppelgelbkopfamazone war ihrer Halterin entwischt. Zehntklässler der Realschule fanden sie Tage später und sorgten dafür, dass sie wieder nach Hause kamt. Nun trafen sich die stolzen Schülerinnen und Schüler und ihre Lehrerin mit der Halterin des Papageis, um in gemütlicher Runde über das Erlebte zu sprechen.

"Beim Transport meiner beiden Doppelgelbkopfamazonen Leonie und Rico von der Außenvoliere ins Wohnhaus bin ich an der Gartentreppe gestolpert. Der Transportkäfig öffnete sich beim Sturz, und meine Papageien haben die Chance genutzt und sind weggeflogen", erinnert sich Alexandra Link an den verhängnisvollen Mittwochabend. Da sie ihre geliebten Tiere nicht gleich wiederfand, informierte sie die Polizei, das Tierheim, eine örtliche Tierarztpraxis und schaltete eine "Fahndung" in den sozialen Medien, damit alle die Augen offenhalten. Der zweijährige Rico wurde glücklicherweise bald auf einem Nachbargrundstück entdeckt und konnte in die heimische Voliere zurückgeholt werden. Von seiner Partnerin Leonie fehlte aber tagelang jede Spur. Bis sich das Blatt wendete.

Alexandra Link (links) freut sich, dass ihre Doppelgelbkopfamazone Leonie wieder zu Hause ist. Nachdem sie entwischt war, flog sie Schülern der Klasse 10b der Realschule zu, die zusammen mit ihrer Lehrerin Sybille Bachmaier (rechts) den Papagei einfingen. Foto: Christian Laier

Die 10. Klasse der Realschule begann gerade ihre "Sozial wirksame Stunde", als Pauline Offermann bemerkte, dass auf dem Fensterbrett vor dem Klassenzimmer im ersten Stock ein Papagei sitzt. "Wir dachten zuerst, dass sie nur Spaß macht, aber es saß wirklich einer da", erinnern sich die Mitschüler. Der Papagei lief vor dem Zimmer immer hin und her. Nachdem er versucht hatte, das Fenster anzuknabbern, war allen klar, dass er Hunger haben muss. Plötzlich sagte Jarno Koppatsch: "Der hat einen Ring, der gehört jemandem." Vorsichtig streckte die Lehrerin Sybille Bachmaier ihre Hand durchs Fenster. "Der Papagei blieb sitzen, war sogar zutraulich. Er wollte gerettet werden", war sie sich sicher. Jetzt war klar: die Klasse 10b hat ein gemeinsames Projekt.

Lilly Tagscherer packte ihre Äpfel aus, die sie als Vesper dabeihatte, und gab sie dem Papagei zum Essen, der die Einladung gerne annahm. Jonas Zweidinger stellte indes seine liebevoll aus einem Schuhkarton im TSG-Hoffenheim-Design gestaltete Kunst-Kiste als Transportbox zur Verfügung. Alle überlegten, was man tun könnte. Die Klassenlehrerin telefonierte mit einer Tierarztpraxis, und weitere Mitschüler versuchten, über den Tierschutzbund und den Zoo herauszubekommen, wie man mit der Situation umgeht. Irgendwann kam dann der Hinweis auf die Tierarztpraxis von Nicole Hohneder, die das Tier annehmen würde. Lilly Tagscherer rief dort an und bekam wertvolle Tipps.

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Die Jugendlichen erzählen, wie Lotte Zipperer, die sich dank ihrer Haustiere gut mit Geflügel auskennt, die Initiative ergriff und sich sicher war, dass das Einfangen eines Papageis genauso funktioniert, wie das eines Huhns. Dann habe sie beherzt an den Flügeln des Papageis gegriffen und sicherte den Vogel in der Kiste, die mit dem Deckel verschlossen wurde. Gabriel Bertsch und die weiteren beteiligten Mitschüler wurden vom Rektor spontan vom Unterricht befreit, sodass sie den Papagei zur nahe gelegenen Tierarztpraxis bringen konnten. Das Praxisteam verständigte wiederum Link, die ihren Papagei nach der Flucht deutlich abgemagert wieder in den heimischen Garten zurückholte. Dort ist Leonie nun wieder bei ihrem Partner Rico und lebt zusammen mit drei weiteren Papageien, einer Schildkröte und einem Hund.

Herzlich war nun das Aufeinandertreffen der Schüler, die mit ihrer Lehrerin von Link in ihren "Tiergarten" eingeladen worden waren und sich bei Butterbrezel und Limonade über das erlebte austauschten. Mit einer Spende für die Klassenkasse und Süßigkeiten zeigte Link, wie dankbar sie den Rettern ist. Der Tierfreundin, die in ihrer Freizeit die Treffen des "Papageiennest Sinsheim" organisiert, ist klar, warum ihre Leonie so zutraulich zu den Schülern war: "Sie war nach mehreren Tagen in der Freiheit so erschöpft und abgemagert, da war sie froh, dass sich jemand um sie gekümmert hat."

Leonie hat mittlerweile wieder gut zugelegt und war bestens gelaunt, als ihre Retter zu Besuch kamen. "Komm her", Guten Morgen" und immer wieder "Leonie" rief der Papagei den Schülern zu. Link zeigte den Besuchern, wie und was die Tiere fressen. Die Realschüler durften die Papageien mit einem Sprüher mit Wasser abkühlen, was beiden Seiten sichtlich Spaß bereitete. "Das ist Biologieunterricht live", freute sich Bachmaier. "Es ist schön, dass die ganze Klasse bei dieser Aktion spontan zusammengeholfen hat. Wir sprechen im Unterricht über das gemeinsame aktive Miteinander und sind natürlich glücklich, dass der Zusammenhalt sich dann in der Praxis so zeigt", ergänzte sie. Man sei im Nachhinein einfach glücklich gewesen, dass alles so gut ausging. Und im Lehrerzimmer habe es manchen "Lacher" gegeben, als von der Aktion berichtet wurde.

Einen eigenen Papagei wollen sich die Schüler erst einmal nicht zulegen. Mit dem Geld planen sie, als Klassengemeinschaft etwas zu unternehmen. Link verabschiedete die jungen Retter mit Dankesworten und stellte fest: "Ich bin einfach froh, dass Leonie und Rico wieder zu Hause sind."

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