"The New Yorker" berichtet über Flucht von Kiew nach Ladenburg
Ladenburger Gastfreundschaft ist jetzt auch in den USA bekannt. Das Magazin "The New Yorker" berichtet über die Flucht einer Ukrainerin, die nun in Ladenburg lebt.

Von Axel Sturm
Ladenburg. Das amerikanische Wochenmagazin "The New Yorker" wendet sich mit einer Auflage von über 1,2 Millionen Exemplaren an Leser, die gut recherchierte Artikel schätzen. In der Ausgabe vom 27. Juni sorgte eine Reportage über die Situation von ukrainischen Geflüchteten für viel Aufmerksamkeit in den USA.
Autor Ed Caesar berichtet über die dramatische Flucht von Inna Blahonravina mit ihren Töchtern Sasha und Olivia aus Kiew, die in Ladenburg endete. Die Flüchtlingsarbeit in dem "kleinen deutschen Städtchen am Neckar", zeigt der Leserschaft des Magazins auf, wie rührend sich die Menschen in Ladenburg um ihre geflüchteten Gäste kümmern.
Die RNZ traf sich mit Inna Blahonravina im Ladenburger Freibad, wo die zweifache Mutter und Langdistanz-Schwimmerin für anstehende sportliche Wettbewerbe trainiert. Sie geht für den Schwimmverein Mannheim an den Start. Blahonravina ist begeistert vom Ladenburger Freibad, in das übrigens alle geflüchteten Ukrainer freien Zutritt haben. Dies sei nur eine von vielen Gesten, die den geflüchteten Menschen helfen, in Ladenburg zurechtzukommen. Davon und von vielen weiteren Unterstützungen hat Blahonravina Ed Caesar erzählt.
Die 44-Jährige ist eine starke Persönlichkeit, die nach der Bombardierung ihres Kiewer Stadtviertels zwei Wochen nach Ausbruch des Krieges mit ihren zwei Kindern und den drei Katzen in Richtung Polen floh. Ihr Mann Maksym, ein Journalist, den Inna im Jahre 2001 heiratete, hatte darauf bestanden, dass die Familie das Kriegsgebiet schnell verlassen soll.
Seine Frau, die Wirtschaftslehre studierte, als Wertpapierhändlerin arbeitete und eine hervorragende Pianistin ist, fiel dieser Schritt schwer. Denn sie liebt ihr Land. Inna Blahonravina beteiligte sich schon 2014 an den Protesten, als die damalige Regierung um Viktor Janukowitsch die Beziehungen zu Russland vertiefen wollte. Blahonravina und ihre Familie lieben die Freiheit in einer Demokratie und setzen sich für die Einbindung der Ukraine in die Europäische Union ein.

Den im Februar begonnen Angriffskriegs Putins hatte Inna Blahonravina nicht erwartet, und sie ging davon aus, dass der Krieg nach ein paar Tagen "Säbelrasseln" zu Ende sei. Sie plante sogar, an den ukrainischen Langstrecken-Schwimm-Meisterschaften im März teilzunehmen – doch mit den furchtbaren Raketenangriffen der Russen auf Krankenhäuser, Kindergärten und auf die Schwimmhalle, in der sie trainierte, musste Inna Blahonravina ihr Vorhaben aufgeben. Stattdessen saß sie mit ihren Kindern und den Katzen in einem überfüllten Zug, der zur ukrainisch-polnischen Grenze fuhr.
Bei einem Freund ihres Mannes wurden Inna Blahonravina und die Kinder zwei Wochen in Warschau aufgenommen, um dann zu einem Cousin von Maksym nach Deutschland weiterzureisen. Im bayerischen Olching fanden die drei Geflüchteten eine Bleibe.
Die Verwandten räumten ihren Kraftraum aus, der Inna Blahonravina, Sasha und Olivia auf unbestimmte Zeit als Wohnraum zur Verfügung gestellt wurde. In Olching kam die Frau emotional aber nie wirklich an. Es gab nur wenig Unterstützung, auch die Kinder wurden hier nicht glücklich. Sie war ihrem Gastgeber zwar zutiefst dankbar, hatte nun aber andere Pläne.
Ihre Überlegungen, nach Kanada weiterzureisen, waren bereits konkret, als der Anruf einer Landsfrau alles veränderte. Tania, eine Freundin aus dem Schwimmclub in Kiew, war mit ihren Kindern in Ladenburg untergekommen. "Komm nach Ladenburg, Inna, hier haben die Menschen ihre Türen und Herzen geöffnet. Wir werden hier fantastisch unterstützt." Gleich am nächsten Tag machte sich Inna Blahonravina auf den Weg in die Römerstadt.
"Ladenburg", erzählte sie dem amerikanischen Reporter, "war noch einladender als Tina berichtet hatte". Der Marktplatz sei mit blau-gelben Bändern geschmückt gewesen, die Stadtverwaltung habe für sie und die Mädchen eine Wohnung zur Verfügung gestellt. Es sei Sprach- und Schulunterricht angeboten worden, und die Mitarbeiter der Ämter hätten sich geradezu rührend um die Flüchtlinge gekümmert.
Begeisterung löste übrigens auch die Geste aus, dass im evangelischen Gemeindehaus ein Begegnungszentrum eingerichtet wurde, das vom Verein Intakt betreut wird. Sogar ukrainisches Essen wurde dort gekocht.
Sasha erhielt einen Platz in der Grundschule, und Olivia fand im Begegnungszentrum Freunde. Inna Blahonravina konnte ihrem Mann Maksym, der als Soldat mithilft, das Land zu verteidigen, von Menschen in Ladenburg berichten, "die wahre Engel sind".
Sie selbst findet nun Zeit, sich ihren Hobbys zu widmen. Die Fahrrad-Werkstatt stellte ihr und den Kindern Räder zur Verfügung, sie genießt die angebotenen Ausflüge. Und sie trainiert fleißig, um als Langstrecken-Schwimmerin fit zu bleiben.
Ihr Traum wäre es, als Staffelschwimmerin am Ladenburger Triathlon, dem Römerman, teilzunehmen. "Ich kann leider nur schwimmen – ich suche daher noch einen Radfahrer und einen Läufer, um am Römerman in einer Staffel antreten zu können", erzählte Inna Blahonravina. "Jetzt muss ich aber trainieren", beendete sie das Gespräch mit einem Sprung ins Wasser.