"Haken dranmachen und loslegen"
Die CDU-Basis in und um Wiesloch drängt nach den Startschwierigkeiten bei der Kanzlerwahl auf entschlossenes Handeln.

Von K. Bülow, A. Hammer und S. Lerche
Region Wiesloch. Der neue Bundeskanzler Friedrich Merz hat gestern eine historische Klatsche erlitten. Als erster Kanzler in der Geschichte der Bundesrepublik hat er zwei Abstimmungen benötigt, um vom Bundestag zum neuen Regierungschef bestimmt zu werden.
Was sagt die Basis dazu? Die RNZ hat sich bei den CDU-Ortsverbänden rund um Wiesloch umgehört.
> Rüdiger Bös, CDU-Fraktionsvorsitzender im Malscher Gemeinderat, ist hörbar aufgebracht, als die RNZ ihn auf dem Handy erreicht. Er sieht im Kanzlerdebakel nämlich nicht nur einen Schaden für Friedrich Merz persönlich, sondern auch für Deutschland auf der europäischen und internationalen Bühne: "Das ist ein schlechtes Bild nach außen", findet Bös. Das Verhalten der Abweichler findet er "hinterlistig", es habe schließlich Koalitionsverhandlungen gegeben.
Es brauche jetzt eine gute und stabile Regierung, daher sollte die Devise in Berlin jetzt lauten: "Aufstehen, Krone richten und ans Werk gehen – damit es in Deutschland wieder vorwärts geht", so Rüdiger Bös.
> Juliana Sauer und Marco Wonschik von der CDU Dielheim finden, dass Friedrich Merz im ersten Wahlgang nicht zum Bundeskanzler gewählt wurde, "macht einen schlechten Eindruck". Gerade in solchen herausfordernden Zeiten – innen- wie auch außenpolitisch – "sollte man nicht das eigene Ego über die Verantwortung, die man als Abgeordneter hat, stellen".
Vielmehr sei es wichtig, "dass wir schnellstmöglich eine stabile Regierung haben". Die beiden betonen: "Die Gewinnerin der Bundestagswahl ist die CDU. Dem Wählerauftrag, eine stabile und gute Regierung zu bilden, ist sie nachgekommen."
> Peter Becker von der CDU Mühlhausen wundert sich, dass zwei Wahlgänge nötig waren, um Merz zum Kanzler zu bestimmen, statt Rückenwind ein holpriger Start: "Offenbar gibt es da noch ein paar Unzufriedene, ein paar offene Rechnungen."
Eigentlich hätten die Abgeordneten der großen Koalition gleich "ihrer Verantwortung für Deutschland gerecht" werden müssen – "dann muss man eben über seinen Schatten springen, denn was wäre die Alternative?"
Nun sei zu befürchten, dass Merz das Scheitern im ersten Wahlgang künftig öfter "unter die Nase gerieben wird", so Becker. Dabei hätte man ihm als Kanzler gleich "den Rücken stärken" müssen, schließlich gebe es viel zu tun "und wir müssen endlich loslegen".
> Clemens Kriesel, Vorsitzender der CDU Walldorf, findet es "schade", dass Friedrich Merz nicht gleich im ersten Wahlgang die erforderliche Mehrheit erreichte.
Über die Ursachen will er nicht spekulieren: Es gelte nun, schnell Vertrauen zurückzugewinnen, "sowohl bei der Bevölkerung als auch bei der Abgeordnetenschaft".
Dies könne mit gutem Handeln und der zügigen Umsetzung des Koalitionsvertrags gelingen.
> Michael Wanner Vorsitzender des Wieslocher Stadtverbands der CDU rät dazu, die Schlappe im ersten Wahlgang nicht überzubewerten. "Es ist natürlich ein holpriger Start", sagt er. Knappe Ergebnisse habe es aber bei Kanzlerwahlen des Öfteren gegeben.
"Nun war eben mal jemand knapp darunter." Die schwarz-rote Koalition und Merz sollten nun "einen Haken dranmachen und einfach loslegen", wünscht sich Wanner.
> Tobias Berger, Vorsitzender der CDU St. Leon-Rot, bedauert, dass einige Abgeordnete bei ihrem Abstimmungsverhalten offenbar nicht die Ernsthaftigkeit der politischen Lage erkannt hätten. "Andererseits gehört Streit zur Politik dazu."
Konfliktpotenzial werde es auch künftig noch genügend geben. Dass die Startschwierigkeiten dem neuen Bundeskanzler auf Dauer schwer nachhängen werden, glaubt Berger nicht. Sie würden sicher immer mal erwähnt.
"Er wird sich davon aber in der Alltagspolitik nicht beeinflussen lassen", meint Berger. "Und wir uns als CDU auch nicht."
> Nadine Wiesendanger vom Rauenberger CDU-Vorstand hat gestern den zweiten Wahlgang live im Fernsehen verfolgt und war froh, dass es im zweiten Anlauf für Merz gereicht hat.
Vom Ausgang des ersten Wahlgangs sei sie "überrascht" gewesen. "Ich bin davon ausgegangen, dass alle CDU-ler und SPD-ler für ihn stimmen", sagt Wiesendanger.
Ob Merz der richtige Kandidat war? "Jein", meint die Rauenbergerin. "Aber alternativlos." Von Merz erwartet sie, dass er "vieles besser macht als Olaf Scholz" – insbesondere in den Bereichen Inklusion und Migration.