Epfenbach

Amt hat Bürgermeister Bösenecker psychisch zu sehr angestrengt

Er erzählt über seine Zeit als Rathauschef und blickt zurück. "Ich hätte keine weitere Amtszeit durchgestanden".

05.05.2023 UPDATE: 05.05.2023 06:00 Uhr 5 Minuten, 6 Sekunden
Den Schreibtisch im Rathaus nutzt nun ein anderer: Nach 16 Jahren als Bürgermeister von Epfenbach hat Joachim Bösenecker den Stuhl für Pascal Wasow freigemacht und freut sich nun auf seine Rente. Foto: Anjoulih Pawelka
Interview
Interview
Joachim Bösenecker
16 Jahre lang Bürgermeister von Epfenbach

Von Anjoulih Pawelka

Epfenbach. 16 Jahre war Joachim Bösenecker Bürgermeister in Epfenbach. 16 Jahre, in denen viel passiert ist. Die RNZ hat mit ihm zum Abschied über Hass, schwere Entscheidungen und seine Pläne für den Ruhestand gesprochen:

Herr Bösenecker, ich habe den Eindruck, dass Sie nicht jeder im Dorf gemocht hat.

Es ist relativ typisch in der Politik, dass einen nicht jeder mag. Das gehört zum politischen Geschäft dazu. Und man muss damit umgehen können. Wenn man die Erwartung hat, dass man in der Politik von allen geliebt wird, dann braucht man nicht anfangen. Bei mir war das Problem: Ich war fachfremd und ortsfremd und das hat nicht jedem gefallen.

Glauben Sie, Ihnen ist gelungen, das Ruder herumzureißen?

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Ja. Ich habe Werbung für mich gemacht. Viele, die ursprünglich gegen mich waren, konnte ich auf meine Seite bringen. Das beweist auch das Wahlergebnis von 2015, als ich mit fast 54 Prozent im ersten Wahlgang wiedergewählt wurde. Da ist es mir gelungen, aus einem guten Drittel der Zustimmung mehr als die Hälfte zu machen. Das fand ich dann schon eine Bestätigung meiner Arbeit.

Apropos Arbeit. Würden Sie sagen, dass man als Bürgermeister viel verändern kann?

Es ist immer eine Frage der Finanzen, wie im Privatleben auch. Sie können in ihrem Privatleben so viel wuppen, wie sie halt Geld haben. Ich glaube aber, dass der tatsächliche finanzielle Spielraum der Kommunen abnimmt. Man unterliegt viel mehr Zwängen, was gemacht werden muss, weil es dafür gesetzliche Bestimmungen gibt. Und bis man das alles erfüllt hat, ist man eigentlich schon fast an der Kapazitätsgrenze, sodass man gar nicht viel gestalterisch bewirken kann.

Haben Sie trotzdem etwas bewirkt?

Es ist mir zum Beispiel zusammen mit dem Gemeinderat und der Verwaltung gelungen, die Wünsche, was die Belebung der Ortsmitte angeht, umzusetzen. Ich war da zwar nicht der große Ideenbringer, sondern mein Bestreben war eben, die Bedürfnisse, die an mich herangetragen wurden und die ich berechtigt fand, dementsprechend umzusetzen.

War das Ihr größter Erfolg?

Ja, auf jeden Fall. Für mich war aber auch ein großer Erfolg, dass wir uns schon 2009 auf den Weg zu regenerativen Energien gemacht haben. Da haben wir eine neue Geisteshaltung reingebracht. Und ich bin sehr froh, dass man mir da gefolgt ist und große Fotovoltaikanlagen auf der Schule und dem Feuerwehrhaus installiert wurden. Und die Einführung der Schulsozialarbeit – das war auch ein großer Erfolg.

Auf was sind Sie stolz?

Ich bin ja so ein Oberöko. Es macht mich stolz, dass ich der erste Bürgermeister hier in der Umgebung war, der mit einem Elektroauto unterwegs war. Da hab ich jetzt schon zehn Jahre Erfahrung.

Gibt es auch Dinge, die Sie rückblickend anders machen würden?

Nein.

Was war besonders schwer an ihrem Job?

Ich denke, als Bürgermeister hat man ein wirklich hartes Arbeitsleben. Es wird von der Bevölkerung erwartet, dass man ständig Bereitschaft hält. Das heißt, man muss tatsächlich darauf achten, wenn man mal irgendwo auf einer Feier ist, dass man trotzdem dienstfähig bleibt. Mit Alkoholkonsum ist da eigentlich nichts.

War diese ständige Bereitschaft belastend?

Ja. Schwer ist auch, dass ein Bürgermeister – vor allem wenn er nicht aus dem Ort kommt – viel Präsenz zeigen sollte, also zum Beispiel bei den Vereinen. Das ist zeitlich schon ziemlich intensiv. Wenn irgendwas nicht 100 Prozent funktioniert, dann ist immer der Bürgermeister schuld. Das muss man aushalten können. Oder auch, dass das gesellschaftliche Miteinander manchmal zu wünschen übrig lässt.

Inwiefern?

Dass Menschen miteinander nicht nett und verständnisvoll umgehen, sondern mitunter ihre Aggressionen an ihren Mitmenschen auslassen. Die wenden sich dann an den Bürgermeister.

Hat Sie das Amt verändert?

(lacht) Man nimmt zu, das ist ein typisches Phänomen bei Bürgermeistern. Psychisch strengt das Amt an. Es ist belastend, und man muss tatsächlich schon mal ein dickes Fell haben. Das spürt man nach 16 Jahren, in denen man nicht nur auf einer Woge der Sympathie getragen worden ist, schon. Da wird man dünnhäutiger. Ich hätte sicherlich nicht noch eine ganze Amtszeit durchgestanden.

Was hat Ihnen an Ihrem Job am meisten Spaß gemacht?

(überlegt) Mir war immer wichtig, das Leben in der Gemeinde wie in einer großen Familie zu gestalten. Ich wollte das Gemeinschaftsgefühl stärken. Außerdem war ich gerne auf Veranstaltungen wie dem Neujahrsempfang oder dem Markttag. Da habe ich mich gerne engagiert.

Warum?

Ich denke, wenn das Gemeinschaftsgefühl da ist und die Leute füreinander einstehen, ist die Gesamtarbeit einfacher, als wenn ich eine Gemeinde mit lauter Gräben zwischen den Leuten habe.

Man hat Ihnen teilweise vorgeworfen, dass Sie Projekte bremsen.

Bei mir war das Problem, dass oft zu viel gefordert wurde. Als Bürgermeister sieht man ja, welches Leistungsvermögen die eigene Verwaltung hat. Jedes Projekt ist eine irrsinnige Arbeitsbelastung. Und dann muss man manchmal als Chef der Verwaltung seine Verwaltung schützen. Man muss wissen, wo sind die Grenzen, und manches Projekt dann erst einmal schieben. Da habe ich manchmal den Gemeinderat auch gebremst. Und dazu stehe ich auch.

Was war Ihre schwerste Entscheidung im Amt?

Dass man Sachen, die man gerne machen möchte, aus finanziellen Gründen aufschieben muss.

Zum Beispiel?

Wir würden gerne einiges an Feldwegen sanieren und gerne mehr Radwege bauen.

Was hat Sie runtergebracht bei dem Job?

Ich habe als gläubiger Christ Zuflucht im Glauben gefunden. Das war meine Kraftquelle. Sonst hat mich mein Hobby, der Schießsport, auch runtergebracht. Es hat mir viel gebracht, dass ich da einfach nur der Vereinskamerad war und nicht der Bürgermeister. Das war für mich eine Rückzugs-Oase.

Wenn Sie etwas in der Kommunalpolitik verändern könnten, was wäre das?

Das Land müsste unbedingt die Finanzausstattung der Kommunen verbessern, wenn man ihnen weitere Aufgaben aufbürdet. Außerdem sollten die Parlamente ihre Gesetzestexte so gestalten, dass man sie auch verstehen kann. Die Fälle sind heute so kompliziert, dass man für alles eine externe Firma braucht. So etwas wie Städtebauentwicklung, das kann eine Verwaltung nicht mehr leisten. Ich verstehe, wenn man einen Architekten braucht, um ein Haus zu bauen. Aber muss man denn, um Landes- oder Bundesgesetze umzusetzen, immer wieder hoch spezialisierte Experten haben? Das führt doch auch dazu, dass sich die Parlamente von der Bevölkerung abkoppeln. Denn wenn ich etwas tue, was keiner versteht, will niemand mehr was mit mir zu tun haben.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Ja. In Sachen Geld ist es die Flüchtlingsunterbringung. Da muss Wohnraum geschaffen werden, und das ist partout nicht einfach. Oder wenn der Betreuungsschlüssel im Kindergarten geändert wird. Dann brauche ich mehr Geld vom Land. Die Gemeinde hat ja nicht mehr. Viel Geld wird in vielen Gemeinden in den nächsten Jahren auch für Infrastrukturmaßnahmen gebraucht. Die Straßen, die Wasserversorgung und die Abwasserentsorgung – das ist alles zig Jahre alt.

Warum haben Sie sich eigentlich damals dazu entschieden, Bürgermeister zu werden?

Die Unterforderung bei der früheren Tätigkeit. Ich dachte, ich kann mehr als nur Arbeitsvermittler beim Arbeitsamt sein. Und ich sah da für mich keine Entwicklungsmöglichkeiten. Ich habe die Stelle als Bürgermeister als interessante und fordernde Aufgabe gesehen.

Was glauben Sie, welche ist die wichtigste Eigenschaft, die ein Bürgermeister haben sollte?

Man muss Menschen auch verstehen können, die eine komplett andere Meinung haben, und streiten können, ohne miteinander böse zu sein.

Was machen Sie nun in Ihrer Rente?

Dann bin ich ein freier Mann. Man gibt tatsächlich auch die Last des Amtes ab.

Wie sieht das konkret aus? Was machen Sie dann zum Beispiel am Montag, Ihrem ersten Wochentag in Rente?

Wachwerden, noch einmal umdrehen und denken: "Hach, du must ja heute nicht ins Büro, und mich auf die andere Seite legen." Was ich pflegen will, sind die ganzen eigenen Sozialkontakte. Das sind die Freundschaften, die man teils seit 40 Jahren hat und die Verwandtschaft. Ich bin ein ausgesprochener Familienmensch. Und ich möchte mein Hobby mehr pflegen und mich in den Verbandsstrukturen engagieren. Und dann der ganz klassische Fall: daheim renovieren (lacht). Und die alten Sachen, wie die alte Kamera meines Vaters wieder rausholen. Außerdem freue ich mich auf die Zeit mit den Enkeln und ein paar Reisen.

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