Mitbewohner im Bett erstochen

Realitätsverlust führte zu Bluttat in Walldorf (Update)

Ein 41-Jähriger wird dauerhaft in einer psychiatrischen Klinik untergebracht.

12.10.2023 UPDATE: 19.04.2024 19:01 Uhr 6 Minuten, 44 Sekunden
​Symbolfoto: dpa

Von Konrad Bülow

Walldorf/Heidelberg. Um sein Leben konnte der 63-Jährige wohl nicht mehr kämpfen, den sein heute 41-jähriger Mitbewohner in einer Walldorfer Unterkunft für Obdachlose erstach. Ob das Opfer bei der tödlichen Attacke in der Nacht auf den 7. Oktober vergangenen Jahres wach war, lässt sich nicht mehr mit Sicherheit klären, wie Richter Jochen Herkle bei der Urteilsverkündung im Verfahren zu der Tat verdeutlichte. Es hätten sich im Schlafzimmer des 63-Jährigen aber keine Kampfspuren gefunden, ebenso wenig Abwehrverletzungen am Körper des Getöteten. "Er war nicht vorgewarnt, es war kein dynamisches Tatgeschehen", sagte der Richter. Anlass für die Gewalttat soll gewesen sein, dass sich der Beschuldigte vom Opfer durch Lärm belästigt fühlte.

Nach der Tat und seiner Verhaftung war der 41-Jährige in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden. Dort soll er nach dem Beschluss der Großen Strafkammer am Landgericht auch bleiben. Sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung hatten dies beantragt. Zum Prozess waren 18 Zeugen und zwei Sachverständige geladen.

Daran, dass der Mann die Tat begangen hat, haben die Richter keinen Zweifel. Im Prozess – der bis zur Urteilsverkündung unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand – habe er sich zwar nicht geäußert, sagte Herkle. Gegenüber Polizisten und der Haftrichterin habe er den tödlichen Angriff aber eingeräumt und auch Täterwissen offenbart – so habe er darauf bestanden, öfter zugestochen zu haben, als im Haftbefehl unterstellt. Zudem sei es ihm wichtig gewesen zu betonen, dass der Angegriffene nicht geschlafen habe.

Ebenso überzeugt ist das Gericht aber, dass der 41-Jährige für seine Tat nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann. Seit vielen Jahren leide er an einer psychischen Erkrankung, die mit Realitätsverlust einhergeht, sagte Herkle. "Krankheitsbedingt hat er sich zu seiner Tat berechtigt gefühlt. Er sah sie als angemessene Reaktion auf die Ruhestörung und war überzeugt, sein Opfer habe sie verdient", legte der vorsitzende Richter dar. Dies habe die Einschätzung der Sachverständigen gezeigt.

Der Täter habe die Leiche im Zimmer liegen lassen. Erst Tage später gelangte die Tat demnach ans Licht: Ein Mitarbeiter der Stadt Walldorf wollte die Heizung anstellen und nahm einen stechenden Geruch wahr. Die Polizei fand kurz darauf den Toten auf dem Bett vor, vollständig bekleidet, halb sitzend. Noch während der Polizeimaßnahme habe der spätere Angeklagte das Haus verlassen, später am Tag sei er festgenommen worden, führte Herkle aus. In seinem Zimmer sei ein einhändig aufklappbares Taschenmesser gefunden worden, das als Tatwaffe gilt, Blutspuren an der Kleidung des 41-Jährigen waren ein weiteres Indiz. Zwei Wochen nach der Verhaftung erfolgte die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus.

Wie der Richter weiter deutlich machte, war über das Vorleben des Angeklagten eher wenig bekannt. Er habe seinen Hauptschulabschluss erlangt, sei aber an der Mittleren Reife gescheitert. Seine Mutter habe ihn irgendwann vor die Tür gesetzt. 2007 hätten sich erstmals Zeichen einer psychischen Erkrankung gezeigt. Zunächst habe sie sich als gut behandelbar erwiesen. Der Mann fasste Fuß, fand eine Partnerin, mit der er einen Sohn hatte und arbeitete als Logistiker. Ab 2014 sei es zu Brüchen gekommen. Seine Partnerin habe sich getrennt, der Arbeitgeber gekündigt, auch der Kontakt zum Sohn versiegte. "Ab 2022 war der Beschuldigte nur noch in Notunterkünften", sagte Herkle. Die Erkrankung verschärfte sich demnach. Offensichtlich habe er zur Zeit der Tat derart unter ihren Symptomen gelitten, dass es den ermittelnden Polizisten sofort aufgefallen sei.

Das wesentlich ältere Opfer habe als psychisch gesund gegolten, sei jedoch alkoholabhängig gewesen und habe der Trinkerszene angehört, die sich unweit der Unterkunft am Supermarkt trifft, fuhr Herkle fort. Zeugen hätten ihn als freundlich beschrieben, aber auch als jemanden, der unter Alkoholeinfluss ausfällig werden könne. Ein Freund habe den 63-Jährigen am Abend des 6. Oktober nach Hause begleitet, nachdem dieser zu betrunken war, den Weg alleine zu schaffen. Nach Aussage des Freundes habe sich der Mann noch bedankt.

Das Gericht sei der Frage nachgegangen, ob die Tat Mordmerkmale wie Heimtücke und niedere Beweggründe erfüllt, auch vor dem Hintergrund der unvermittelten Tat, erklärte der Richter. Nach Einschätzung der Strafkammer war sich der 41-Jährige seines Überraschungsvorteils nicht bewusst. Auch zu einer Wertung seiner Tat sei er aufgrund seines Realitätsverlusts nicht fähig gewesen, beschrieb Herkle die Ergebnisse der Beweisaufnahme. Strafrechtlich sei ein Totschlag anzunehmen – für den der Beschuldigte wegen der Schuldunfähigkeit nicht bestraft werden könne.

Gleichwohl nimmt das Gericht an, dass der Angeklagte für die Gesellschaft eine Gefahr darstellt und wieder solche Verbrechen begehen könnte. Es sei gesetzlich vorgegeben, dass die Unterbringung des Mannes jährlich überprüft wird. "Sie haben aber noch einen weiten Weg vor sich", sagte Herkle zum Angeklagten.

Update: Freitag, 19. April 2024, 18.59 Uhr


Schlafenden Mitbewohner im Bett wegen Ruhestörung erstochen?

Von Konrad Bülow

Walldorf/Heidelberg. Erst soll er einen schlafenden Mitbewohner in einer Walldorfer Obdachlosenunterkunft geschlagen und ihn dann mit einem Messer getötet haben, angeblich wegen einer vermeintlichen Ruhestörung: Unter Ausschluss der Öffentlichkeit hat nun am Landgericht Heidelberg der Prozess gegen einen zum Tatzeitpunkt im Oktober 40-Jährigen begonnen. Er soll unter einer psychischen Erkrankung leiden, die Staatsanwaltschaft strebt deshalb seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an.

Dass der Prozess hinter verschlossenen Türen stattfindet, hatte Verteidiger Oliver Brinkmann beantragt, der vermeiden wollte, dass Details über die Krankengeschichte seines Mandanten öffentlich besprochen werden. Die Strafkammer um Richter Jochen Herkle gab dem statt.

Noch vor der Verlesung der Anklage fasste das Gericht den Beschluss, die Pressevertreter und mehrere Zuschauer auszuschließen. Mit den Prozessbeteiligten blieben noch zwei uniformierte Polizisten im Raum, außerdem eine Praktikantin der Staatsanwältin, zu Ausbildungszwecken.

Der Angeklagte hatte schon eine ganze Weile vor dem angesetzten Beginn der Verhandlung Platz genommen, bekleidet mit einem grauen Kapuzenpullover. Als ihn sein Verteidiger ansprach, antwortete er mit leiser Stimme. Seine Hände hatte er unter dem Tisch verborgen, die Handschellen wurden erst sichtbar, als die Richter hereinkamen und sich die Prozessbeteiligten und Besuchenden erhoben.

Der Beschuldigte teilte sich mit dem 63-Jährigen Opfer zur Zeit der Tat ein zweistöckiges Reihenmittelhaus in Walldorf, wie die Staatsanwaltschaft zuvor mitgeteilt hatte. In der Nacht auf den 7. Oktober vergangenen Jahres, um etwa 3 Uhr, soll der Beschuldigte den im Bett liegenden Mann zunächst mit Schlägen gegen den Kopf angegriffen und dann mit einem Messer wiederholt auf dessen Körper eingestochen haben. Da der 63-Jährige zur Tatzeit schlief, habe er einen körperlichen Angriff weder vorhersehen, noch sich dagegen zur Wehr setzen können.

Bekannt geworden war die Tat demnach erst am 10. Oktober, als sich ein Techniker wegen notwendiger Wartungsarbeiten in das Gebäude begeben hatte und ihm beim Betreten des Hauses ein stechender Geruch in die Nase gestiegen war. Bei der Überprüfung der Räumlichkeiten durch Mitarbeiterinnen der Stadt Walldorf und die von ihnen informierte Polizei sei der Leichnam des Getöteten aufgefunden worden.

Anlass der Gewalttat soll eine vermeintliche Ruhestörung durch das Tatopfer gewesen sein, wie die Staatsanwaltschaft weiter mitteilte: "Im Rahmen der Ermittlungen ließ sich allerdings nicht klären, ob Auslöser der Tat eine reale Ruhestörung war oder sich der Beschuldigte eine solche lediglich eingebildet hatte." Die Staatsanwaltschaft Heidelberg gehe davon aus, dass zur Tatzeit seine Steuerungsfähigkeit aufgehoben war.

Noch am 10. Oktober sei infolge intensiver Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und der Kriminalpolizei Heidelberg der Tatverdacht auf den Angeklagten gefallen, am selben Tag sei er festgenommen worden. Danach befand er sich zunächst in Untersuchungshaft, nach etwa zwei Wochen sei die Umwandlung des Haftbefehls in einen Unterbringungsbefehl erfolgt, der 40-Jährige wurde daraufhin in ein psychiatrisches Krankenhaus verlegt. Im Januar, nach Abschluss der Ermittlungen, beantragte die Staatsanwaltschaft dann die Unterbringung im Sicherungsverfahren, über die nun zu verhandeln ist. Der Vorwurf lautet auf Mord.

Die Strafkammer hat bis einschließlich 19. April zur Beweisaufnahme drei weitere Verhandlungstage angesetzt, es sind 18 Zeugen und zwei Sachverständige geladen worden. Der Ausschluss der Öffentlichkeit gilt auf Antrag des Verteidigers bis nach dem üblichen letzten Wort des Angeklagten. Danach soll die Öffentlichkeit wieder zugelassen werden.

Bereits im März hatte das Landgericht Heidelberg die Öffentlichkeit beim Sicherungsverfahren gegen den 34-Jährigen ausgeschlossen, der im September 2023 in einem Geschäft in der Wieslocher Fußgängerzone eine junge Frau erstach. Die Strafkammer entschied in jenem Fall auf Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, ähnlich wie sie die Staatsanwaltschaft im aktuellen Fall beantragt hat.

Update: Dienstag, 9. April 2024, 19.17 Uhr


Mutmaßlicher Mörder soll in "Sicherungsverfahren" untergebracht werden

Walldorf/Heidelberg. (RNZ/rl) Die Staatsanwaltschaft Heidelberg will den mutmaßlichen Mörder eines 63-Jährigen in einem psychiatrischen Krankenhaus unterbringen. Der zur Tatzeit 40-Jährige soll sein Opfer am frühen Morgen des 7. Oktober 2023 in Walldorf getötet haben soll.

Bekannt geworden war die Tat erst am 10. Oktober, als ein Techniker für Wartungsarbeiten ins Gebäude kam und dort einen stechenden Geruch bemerkte. Die verständigte Polizei entdeckte später die Leiche des 63-Jährigen.

Der Beschuldigte hatte sich mit dem Tatopfer ein zweistöckiges Reihenmittelhaus in Walldorf geteilt. Am frühen Morgen des 7. Oktober soll er seinen schlafenden Mitbewohner zunächst gegen den Kopf geschlagen und dann mehrmals mit einem Messer wiederholt auf den völlig überraschten Mann eingestochen haben. 

Anlass der Gewalttat war, dass der sich der 40-Jährige von seinem Mitbewohner in seiner Ruhe gestört sah. Die Ermittlungen konnten jedoch nicht klären, ob es wirklich eine Ruhestörung gab oder sich der 40-Jährige diese lediglich eingebildet hatte.

Die Staatsanwaltschaft Heidelberg geht davon aus, dass der Beschuldigte unter einer psychischen Erkrankung leidet und zur Tatzeit jedenfalls seine Steuerungsfähigkeit aufgehoben war.

Er befand sich seit seiner Festnahme am 10. Oktober 2023 zunächst in Untersuchungshaft. Nach etwa zwei Wochen erfolgte eine Umwandlung des Haftbefehls in einen Unterbringungsbefehl, mit der Folge, dass der Beschuldigte in ein psychiatrisches Krankenhaus verlegt wurde.

Die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Heidelberg hat nun über die Eröffnung des Hauptverfahrens im Sicherungsverfahren und die Anberaumung der Verhandlungstermine zu entscheiden.

Update: Freitag, 16. Februar 2024, 14.30 Uhr


40-Jähriger soll Mitbewohner getötet haben

Weil er seine Nachtruhe gestört hatte, musste ein 63-Jähriger am Samstagmorgen sterben. Der Tatverdächtige sitzt nun in Untersuchungshaft.

Walldorf. (pol/mün) In der Nacht zu vergangenem Samstag soll ein 63 Jahre alter Mann von seinem Mitbewohner getötet worden sein. Grund dafür sei gewesen, dass sich der mutmaßliche Täter in seiner Nachtruhe gestört fühlte. Der 40-jährige Tatverdächtige sitzt seit Dienstag in Untersuchungshaft. Das teilen Polizei und Staatsanwaltschaft am heutigen Donnerstag mit.

Die Tat soll sich in der Wohnung der beiden Männer in Walldorf gegen drei Uhr ereignet haben. Der 63-Jährige soll mit seiner Ruhestörung den 40-Jährigen "zu seiner Tat bewegt haben", schreiben die Behörden. Daraufhin habe der 40-Jährige den Mann zunächst mit Schlägen im Bett attackiert und im Anschluss mit mehreren Messerstichen getötet.

Erst am Dienstag wurde die Tat bekannt. Nachbarn hätten die Polizei gerufen, heißt es. Danach habe sich der Verdacht gegen den 40-jährigen Mitbewohner erhärtet.

Das Amtsgericht Heidelberg erließ Haftbefehl, der 40-Jährige kam in Untersuchungshaft.

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