Ladenburg

Für Kritiker braucht Solarenergie keine Altstadtdächer

Die Bürgerinitiative für Photovoltaik stellt neues Konzept zur Stromerzeugung vor. Es wird eine 5000 Quadratmeter große Fläche gesucht.

03.03.2023 UPDATE: 03.03.2023 06:00 Uhr 3 Minuten, 17 Sekunden
So viele Dächer und keine Solaranlagen. Die Altstadtsatzung verbietet die Module auf den historischen Häusern. Die Mitglieder der Photovoltaik-Bürgerinitiative können das sogar teilweise nachvollziehen. Deshalb haben sie sich etwas einfallen lassen. Foto: Sturm

Von Axel Sturm

Ladenburg. Eine spannende und wichtige Frage ist in der Römerstadt derzeit immer noch nicht beantwortet: Soll die Altstadtsatzung geändert werden, damit auf den Dächern durch die Installation von Photovoltaik-Anlagen (PV) Solarstrom erzeugt werden kann?

Die Satzung lässt diese Art der Energieerzeugung derzeit nicht zu. Sowohl die Befürworter als auch die Kritiker einer Änderung haben gute Argumente. Einig sind sich alle, dass aus Klimaschutzgründen und wegen der weltpolitischen Situation die dringende Notwendigkeit besteht, die Energie weniger aus fossilen Brennstoffen, dafür zunehmend aus Sonne, Wind oder Wasserkraft zu erzeugen.

Hanns-Hermann Wahl, Torsten Olbrecht, Norbert Morawetz und Jochen Liebrich (v.l.) suchen nach Platz für Solarmodule. Foto: Sturm

Ende vergangenen Jahres bildete sich in Ladenburg eine Bürgerinitiative, die sich mit dem Thema Photovoltaik beschäftigt. Zu den Gründern gehören neben den Altstadtbewohnern Jochen Liebrich und Hanns-Hermann Wahl auch Torsten Olbrecht und Norbert Morawetz. Am Beispiel von Liebrich und Wahl wird deutlich, dass es auch in der Bürgerinitiative für Photovoltaik in Ladenburg (BIPLA) zum Thema Altstadtsatzungsänderungen unterschiedliche Meinungen gibt.

Während das BUND-Mitglied Wahl sich eine Anpassung der Satzung für PV an nicht einsehbaren Dachteilen vorstellen kann, lehnt das Heimatbund-Vorstandsmitglied Liebrich eine Neuregelung ab. Für ihn ist die Installation von Solarmodulen auch an nicht einsehbaren Stellen eine unnötige Verschandelung der historischen Stadtansicht.

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> Neues Konzept soll Abhilfe schaffen: Doch es besteht nun ein Lichtblick, wie auch ohne die Änderung der Satzung eine Möglichkeit geschaffen werden kann, Altstadt-Haushalte mit Sonnenstrom zu versorgen. Dafür hat der Elektro-Ingenieur Torsten Olbrecht ein Konzept entwickelt, das bereits auf dem Weihnachtsmarkt vorgestellt wurde und das dort auf großes Interesse stieß.

Dieser Tage präsentierten Olbrecht, Wahl und Liebrich ihre Idee der RNZ. Ziel der Initiative sei es, Haushalte in Ladenburg über PV-Anlagen mit eigenem Sonnenstrom zu versorgen, denen keine geeigneten Dachflächen zur Verfügung stehen.

Olbrecht dokumentierte, dass rund 80 Prozent der Altstadt-Dachflächen nicht geeignet sind, um eine wirtschaftlich sinnvolle Solaranlage zu installieren. Daher haben die BIPLA-Gründer einen neuen Ansatz entwickelt. Neben der Möglichkeit, Strom auf dem eigenen Dach zu erzeugen, kann Sonnenenergie auch auf Flächen außerhalb der Innenstadt produziert und dann zum Verbraucher weitergeleitet werden.

Geeignete Grundstücke stehen beispielsweise an Straßen, Autobahnen oder an Bahn-Lärmschutzwänden zur Verfügung. Solche Flächen für diesen Zweck können sich Bürgermeister Schmutz und die Ratsmitglieder übrigens gut vorstellen, was für die BIPLA natürlich eine günstige Ausgangsposition ist.

Es gibt zwar in Ladenburg schon einige Bürger-PV-Anlagen, doch die daran Beteiligten können ihren Strom nicht direkt von dort beziehen, da er ins öffentliche Netz eingespeist wird. Weil der aktuelle Stromtarif wesentlich höher ist als die gesetzlich geregelte Einspeisevergütung, ist heute der Bau und Betrieb solcher Anlagen unwirtschaftlich. "Diese Modelle sind nicht mehr attraktiv. Das bremst private Investitionen in die Energiewende", ist sich das Trio einig.

> Hundertprozentige Selbstversorgung wird angestrebt: PV-Anlagen auf dem eigenen Dach können durchschnittlich nur rund 30 Prozent des eigenen jährlichen Stromverbrauchs decken. Der Grund sind Nacht- und Winterzeiten, in denen keine Sonne scheint. Üblicherweise wurde bisher der Überschuss des tagsüber produzierten Sonnenstroms in das öffentliche Netz eingespeist.

Die Novelle des EEG (Erneuerbare-Energie-Gesetz) aus diesem Jahr senkt hier die Einspeisevergütung für Eigennutzer weiter ab. Das benachteilige private Investoren und spiele den großen Energiekonzernen in die Hände. Energiespeicher können zwar dafür sorgen, dass sich eine Selbstversorgung von 70 Prozent erreichen lässt, indem bei Sonne Strom gespeichert und nachts oder bei Bewölkung abgegeben wird. Es bleibt aber das Problem der sonnenarmen Winterzeit.

Das von der BIPLA angestrebte Konzept einer hundertprozentigen Selbstversorgung ist möglich, wenn die PV-Anlage mit einem sogenannten Cloud-Vertrag ergänzt wird, erklärte Olbrecht. Erste Energieversorger bieten dafür Vertragskonstruktionen an, bei denen die im Sommer erzeugte Überschussmenge im Winter abgerufen werden kann.

Das Konzept, das die BIPLA momentan mit den Anbietern verhandelt, lässt außerdem zu, dass von einer PV-Anlage entfernte Haushalte mitversorgt werden. Damit wäre auch das Problem "Solarmodule auf Altstadtdächern" für Ladenburg zu lösen.

> Die Kosten für die Beteiligung: Für eine hundertprozentige Selbstversorgungslösung wird für einen beispielhaften, durchschnittlichen Haushalt mit Investitionskosten von unter 15.000 Euro gerechnet. Diese amortisieren sich angesichts der derzeitigen Strompreise in zehn bis 15 Jahren. Dabei sind die jährlichen Cloud-Gebühren in Höhe von rund 500 Euro sowie die Investition in den Energiespeicher schon eingerechnet.

> So geht es konkret weiter: Die Initiative will bis zu 300 Haushalte in Ladenburg mit Solarstrom versorgen. Dafür ist eine Modulfläche von 5000 Quadratmetern notwendig, was der Größe eines Sportplatzes entspricht, die zur Verfügung gestellt werden müsste. "Natürlich müssen dies Nebenflächen sein – also kein fruchtbares Ackerland", sagte Wahl, der zuversichtlich ist, dass sich solche Flächen auch in Ladenburg finden lassen.

Am Ende des Pressegesprächs fassten die Experten zusammen, dass für die Projektumsetzung keine neuen Technologien notwendig sind. Alle Komponenten seien marktüblich. Für die PV-Anlage ist bei Installation auf vorhandenen Ladenburger Dächern zudem kein neuer Bebauungsplan notwendig.

Es könnte also schnell losgehen. Mit den wenigen Cloud-Stromanbietern stehen in den nächsten Wochen spannende Verhandlungen an. "Wir wollen natürlich gute Konditionen erzielen", meinte Liebrich, der ebenso wie seine Mitstreiter davon überzeugt ist, "dass das Projekt funktionieren wird".

Info: Wer mehr über das Projekt erfahren möchte, wendet sich per der E-Mail an BIPLA@gmx.net direkt an die Initiative.

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