Tobias Manns Kabarett mit Höchstgeschwindigkeit in Mühlhausen

Tobias Mann begeisterte mit seinem Programm "Verrückt in die Zukunft" bei Kultur im Bürgerhaus in Mühlhausen

15.01.2017 UPDATE: 16.01.2017 06:00 Uhr 3 Minuten, 2 Sekunden

Rasant, pointenreich, blitzgescheit: Mit seinem Programm "Verrückt in die Zukunft" erntete Tobias Mann bei Kultur im Bürgerhaus Mühlhausen kräftigen Beifall. Foto: Pfeifer

Von Rudi Kramer

Mühlhausen. Zwar wird der Deutsche Kleinkunstpreis erst im März verliehen, ein Gewinner steht aber schon fest: der Mainzer Kabarettist und Musiker Tobias Mann. Der ist bereits seit zehn Jahren auf deutschen Kleinkunstbühnen und im Fernsehen unterwegs. Jetzt beglückte er mit seinem Programm "Verrückt in die Zukunft" sein Publikum im ausverkauften Mühlhäuser Bürgerhaus.

Im Galopp, mit Mundwerk, Gitarre und Klavier, rast der flinke Komiker los, startet mitten im Gewirr unserer Informationsgesellschaft. "Du kannst dich auf nichts mehr verlassen." Die Banken betätigen sich als "Rattenfänger", eigentlich müsste der Kunde seine Bank mittels Schufa auf ihre Verlässlichkeit überprüfen. Ganz zu schweigen von der Automobilindustrie! Aber trotz allem bleibt Tobias Mann Optimist: "Statt in Angst und Schrecken zu versinken, glaube ich an das Gute."

"Wo bleibt die ...

Tobias Mann zelebriert ein zweieinhalbstündiges Feuerwerk an feinsinnigen Gedankensprüngen, Wortakrobatik und Songs, das von einem begeisterten Publikum ausgiebig gefeiert wird. Scharfsinnig, aber nie verletzend, feuert er mit flotter Zunge aus allen Rohren. Dabei sucht er den direkten Kontakt zum Zuschauer, wartet auf dessen Reaktion. Denn seine Aussagen sind oft hochexplosiv, intelligent, mit feinem bis derbem Humor. Immer wenn er sich sarkastisch bis an die Grenze des Widerspruchs durch sein Publikum herangewagt hat, lächelt er mit Unschuldsmiene und beruhigt die Gemüter mit einem flotten Spruch.

Nachdem er sich mit dem "Stress an Weihnachten, Silvester und zwischen den Jahren" und dem "Konsumterror" befasst hat, wird Tobias Mann politisch und bezieht klar Position. Die Zeiten für Kabarettisten seinen "härter geworden", da die Leute schnell beleidigt seien und den Humor verloren hätten. Zu lustig dürfe es auch nicht sein. Und so bekommen die politischen Parteien gut dosiert ihr Fett ab. In einem Punkt seien sie alle gleich: "Es fehlt an Orientierung".

Manch ein überforderter Politiker sitze, ohne es zu wissen, im Glashaus und sei dann überrascht, wenn gläserne Bürger mit Steinen werfen. Angela Merkel, die Kanzlerin, sei "wie eine Zigarette. Du weißt, sie ist nicht gut für dich, aber sie beruhigt". Bei Misserfolgen tauche sie in der Versenkung ab, bei Erfolgen sei sie wieder da wie ein "Stehaufmännchen". Dabei sei die Kanzlerin - obwohl sie eine der beliebtesten Satireopfer Deutschlands ist - in den Augen seiner Künstlersparte eine denkbar schweres Objekt: "Kabarett gegen Merkel zu machen, da kannst du auch versuchen, eine brennende Bohrinsel anzupinkeln. An ihr perlt alles ab." Tobias Mann lobt die Kanzlerin für ihre "humanistische Entscheidung" in der Flüchtlingskrise. Leider sei der Applaus dafür von der falschen Seite gekommen. Fatal aber sei der "Deal mit dem Dalai Lama vom Bosporus".

Der SPD warf Mann vor, ihre Grundsätze preisgegeben zu haben. Dazu komme die "personelle Not" und ein "Superminister", der nur "auf dem Polsterstuhl am Kabinettstisch einen bleibenden Eindruck" hinterlassen habe. Die Grünen nimmt Tobias Mann für die "völlig neue Form der Opposition" aufs Korn: Er nennt es "pikiertes Beistehen, bis sie schwarz geworden sind". Seehofer und seine Freunde holten ihre Parolen an bayrischen Stammtischen und die "CSU-Sturmhaubitze Markus Söder" beim Weißbier. Die linke Opposition vergleicht der Kabarettist mit "Asterix ohne Zaubertrank". Berechtigt scheint die Frage: "Wo ist Europa?" Und die Enttäuschung sitzt tief: "Die Würde des Menschen ist unantastbar - solange der Vorrat reicht". Mit Sorge blickt Tobias Mann über den großen Teich, wo man nicht in der Lage gewesen sei, einen "Politiker in das höchste Amt der Welt" zu wählen. "Amerika hat sich seinen Metzger selbst ausgesucht", so der Kabarettist. Als Tobias Mann nach Art der "Rolling Stones" über die Bühne rockt, ist die Welt fast wieder in Ordnung, strahlt Zuversicht aus, wenn er singt: "Ich habe unsere Zukunft getroffen, es ist noch nicht zu spät."

Als knallharter Gesellschaftskritiker zeigt sich Tobias Mann, wenn er provozierend fragt: "Wo bleibt die Besonnenheit?" Bewusst würden in den Medien "Ängste geschürt", statt "moderate Töne

... Besonnenheit?"

anzustimmen". Darüber hinaus würde im Internet bisweilen "menschenverachtender Scheiß" produziert. Blitzgescheit und streitbar setzt er seine Pointen zur medialen Reizüberflutung. Es gebe sogar Nachrichten, die veröffentlicht würden, bevor sie passiert sind, nach dem Motto: "Hast du was?" - "Nein!" - "Dann bring es trotzdem!" Vehement wehrt sich Mann gegen das Gerede, die Welt sei schlechter geworden, um dann festzustellen: "Sie ist genauso beschissen wie früher."

Die verstörende Informationsflut der Diagnose von "Doktor Internet" prangerte er ebenso an wie die Werbung. Mit der Ballade "von einem, der ins Netz gegangen ist" traf er den Nagel auf den Kopf. Darin beschreibt er, wie das menschliche Miteinander auf der Strecke bleibt: "Weil das Netz mich braucht, brauche ich dich nicht." Bis zum Schluss lässt er bei guter Laune und spitzbübischem Charme einen wahren Hagel an Pointen auf sein Publikum niedergehen. Bis zum Schluss glaubt er an das Gute: "Ich bin Optimist. Gehen Sie mit Zuversicht in die Zukunft! Schauen Sie sich den Untergang ganz entspannt an!"

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