Kriminalität in Sinsheim

Bei jungen Frauen ist die Furcht am größten

Ergebnisse einer Umfrage zur subjektiven Sicherheit der Sinsheimer wurden vorgestellt - "Importiertes Kriminalitätsgefühl"

26.06.2018 UPDATE: 27.06.2018 06:00 Uhr 3 Minuten, 9 Sekunden

Die Polizeipräsenz wird am stärksten in Kernstadtnähe wahrgenommen - dort ist auch die Kriminalitätsfurcht stärker ausgeprägt. Dies ist eine von zahlreichen Erkenntnissen aus der Sicherheitsumfrage von Rathaus und Uni Heidelberg. Symbolfoto: Friedemann Orths

Von Tim Kegel

Sinsheim. Die Sinsheimer fühlen sich deutlich unsicherer als noch vor zehn Jahren. Bei jungen Frauen ist die Furcht vor Kriminalität am stärksten ausgeprägt. Die Besorgnis geht zurück, je kleiner die Ortsteile sind, in denen die Befragten leben und je weiter entfernt sie von der Kernstadt liegen. So lauten die Kernaussagen einer Umfrage zum subjektiven Sicherheitsempfinden der Bevölkerung, die das Rathaus in Zusammenarbeit mit dem kriminologischen Institut der Universität Heidelberg im vergangenen Jahr erstellt hat. Die Auswertung der 2575 von ursprünglich 6000 nach dem Zufallsprinzip versandten Bögen wurde gestern von Forschungsleiter Prof. Dieter Hermann dem Gemeinderat vorgestellt. Im Gespräch mit Oberbürgermeister Jörg Albrecht fasste die RNZ das Ergebnis zusammen:

Kriminalitätsfurcht: Ein Viertel der Befragten habe Angst davor, "nachts draußen alleine im jeweiligen Stadtteil" Opfer einer Straftat zu werden. Im Umkehrschluss fühlen sich drei Viertel der Befragten sicher. 15 Prozent hätten angegeben, sich "ziemlich unsicher" oder "sehr unsicher" zu fühlen. 39 Prozent würden gewisse Straßen und Örtlichkeiten meiden. Ein knappes Drittel habe sein Freizeitverhalten geändert. Im regionalen Vergleich liegt Sinsheim laut Studie etwa gleichauf mit Städten wie Leimen, Weinheim oder Schwetzingen. Für Albrecht ist dies "ein Stück weit beruhigend", handle es sich bei den Ergebnissen seiner Ansicht nach "in der Summe nicht um Sinsheim-spezifische Probleme". Der OB spricht von einem "importierten Kriminalitätsgefühl nach Ereignissen auf überregionaler, nationaler und weltpolitischer Ebene".

Vergleich zum Jahr 2008: Verglichen mit einer Untersuchung aus dem Jahr 2008 zeigt sich ein deutlicher Anstieg der Kriminalitätsfurcht; seinerzeit hätten sechs Prozent der Befragten angegeben, dass sie sich in ihrem jeweiligen Stadtteil unsicher fühlten; jener Wert liege inzwischen bei 15 Prozent. Die Besorgnis, nachts Opfer einer Straftat zu werden, stieg von 14 auf 26 Prozent. 29 Prozent der Befragten ändern aus Furcht vor kriminellen Handlungen ihr Freizeitverhalten - mehr als doppelt so viele wie vor zehn Jahren. Bestimmte Gegenden der Stadt wurden im Jahr 2008 von 28 Prozent gemieden, 2017 sind es 39 Prozent.

Spezifische Delikte: Beide Untersuchungen, 2008 und 2017, fragten die Furcht vor bestimmten Straftaten ab; auch hier sind deutliche Anstiege zu verzeichnen, bei der Angst vor Körperverletzung von sechs auf elf Prozent; vor Wohnungseinbruch von 18 auf 38 Prozent; vor Vergewaltigung und sexuellem Angriff von drei auf acht Prozent. Die Umfrageteilnehmer wurden gefragt, für wie wahrscheinlich sie es halten, im Lauf eines Jahres tatsächlich Opfer der jeweiligen Straftat zu werden.

Auch interessant
Kriminalität in Sinsheim: "Nachts bellen plötzlich alle Hunde"
Kriminalitätsstatistik rund um Sinsheim: Neidenstein markiert das Schlusslicht
Auswirkungen der Polizeireform: Sinsheimer Oberbürgermeister Albrecht fordert mehr Rücksicht

Haupteinflüsse auf die Kriminalitätsfurcht hätten nach Erkenntnissen der Studie die "sexualisierte Herabwürdigung von Frauen", die von 26 Prozent der Befragten befürchtet werde. 41 Prozent der Befragten nannten "Geflüchtete" als wesentlichen Faktor; "Diebstahl, Sachbeschädigung und Gewalt" führten 53 Prozent an. Jene Faktoren würden hauptsächlich in der Kernstadt als problematisch erachtet. Betrunkene, Schmutz und Müll würden als "mittleres", Autofahrer und Falschparker als eher "geringes" Problem erachtet, ebenso Ausländerfeindlichkeit. In der Wahrnehmung gibt es Unterschiede zwischen der Kernstadt und den Ortsteilen.

Je kleiner desto sicherer? Die Kriminalitätsfurcht ist nach Erkenntnissen des Instituts in der Kernstadt am stärksten, in den kleinen Orten Hasselbach, Adersbach und Ehrstädt am geringsten ausgeprägt. Es folgten Waldangelloch, Hilsbach, Eschelbach und Weiler. In den zentrumsnah liegenden Stadtteilen Dühren, Hoffenheim, Rohrbach, Reihen und Steinsfurt sei die Furcht vor Straftaten größer. Ähnlich sei das Verhältnis bei der Sorge, Opfer einer Straftat zu werden. Der "Viktimisierungsindex" im jeweiligen Stadtteil steigt mit dessen Nähe zur Kernstadt. Hieraus leitet die Untersuchung ab, dass Präventionsmaßnahmen schwerpunktmäßig in der Kernstadt sowie in Sinsheim-Süd und -Ost vorgenommen werden sollten.

Alter und Geschlecht: Am stärksten sei die Furcht vor Kriminalität bei Frauen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren ausgeprägt, auch bei dieser Personengruppe werden Präventionsmaßnahmen angeregt. Die Besorgnis sinkt laut Studie mit zunehmendem Alter. Auch bei den Männern steigt die Kurve bis zum 40. Lebensjahr und sinkt danach rapide.

Polizei und Gemeindevollzugsdienst würden laut Studie umso stärker wahrgenommen, je näher der Ort an der Kernstadt liegt. Gleichzeitig ist dort auch die Kriminalitätsfurcht stärker ausgeprägt. Auch die Nähe zur Autobahn A 6 und zur Bundesstraße B 292/B 39 spielt offensichtlich eine Rolle. Im Ergebnis spiegele sich "die personelle Aufstockung des Gemeindevollzugsdiensts" wider, so Albrecht.

Präventionsvorschläge: Die Studie benennt die sexuelle Herabwürdigung von Frauen als Hauptsorge. Angeregt wird ein "Programm zur Förderung alternativer Denkstrategien" sowie den "Abbau gewaltlegitimierender Männlichkeitsnormen" bei jungen Geflüchteten, aber auch Selbstbehauptungskurse für Frauen. Bei anderen Maßnahmen, wie etwa der Verstärkung der Kontrollen, sei man "schon besser aufgestellt", sagt OB Albrecht. Auch der "Einsatz von Sicherheitsdiensten im Freibad und der "alla hopp!-Anlage" ziele aufs subjektive Sicherheitsgefühl ab; eine Senioren-Beratung des Rathauses zum Thema "Enkeltrick" sei in Planung. Von der Forschungsgruppe werden ferner Stadtmarketing-Aktivitäten zur "Verbesserung des Image der Gesamtstadt in den Stadtteilen" angeregt sowie mehr "Sauberkeit" und den "Ausbau der Grünflächen".

Zum Kontext: Die Werte wurden im Jahr 2017 unter zufällig ausgewählten Personen im Alter zwischen 14 und 70 Jahren ermittelt. Der Rücklauf in Sinsheim übertraf deutlich jene von Mannheim und Heidelberg, OB Albrecht spricht von einer "Resonanz, auf die wir stolz sind". Über die Diskussion im Gemeinderat wird die RNZ noch berichten.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.